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100 Jahre Tor zur Welt am Rheinknie

Dreiländereck in Basel (Bild:SVS-Journal) SVS-Journal

Dieses Jahr feiert die moderne Güterschifffahrt in Basel ihr 100-jähriges Jubiläum.

Tonnagemässig ist die Bedeutung dieses kostengünstigen Verkehrsmittels gross, die Bekanntheit jedoch eher gering.

Von Böllerschüssen und Glockengeläute begeistert begrüsst, traf vor 100 Jahren am 2. Juni 1904 der erste, modernen Standards entsprechende Schiffschleppzug in Basel ein. Der Schraubendampfer “Knipscheer IX” und der Schleppkahn “Christina” legten nach einer zehntägigen Fahrt von Duisburg im heutigen Rheinhafen St. Johann an.

Der Schleppkahn hatte 300 Tonnen Ruhrkohle für das Basler Gaswerk geladen. Damit war der Beweis erbracht, dass Grossschifffahrt auch bis hinauf nach Basel möglich war.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte viel Skepsis bezüglich des Sinns und der Machbarkeit solcher Massengüter-Transporte bis hinauf zum Rheinknie vorgeherrscht. Die Strömung am Oberrhein war noch stark, denn keine Schleusen und Staumauern beruhigten den Wasserfluss.

Von 300 Tonnen zu 450 Containern

Seither schritt der Ausbau der Rheinschifffahrt und der Basler Infrastruktur unaufhaltsam fort. “Die Entwicklung der Hafenanlagen, der Berufe, der Sicherheit auf den Flüssen oder der Schiffe selbst ist enorm”, sagt Heinz Merzweiler, Präsident der Verkehrsdrehscheibe und Verantwortlicher für die Ausstellungen zur Rheinschifffahrt.

Zur Zeit ist ein grosses Rheinschiff 135 m lang und fasst 450 Container, oder 4 Mio. Liter Flüssigkeit. Und bald könnte es statt der traditionellen Signale, Bojen und den Steuerrädern nur noch Funktelefon, GPS-Navigation, Radar und vielleicht sogar ganze Schiffe ohne Besatzung geben…

Zwischen Rotterdam zu den vier Basler Häfen leistet die Rheinschifffahrt in Tonnen-Kilometern pro Jahr ungefähr 80% dessen, was die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) an Gütern transportieren. Mit dem Unterschied, dass die Schifffahrt dies ausser auf den letzten 100 Metern schweizerischem Fluss-Territorium zu 99% im Ausland abwickelt.

“Seit langem gibt es Bemühungen, die Rheinschifffahrt noch weiter bis zum Bodensee hinauf zu führen”, sagt Rudolf Feierabend, Präsident a.i. der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft (SVS), gegenüber swissinfo.

1700 Beschäftigte in den vier Basler Häfen

Heute werden rund 9 Mio. Tonnen resp. mengenmässig rund 15 Prozent des gesamten schweizerischen Aussenhandels in den vier Rheinhäfen von Basel-Stadt und Basel-Land umgeschlagen (Kleinhüningen, St. Johann, Birsfelden und Au/Muttenz). Etwa die Hälfte entfällt auf flüssige Stoffe.

Die Hafenkapazitäten würden auch den Umschlag von doppelt so viel Ware erlauben. Die Quaianlagen der vier Häfen erstrecken sich über sieben Kilometer, die Bahngeleise über 100 km. Beschäftigt werden über 1700 Menschen.

Wenig Wahrnehmungs-Wellen

Und dennoch: “Die Wahrnehmung der Rheinschifffahrt in der Öffentlichkeit fällt gegenüber ihrer wirklichen Bedeutung ab”, bedauert Feierabend. Dies habe vielleicht damit zu tun, dass “die Rheinschifffahrt als einziges gewichtiges Verkehrsmittel der Schweiz keine Subventionen vom Bund verlangt. Und deshalb keine Lobby in Bern aufgebaut hat, die von sich sprechen macht.”

Wie wenig Wellen die Rheinschifffahrt als Polit-Thema wirft, zeigt sich auch an einem weiteren Umstand: Verkehrsminister Moritz Leuenberger wird anlässlich der Jubiläumsfeier in Basel zum ersten Mal zur Binnenschifffahrt Stellung nehmen.

Drehscheibe Wasser, Schiene, Strasse

Auch Alt-Nationalrat Paul Kurrus bezeichnet die Rheinschifffahrt als “Stiefkind der eidgenössischen Verkehrswirtschaft”.

Der Ruf von Basel als “Goldenes Tor der Schweiz” könne wiederbelebt werden, wenn die Rheinhäfen zu einer eigentlichen Drehscheibe Wasser/Schiene/Strasse ausgebaut würden.

Zollfrei und völkerrechtlich zugesichert

Im Gegensatz zu Schienen und Strassen stellt aber der Rhein in seiner gesamten Länge für die Schweiz einen zollfreien und völkerrechtlich gesicherten Zugang zum Meer dar.

Der aktuelle Grenz-Disput zwischen Deutschland und der Schweiz zeigt, wie relevant dieser Umstand werden kann. Alle rechtliche Entscheide, die den Rhein betreffen, fällt ausschliesslich ein internationales Gremium, die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt.

Die Schweiz ist Mitglied in dieser Kommission. Rudolf Feierabend, für diese Vertretung zuständig, betont gegenüber swissinfo, in ihr würden Beschlüsse nur einstimmig gefällt.

Nun ergibt sich im laufenden Doppeljubiläums-Jahr für die Rheinschifffahrt mehrfach die Gelegenheit, der Öffentlichkeit die Bedeutung der modernen Güterschifffahrt vor Augen zu führen. Auf dem Jubiläumsprogramm stehen eine Sonderschau, Hafenfeste und Tagungen zu Transport, Logistik, Effizienz und Ökologie.

swissinfo, Alexander Künzle aus Basel

Die Rheinschifffahrt leistet, gemessen in Tonnen-Kilometern pro Jahr, ungefähr 80% dessen, was die SBB im Güterverkehr leisten.

Auf einem modernen Rheintransporter haben bis 450 Container Platz.

Die wichtigste historische Aufgabe der Basler Rheinhäfen besteht darin, im Netz der europäischen Handels- und Verkehrswege die Verbindung des Binnenlands Schweiz mit dem Meer sicherzustellen.

Vorteil der Binnen-Schifffahrt: Es ist das preiswerteste Transportmittel.

Ein Tonnenkilometer auf der Strasse kostet rund 15,8 Rappen, auf der Schiene 9,5 und auf dem Wasser 1,9 Rappen.

Mit 5 Liter Dieselöl wird eine Tonne mit der Binnenschifffahrt 500 km, mit der Eisenbahn 333 km und mit dem Lastwagen 100 km transportiert.

1955 wurde über den Hafen Basel mit gut 4 Mio. Tonnen 34,1% des gesamten Aussenhandels der Schweiz abgewickelt.

1970 hatte sich der Aussenhandel auf 34,13 Mio. Tonnen fast verdreifacht, doch der Anteil des Hafens Basel fiel auf 22,8%.

2002 belief sich der Aussenhandel auf knapp 59 Mio. Tonnen, aber der Anteil Basels fiel auf 12,8% zurück.

Die Bedeutung der Rheinschiffahrt, in Tonnen-Anteilen des gesamten Aussenhandels des Landes gemessen, ist seit dem Ende des 2. Weltkriegs konstant zurückgegangen.

In den EU-Ländern werden jährlich rund 500 Mio. Tonnen durch die Binnen-Schiffahrt abgewickelt.

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