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24 Tote bei Crossair-Absturz

Nur neun Personen konnten lebend geborgen werden. Keystone

Der Absturz einer Crossair-Maschine bei Kloten hat 24 Menschenleben gefordert. 9 Personen wurden verletzt gerettet. Unter den Opfern befinden sich drei prominente Israelis und Popsängerin Melanie Thornton.

Insgesamt befanden sich 33 Personen in der Unglücks-Maschine: 28 Passagiere und 5 Crew-Mitglieder; von den neun Verletzten, darunter zwei Crewmitglieder, konnten vier das Spital bereits wieder verlassen.

Zu den ersten Konsequenzen des Crossair-Absturzes gehört, dass die Luftfahrtbehörden am Sonntagnachmittag die Anflugverfahren auf die Piste 28 sistiert haben. Die Flughafenbetriebs-Gesellschaft Unique meldet im weiteren, dass internationale Standards vorschreiben, nach Unfällen die benutzte Anflughilfe zu überprüfen.

Kritisches Szenario bei Nebel

In diesem Fall geht es um das Drehfunkfeuer vor Kloten. Dieses zeigt dem Piloten, ob er zu hoch oder zu tief, zu links oder rechts vom Idealkurs fliegt. Bei der Piste 28 müssen diese Daten vom Piloten von Hand mit der Karte verglichen werden, bis die Landelichter der Piste sichtbar werden – sonst muss durchgestartet werden. Schiebt sich eine Nebelbank dazwischen, wird die Situation kritisch – ein Szenario, dass möglicherweise Samstagnacht eingetreten ist.

Die Piste 28 (Anflug Ost) bleibt deshalb vorläufig geschlossen. Die Landungen erfolgen wieder über die Nordroute, über der deutschen Grenzregion. Gemäss neuem Staatsvertrag sollte sie zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens nicht mehr benutzt werden, was seit einigen Wochen praktiziert wurde.

Bundespräsident und Verkehrsminister Moritz Leuenberger hatte sich betroffen gezeigt, dass es bereits Samstag nacht zu politischen Schuldzuweisungen gekommen sei. Er spielte damit auf die Diskussion über das Anflugverfahren auf die Piste 28 an. Leuenberger betonte, dass dieses Anflugverfahren von Osten seit 20 Jahren existiere. Es sei immer dann gewählt worden, wenn wegen schlechten Wetters der Nordanflug auf Zürich-Kloten nicht möglich war.

Prominente an Bord

In Jerusalem wurde inzwischen bekannt, dass sich drei bekannte Persönlichkeiten aus Israel an Bord der Crossair-Maschine befunden haben. Zwei Ärzte auf dem Rückflug von einem Medizinerkongress in Berlin, und der Direktor des Amts für Wirtschaftsentwicklung in Tel Aviv. Amiram Eldor, 59, leitete die Hämatologie-Abteilung des Ichilov-Spitals in Tel Aviv, das weltweit für seine Forschung rund um die Blutgerinnung bekannt ist.

Getötet wurden auch die deutsch-amerikanische Popsängerin Melanie Thornton und zwei Mitglieder der Popgruppe “Passion Fruit”. Laut Polizei umfasste die Passagierliste 13 deutsche Staatsangehörige, 10 Schweizer, drei Israeli, zwei Niederländer sowie je eine Person aus Kanada, Ghana, Österreich, Schweden und Spanien.

Der Jumbolino war am Samstag um 21.01 Uhr in Berlin Tegel gestartet. Die Landung in Zürich war für 22.15 Uhr vorgesehen. Wenige Minuten vorher stürzte die 97-plätzige zu tief fliegende Maschine in ein Waldstück bei Basserdorf ab.

“Jumbolinos” als sichere Flugzeuge bekannt

Bis zum Abbruch der Verbindung sei der Funkverkehr zu der Maschine völlig normal gewesen, teilten die Schweizer Behörden mit. Zum Sicherheitsaspekt sei hinzuzufügen, dass der “Jumbolino” kein zugemietetes Flugzeug, sondern im Besitz der Crossair selbst war. Vor wenigen Tagen, am 16. November, wurde sie letztmals kontrolliert. Nach dem Unfall vom 10. Januar 2000 hatte die Crossair einen Jumbolino einer britischen Airline dazumieten müssen, weil mehr Flugzeuge als üblich in Revision gingen.

