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Banken halten den Daumen auf Firmenkrediten

KMU erhalten zwar weniger Kredite, nutzen die Limite aber auch nicht aus. Keystone

Die Banken ziehen bei der Kreditvergabe die Zügel weiter an. Dies obschon die Schweizer Wirtschaft an Schwung gewinnt.

Seit November 2003 wurden die Kreditlimiten um rund 4 Mrd. Franken reduziert, wie die Statistik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zeigt.

Seit Jahren klagen die kleinen und mittleren Unternehmen in der Schweiz, dass ihnen die Banken keine oder zu wenig Kredite gewähren. Oft klagen die Unternehmen auch, man würde ihnen kurzfristig die Kredite kürzen.

Berechnungen gehen davon aus, dass diese Klagen zum Teil berechtigt sind. Dem “Rückgrat der Schweizer Wirtschaft,” wie die KMU oft bezeichnet werden, wurden in den letzten zwei Jahren die Kredite um rund 20 Mrd. Franken gekürzt.

Der Trend setzt sich fort: Seit Anfang Jahr stagnieren die Limiten. Seit dem Jahr 2000 haben die Schweizer Banken ihre Kreditlimiten um 48 Mrd. Franken auf knapp 301 Mrd. Franken im April 2004 heruntergefahren.

252 Mrd. Franken oder knapp 85% des Volumens stehen für kleine und mittlere Betriebe (KMU) zur Verfügung. Eine Ausweitung des Kreditrahmens zeichnet sich nicht ab.

Schmerzhafte Lehre gezogen

Das liegt daran, dass die Banken eine schmerzhafte Lehre aus den vielen faulen Krediten von Anfang der 90er-Jahre gezogen haben. Gemäss der Eidg. Bankenkommission (EBK) mussten Abschreibungen von über 42 Mrd. Franken vorgenommen werden. Seither sind die Banken risikobewusster.

Die Banken hätten in letzter Zeit ihre Prozesse standardisiert, sagte denn auch Urs Roth, Chef der Schweizerischen Bankiervereinigung kürzlich an einem Journalistenseminar. “Sie wenden Preise an, die je nach Risikokategorie unterschiedlich sind.”

Wer hat, dem wird gegeben

Doch aus der Sicht der Wirtschaftsvertreter treten damit die Banken nicht als Spielverderber auf. Dies obschon die Bedingungen für die Unternehmen beschwerlicher geworden sind.

Betriebe, die ihren finanziellen Verbindlichkeiten gut nachkommen können, müssten sich keine Sorgen machen, sagt Peter Neuhaus, Geschäftsleitungs-Mitglied des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) und Geschäftsführer der Stiftung KMU Schweiz.

Schwierigkeiten hätten aber Firmengründer, Jungunternehmer und Kleinstbetriebe, weil sie in Finanzierungsgesprächen mit den Banken oft ungenügend oder mangelhaft kommunizierten, so Neuhaus. Bei vielen Betrieben sei aber auch die Eigenmittelbasis sehr dünn.

Generell sei das wirtschaftliche Umfeld für kleine und mittlere Betriebe schwierig. Der beginnende Aufschwung könne durch die allzu zögerliche Lockerung der Kreditvergabe noch erschwert werden, sagt Neuhaus.

Nachfrage gar nicht so gross

Es gebe indes keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein Marktversagen vorliege, stellt Rudolf Walser vom Wirtschaftsdachverband economiesuisse fest. Gesamtwirtschaftlich sehe er keine Kreditengpässe, auch wenn in Einzelfällen Angebotslücken nicht auszuschliessen seien.

Die Nachfrage nach Unternehmenskrediten habe kaum angezogen, hält die Nationalbank in ihrem jüngsten Quartalsheft dazu fest. Die Gesamtlimite an Krediten in der Höhe von 301 Mrd. Franken wurde mit total bezogenen 211 Mrd. Franken längst nicht ausgeschöpft. Den KMU stehen 252 Mrd. Franken zur Verfügung. Sie beanspruchten aber nur 191 Mrd. Franken.

Auf Unternehmensseite werde nach wie vor Zurückhaltung geübt, sagt Thomas Sutter, Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung. Von einer Boomphase könne derzeit keine Rede sein. Solange die Nachfrage nicht anziehe, mache eine Ausweitung der Limiten für die Banken wenig Sinn.

KMU ein Mythos

Doch wie sieht es denn wirklich aus mit dem viel gerühmten “Rückgrat der schweizerischen Wirtschaft”?

Die Wirtschaftszeitung “Cash” spricht in einem Artikel vom Juni von einem “unerforschten Kontinent” und lässt Medard Meier von Avenir Suisse, dem Think Tank der Schweizer Wirtschaft, sagen, dass die KMU in der Schweiz zum hohlen Mythos geworden sei.

“Cash” kommt zum Schluss, dass hinter der stolzen Zahl von 300’000 KMU in der Schweiz riesige Unterschiede bestünden bezüglich der Wertschöpfung und der ihr zu Grunde liegenden Faktoren: Innovationsquote und Exportleistung.

In der Schweiz sind ganze 88% der KMU so genannte kleine oder “Mikrofirmen”. Das heisst, sie beschäftigen weniger als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Dazu kommt, dass diese Mikrofirmen fast ausschliesslich in der Schweiz tätig sind, also im Binnenmarkt operieren. Auch bei den mittelgrossen, dem M im KMU, sieht es nicht anders aus. Da sind viele Baufirmen oder Firmen im “ausführenden Gewerbe” zu Hause.

“Zieht man nun”, so “Cash”, “vom Gesamtbestand noch die Betriebe aus dem Gesundheitswesen ab, dann verbleiben in der Schweiz noch 36’000 übrig, die als Zugpferde der Schweizer Wirtschaft gelten können.”

Forschungsgebiet

Das Thema KMU gewinnt auch in Diplom- und Forschungsarbeiten laufend an Bedeutung. Eine dieser Studien kommt von der Universität St. Gallen.

Die Studie zum Kooperationsverhalten der KMU hat den abgeschlossenen Raum Oberwallis untersucht und festgestellt, dass 60% der Unternehmen in diesem Raum in irgendeiner Form mit Partnerfirmen zusammenarbeiten, dass aber das Thema Innovation dabei kaum eine Rolle spielt.

Das würde die von “Cash” ermittelte Tatsache, dass nur ein Bruchteil der KMU Zugpferde der Schweizer Wirtschaft sind, stützen.

swissinfo und Agenturen

Die Schweizer Wirtschaft lebt von den kleineren und mittleren Betrieben (KMU).

KMU beschäftigen zwischen 1 und 250 Mitarbeitende.

In der Schweiz sind 99,7% der Unternehmen in dieser Kategorie anzusiedeln.

Sie beschäftigen zwei Drittel der Arbeitnehmenden in der Schweiz.

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