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Absage an vereinfachte Volkszählung 2010

Volkszählung: Müssen 2010 wieder alle ran oder reichen Stichproben? swissinfo.ch

Kantone und Verbände sind dagegen, dass die Volkszählung 2010 nur noch aufgrund von Behördenregistern durchgeführt wird.

Sie befürchten, mit dieser Methode keine ausreichenden Grundlagen für ihre Planung zu erhalten.

Die Volkszählung, die alle zehn Jahre durchgeführt wird, ist in der Schweiz ein Politikum. 1990, als die Fichenaffäre herrschte und das Land als Schnüffelstaat tituliert wurde, konnte die Zählung nur mit grosser Repression durchgeführt werden: Wer den Volkszählerinnen und –zählern die Haustüre vor der Nase zuschlug, wurde massiv gebüsst.

2000 dann entschärften die Behörden das Prozedere und führten die Volkszählung per Fragebogen durch, die alle Haushalte ausfüllen mussten. Zudem konnten die Fragen auch im Internet beantwortet werden.

Gezählt werden alle Menschen, die zum Zeitpunkt der Volkszählung in der Schweiz wohnen, also auch die ausländische Wohnbevölkerung.

Dateien und Stichproben

Für die nächste Volkszählung im Jahr 2010 sollten die Bürgerinnen und Bürger schliesslich ganz aus dem Spiel genommen werden. Das Bundesamt für Statistik (BfS) plant, das Volk 2010 auf Grund von Registern von Gemeinden und Kantonen zu zählen, etwa bei den Einwohnerkontrollen.

Weitere Angaben, etwa zu Beruf, Arbeitswegen und Miete, sollen mit Stichproben beschafft werden. Argument für das neue System: Es kostet weniger und erspart das Ausfüllen des berühmten Fragebogens. Die Kantone können die Stichproben selbst zu Vollerhebungen erweitern.

Doch so einfach sind die Bewohnerinnen und Bewohner nicht aus dem Schneider. Verbände der Sparten Planung, Verkehr, Wohnen und Tourismus haben die von der Regierung vorgeschlagene Form in einer Befragung (Vernehmlassung) abgelehnt. In einer ersten Vernehmlassungs-Runde hatten sich zuvor schon die Kantone negativ über die Neuerung geäussert.

Vehementes Nein der Kantone

Kantonen und Verbänden geht es aber nicht um die zu zählenden Menschen, sondern um ein möglichst lückenloses Datenmaterial. Die Raum- und Verkehrsplanung seien auf lückenlose, vergleichbare Datenreihen angewiesen, schreibt die Schweizerische Vereinigung für Landesplanung. Änderungen sollten deshalb nicht leichtfertig gemacht werden. Auch wenn einige Kantone Stichproben erweiterten, trage dies starken regionalen Unterschieden nicht Rechnung.

Keine Daten zu Pendlerströmen

Ähnlich tönt es beim Städteverband, dem Zusammenschluss der grösseren Schweizer Städte. Eine Registerzählung mit eingeschränkter Vollerhebung entspreche den Bedürfnissen des Landes am besten und koste weniger als die Volkszählung im Jahr 2000, hält er fest. Auch der Verband öffentlicher Verkehr verlangt Vollerhebungen, wo Register nichts liefern können.

Daten zu Pendlern und Autofahrer-Gewohnheiten zum Beispiel gäbe es sonst nicht mehr. Dem Schweizer Tourismus-Verband würden mit dem neuen Konzept Daten zum Thema Zweitwohnungen und touristisch Relevantem in Gemeinden und Stadtquartieren fehlen.

Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) kritisiert, dass hochgerechnete Stichproben nur für grössere Kantone repräsentativ sind. Das sei aus Sicht der Bergregionen und damit auch vieler kleiner Kantone nicht akzeptabel.

Mietkosten ausgeklammert

Städteverband, SAB und die Deutschschweizer Sektion des Mieterinnen-und Mieterverbandes (MV) befürchten, dass viele Gemeinden ihre Register bis 2010 nicht harmonisieren und anpassen können.

Die Kosten fürs Wohnen seien von volkswirtschaftlicher Bedeutung, betont der MV. Gerade zum Thema Mietpreise enthielten Register aber keine Angaben. Die auf diesem Weg nicht erhältlichen Wohndaten müssten deshalb voll erhoben werden.

Die Konferenz der regionalen statistischen Ämter der Schweiz (KORSTAT) bemängelt, das vorgeschlagene Stichproben-System sei von den Kooperationsgremien zwischen BfS und regionalen Ämtern nie diskutiert worden. “Es ist noch ausgesprochen verschwommen”, schreibt KORSTAT, befremdet vom Vorgehen des Bundes.

swissinfo und Agenturen

Die eidgenössischen Volkszählungen werden seit 1850 im Abstand von 10 Jahren durchgeführt.

Diente die erste Volkszählung noch hauptsächlich der Erfassung von reinen Personen-Daten, haben sich die Erhebungen im Laufe der Jahre stark gewandelt.

Heute umfasst die Volkszählung Daten über Bevölkerung, Sprachen, Religionen, Erwerbsleben, Mobilität, Haushalt sowie Gebäude. Sie ist ein unentbehrliches Planungs- und Entscheidungs-Instrument für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geworden.

Das Schweizerische Bundesamt für Statistik (BfS) will die Volkszählung 2010 auf Grund von Registern von Gemeinden und Kantonen durchführen (v.a. Einwohnerkontrollen).
Weitere Angaben, etwa zu Beruf, Arbeitswegen und Miete, sollen mit Stichproben beschafft werden.

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