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Aus für die Fundgrueb

Der Würfel ist gefallen, die Fundgrueb ist am Ende.

Der bevorzugte Bazar für Deutschschweizer Schnäppchenjäger, die Fundgrueb, ist bald Geschichte. Auf Ende Juli stellt die Zeitschrift ihr Erscheinen ein, einen Monat später ihre Schwester Autobörse. Damit verlieren weitere Printprodukte den Kampf gegen die Online-Konkurrenz.

Suchen Sie ein Au-Pair-Mädchen, ein Chromstahlrohr für einen Kamineinsatz?

Sind Sie an einer Elektrosmog-Harmonisierung interessiert oder soll Ihnen eine Zigeunerin die Karten legen?

Möchten Sie einen männlichen Akt an die Wand hängen oder empfehlen Sie sich mit Ihrer spektakulären Bühnenshow als Komiker für Firmenfeste?

Suchen Sie eine griechische Landschildkröte für Ihr luxuriöses Aussengehege?

Wollen Sie sich von ihrem Cadillac-Cabriolet trennen, möchten Sie den Roman “Geboren mit sechs Zehen” loswerden oder Ihr mobiles Chalet aus Holz oder ein Kohlebügeleisen?

Bieten Sie besonders günstige Schönheitsoperationen an, einen Python-Ledergurt aus einer Schweizer Bio-Zucht oder ein gut erhaltenes Notstromaggregat?

Schwerer Stand für Printmarktplatz

All das und noch viel mehr finden Suchende seit rund 25 Jahren in der Fundgrueb, einem Marktplatz auf Papier. Sie kann als Vorgängerin von Internet-Tauschbörsen oder –Auktionshäusern bezeichnet werden.

Aber jetzt ist Schluss, “es rentiert nicht mehr”, erklärt Jean-Pascal Michel, Mitglied der Konzernleitung von Publigroupe. Der Printumsatz sei in den letzten 3 bis 5 Jahren immer kleiner geworden. Betroffen von dieser Schliessung sind ab September rund 10 Arbeitsplätze.

“Gerade bei der Autobörse gibt es eine grosse Online-Konkurrenz”, sagt Michel. Deshalb werden Fundgrueb und das Spezialmagazin Autobörse und auf jeden Fall bis Ende Jahr online weiter geführt.

“Wir beraten nun, was wir nächstes Jahr tun werden, was für ein Business-Modell passen würde, aber es ist noch nichts entschieden”, so Michel.

Schlechte Karten gegenüber Online-Anbietern

Online ist trendy, alle machen mit, jeder ist dabei. Ganz logisch also, dass die Fundgrueb-Besitzer Publigroupe und Swisscom auf dieser Schiene weitermachen wollen.

Der Erfolg ist jedoch nicht garantiert. Wichtige Klippen sind zu umschiffen. Denn den Platz, den die Print-Fundgrueb während ihres 25-jährigen Bestehens inne hatte, hat online die Auktionsplattform Ricardo übernommen.

“Wir sind nicht mehr nur eine Auktionsplattform sondern ein Online-Marktplatz”, sagt Ricardo-Mediensprecherin Barbara Zimmermann. “Bei uns werden immer mehr neue Waren angeboten oder auch Produkte zu fixen Preisen.”

Der Neueinstieg in den Online-Handel ist laut Zimmermann relativ schwierig, da dieses Geschäftsfeld auf Vertrauen aufbaue. “Gerade bei Privaten muss das Vertrauen in das Medium, mit und in dem sie handeln, schon sehr gross sein”, meint Zimmermann.

Ricardo gebe es seit 10 Jahren, man sei etabliert auf dem Schweizer Markt. “Wir haben verschiedene Vorsichtsmassnahmen integriert, die den Handel über die Webplattform sicher machen. Dies ist sicher ein Grund, weshalb es neue Konkurrenten wahrscheinlich schwer haben werden.”

Auch der Printbereich bietet Zukunftsaussichten

Im Gegensatz zur Fundgrueb befindet sich die Tierwelt, die auch Kleininserate anbietet, in einer Boomphase. “Dies zeigt sich in 125 bis 130 wöchentlichen Inserateseiten”, erklärt Tierwelt-Verlagsleiter Kurt Lipp.

“Aus Sicht der Tierwelt hatte die Fundgrueb eine hervorragende Marketingstrategie – bevor der digitale Technologiewechsel einsetzte”, so Lipp. Sie biete bezahlte und Gratisinserate, alles klar strukturiert, nummeriert, streng nach dem Alphabet geordnet.

“Die Tierwelt dagegen befriedigt die Lust des Suchens und des Findens”, erklärt Lipp den Unterschied. Nur in seiner Zeitschrift seien die Inserate echt interessant zu lesen.

Bei der Platzierung der Inserate herrsche eine andere Produkte-Philosophie: “Wenn jemand einen Occasionsdrucker sucht und nicht fündig wird, entscheidet er sich halt zum Beispiel für ein Paar Schneeketten.”

Aber die Inserate sind nicht das einzige Standbein der Tierwelt, die vor rund 80 Jahren als Mitteilungsorgan des Verbandes Kleintiere Schweiz aus der Taufe gehoben wurde. Kurt Lipp: “Dieses Verbandsprodukt hat sich gemausert, es kommt heute auch als Familienzeitschrift daher mit den Themen Familie, Tiere und Tierhaltung.”

Und diese Mischung erzeugt eine Sogwirkung, welche die Wirtschaftskrise völlig in den Hintergrund treten lässt, ist Lipp überzeugt. Für die Fundgrueb trifft das nicht mehr zu.

Etienne Strebel, swissinfo.ch

Fundgrueb
25’000 Leser, erscheint seit 25 Jahren
ab August/September 2009 nur noch online.

Ricardo
Grösster Schweizer Onlinemarktplatz, gegründet 1999
Rund 500’000 laufende Angebote
Gesamtwarenumsatz 600 Mio. Fr.
1,7 Mio. Mitglieder
100 Mitarbeitende
Gehört der südafrikanischen Mediengruppe Naspers.

Tierwelt
Beglaubigte Nutzauflage: 73’594
Gesamtleserschaft: 322’000, davon 49% weiblich, 51% männlich
Anzahl Leser pro Exemplar: 4,4
Lesedauer: 60 Minuten.

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