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Auch Grüne suchen neue Parteispitze

Zur Rücktrittsankündigung erhielt Ruth Genner Blumen von fast allen Seiten. Keystone

Ruth Genner, seit 2001 Präsidentin der Grünen Schweiz, hat am Dienstag ihren Rücktritt auf April 2008 bestätigt. Die Partei wird eine Findungskommission zur Neubesetzung des Präsidiums einsetzen.

Die Ankündigung erfolgt vier Tage nach Bekanntgabe der Rücktritte von zwei anderen Parteipräsidenten: Ueli Maurer gibt 2008 die SVP-Leitung ab, Hans-Jürg Fehr diejenige der SP.

Sie werde ihrer Nachfolgerin oder ihrem Nachfolger eine “blühende Partei” übergeben, sagte die Zürcher Nationalrätin Ruth Genner bei der offiziellen Rücktrittserklärung am Dienstag in Bern. Sie habe jetzt noch ein halbes Präsidialjahr vor sich und werde weiterhin freudvoll im Nationalrat politisieren.

Der Vorstand wird am 24. November das Wahlprozedere festlegen. Dabei dürfte eine Findungskommission mit der Suche einer fähigen Persönlichkeit betraut werden.

Genner blickte auf ihre Anfänge als Präsidentin im Jahr 2001 zurück. Damals habe man sich die Frage gestellt: “Braucht es die Grünen überhaupt noch?” Seither hätten sich die Grünen als politische Kraft etabliert. Ihre Fraktion im Nationalrat sei so gross wie nie zuvor, und auch in den Ständerat habe sie Einzug gehalten.

Nationalratspräsidium im Visier

Mit über 20 Nationalrätinnen und Nationalräten und einem Ständerat erhöben die Grünen Anspruch auf ein Vizepräsidium des Nationalrates, kündigte Genner an. Dagegen hätten die Grünen kein Interesse am Bundeskanzleramt. Es mache keinen Sinn, dem Bundesrat in einer Stabsfunktion zuzudienen.

Sie politisiere nunmehr seit 20 Jahren “mit Beharrlichkeit” für die Grünen, sagte Genner weiter. Deren Geschichte sei eng mit Bewegungen verknüpft: der Umweltbewegung, der Frauenbewegung und der Antikernkraftbewegung. Ihre Partei sei in kantonalen und kommunalen Exekutiven und in Parlamentspräsidien angelangt.

“Rabenschwarze” Momente

Sie habe auch “rabenschwarze” Momente erlebt, so die Niederlagen mit den Initiativen “Strom ohne Atom”, für eine ökologische Steuerreform und für ein flexibles Rentenalter. Insgesamt aber überwögen die positiven Erlebnisse. Zentral sei, immer die Frage nach der Nachhaltigkeit einer Politik zu stellen.

Die Delegiertenversammlung der Grünen wird am 1. Dezember die Gesamterneuerungswahl des Bundesrates vom 12. Dezember vorbereiten. Dann werde festgelegt, unter welchen Bedingungen und allenfalls gegen wen die Grünen mit einer Kandidatur anträten, sagte Genner.

Als mögliche Nachfolger Genners sind mehrere Namen im Spiel. Der Genfer Nationalrat und Vizepräsident Ueli Leuenberger hat sein Interesse bereits bekundet. Auch den Nationalrätinnen Maya Graf (Kanton Basel-Landschaft) und Franziska Teuscher (Bern) wird das Amt zugetraut.

SP: “Sehr gescheite Partnerin”

Die vier Bundesratsparteien bescheinigen der Abtretenden, die Partei erfolgreich geführt zu haben. “Wir bedauern den Rücktritt von Ruth Genner. Sie ist eine sehr gescheite und angenehme Partnerin”, hiess es seitens der SP. Genner werde eine grosse Lücke hinterlassen.

Für FDP-Generalsekretär Guido Schommer war Genner “im richtigen Moment” Präsidentin der Grünen, als wegen des Klimawandels grüne Anliegen Aufwind bekamen. Das habe es ihr ermöglicht, ihre Partei zu vergrössern – ohne dass die Grünen viel dazu beigetragen hätten.

CVP wünscht moderatere Führung

Auch CVP-Sprecherin Alexandra Perina-Werz würdigte die Erfolge Genners. Häufig habe sie allerdings linker als die SP politisiert. Für die CVP sei deshalb die inhaltliche Diskussion nicht immer einfach gewesen. Als Nachfolger wünscht sich die CVP einen Vertreter des pragmatischen, moderateren Flügels.

Für SVP-Präsident Ueli Maurer sind die Grünen unter Genner zwar stärker, aber auch linker geworden. Zudem seien die Grünen gespalten, was die anerkannten Erfolge Genners etwas relativierten.

swissinfo und Agenturen

Ruth Genner ist die Präsidentin der Grünen Partei der Schweiz mit der bisher längsten Amtszeit.

2001 wurde die Zürcherin als Ko-Präsidentin der Grünen gewählt, zusammen mit dem Genfer Patrice Mugny. Seit 2004 ist die Nationalrätin alleinige Parteipräsidentin.

Die meisten ihrer Vorgänger (Ruedi Baumann, Irène Gardiol und Laurent Rebeaud) standen zwischen zwei und drei Jahren an der Spitze der Umweltpartei.

Die Partei ermöglichte Ruth Genner eine längere Amtsdauer, um bei den Wahlen vom 21. Oktober ein bestmögliches Wahlresultat zu erreichen. Dort waren die Grünen mit der SVP die grossen Gewinner.

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