Diese vierstrahligen Hochdecker “Avro RJ 85/100” gehören zu den sogenannt sicheren Maschinen im Regionalverkehr. Der Übername “Jumbolino” stammt von ihrem dicken Bauch, respektive dem Umstand, dass sie als Kleinpassagier-Flugzeuge bis 97 Reisende aufnehmen können.

Das Flugzeug eignet sich mit seinen leistungsstarken Triebwerken besonders für kurze Pisten. Es wird deshalb auch für die Destinationen London City und Lugano-Agno eingesetzt. Im Cockpit der Unglücksmaschine sassen laut Crossair-CEO André Dosé zwei erfahrere Schweizer Piloten.

Bestürzter Crossair-Chef Andre Dosé

“Wir müssen alles daran setzen, damit wir diese Krise meistern können”, sagte ein bestürzter Andre Dosé. Den Angehörigen drückte er sein tief empfundenes Beileid aus. “Im Namen des gesamten Crossair-Personals bringe ich unsere grosse Bestürzung darüber zum Ausdruck, dass Crossair ein weiteres Mal von einem Unfall betroffen ist”, heisst es in einer Erklärung von Dosé auf der Crossair-Hompage im Internet.

Dennoch den Aufbruch wagen

Bundespräsident Moritz Leuenberger hat sich über den Crossair-Absturz tief schockiert und bestürzt gezeigt. Es fehlten wirklich die Worte, sagte der Bundespräsident. In die Ratlosigkeit mische sich auch eine gewisse Bitterkeit. “Ich frage mich, wird denn das nie enden? Wann hört denn das auf?”

Der Bundespräsident wies weiter darauf hin, dass das Unglück die Schweiz in der Phase des Umbruchs und Aufbruchs zwischen Swissair und Crossair treffe. Dies stehe zwar nicht im Vordergrund. “Ich ersuche aber das ganze Land, zusammenzustehen und diesen Aufbruch zu wagen”, sagte der Bundespräsident.

Crossair-Pilotengewerkschaft fordert Konsequenzen

Der Präsident der Pilotengewerkschaft der Crossair (CCP), Thomas Häderli, hat Konsequenzen gefordert, sobald die Ursache des Jumbolino-Absturzes geklärt ist. Andere Verhaltens-Anweisungen beim Anfliegen seien in diesem Zusammenhang nicht auszuschliessen.

Swissair-Aeropers: Piloten sind stressgewohnt

Die Vereinigung des Cockpitpersonals der Swissair, Aeropers, stellt einen Zusammenhang zwischen Pilotenstress und Unternehmenskrise in Abrede: Dass die Piloten wegen der laufenden Unsicherheiten von Swissair/Crossair unter besonders grossem Druck stehen und deshalb die Sicherheit leiden könnte, verneint Sprecherin Silvia Schorta. “Das sind stressgewohnte Profis, die unter Druck arbeiten. Dies gilt ebenso für Abfertigung und Technik.”

Nochmals über die Bücher gehen

Die Schutzvereinigung Swissair hat den Absturz zum Anlass genommen, ihre Anliegen bezüglich der Zusammensetzung des Vewaltungsrat der geplanten neuen Schweizer Fluggesellschaft zu bekräftigen. In einer Mitteilung von Sonntagabend ersuchte die Vereinigung den Präsidenten des Steuerungs-Ausschusses, Rainer E. Gut, “nochmals über die Bücher zu gehen”.

Er solle der Generalversammlung der Crossair am 6. Dezember einen Verwaltungsrat vorschlagen, der nebst Fachkenntnis auch in der Lage sei, eine breite Integrtion zu gewährleisten. So besehen sei die Vertretung der Belegschaft sowie der Kleinaktionäre wiederzuerwägen.

swissinfo und Agenturen

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