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Bankiervereinigung hält am Bankgeheimnis fest

Das Bankgeheimnis soll laut Urs Roth die Kundschaft, nicht die Banken schützen. Keystone

Die Kritiker des Bankgeheimnisses werden auch in der Schweiz immer lauter und zahlreicher. Urs Ph. Roth, Geschäftsleiter der Bankiervereinigung, gehört nicht zu ihnen. Im Interview erklärt er, weshalb er am Schutz der Bankkundendaten festhält.

swissinfo.ch: Das Thema Bankgeheimnis wird in der Schweiz breit diskutiert. Manch einer fragt sich, was verliere ich als normaler Bürger, normaler Steuerzahler, wenn das Bankgeheimnis fallen sollte?

Urs Ph. Roth: Das Bankgeheimnis wird nicht fallen. Der Schutz der Privatsphäre bleibt gewahrt. In der Schweiz verändert sich nichts.

Bei Strafuntersuchungen, bei kriminellen Taten wird es aufgehoben. So auch bei Steuerbetrug, also hauptsächlich bei der Fälschung von Dokumenten zwecks der Vermeidung von Steuern. In der Schweiz wird das Bankgeheimnis bei Steuerhinterziehung nicht aufgehoben.

swissinfo.ch: Wie profitiere ich als Normalbürger vom Bankgeheimnis?

U. Ph. R.: Es gibt mir als ehrlichem Bürger den Schutz meiner Privatsphäre auf dem finanziellen Gebiet. Eine Behörde muss eine Untersuchung in einer strafrechtlichen oder steuerstrafrechtlichen Angelegenheit führen, damit das Bankgeheimnis aufgehoben werden kann.

swissinfo.ch: In letzter Zeit hat sogar Finanzminister Hans-Rudolf Merz an ein reduziertes Bankgeheimnis zu denken gewagt.

U. Ph. R.: Die Schweiz hat gegenüber ausländischen Steuerpflichtigen eine Eingrenzung des Schutzes des Bankgeheimnis gemacht, indem in Amtshilfegesuchen künftig auch das Bankgeheimnis für Steuerhinterziehungsdelikte aufgehoben werden kann.

In der Schweiz selber ist letztlich im politischen Betrieb zu diskutieren, ob auch im Inland etwas geändert werden soll. Unseres Erachtens besteht dazu kein Anlass. Denn im Rahmen unseres Rechtssystems ist es sinnwidrig, die Steuerhinterziehung hier auch noch zu kriminalisieren. Dafür gibt es andere Massnahmen.

Sollte die Schweizer Bevölkerung eines Tages zum Schluss kommen, dass Steuerhinterziehung auch in der Schweiz das Bankgeheimnis aufheben lassen soll, dann ist das ein politischer Entscheid unseres Volkes. Und das ist dann zu akzeptieren.

swissinfo.ch: Ist das Bankgeheimnis denn für die Schweizer Grossbanken noch von Bedeutung, oder ist es gar ein Geschäftshindernis?

U. Ph. R.: Der Schutz der Privatsphäre, und darum geht es ja, ist letztlich nicht ein Schutz der Banken, sondern ein Schutz der Kundschaft. Und es ist die Kundschaft, die an diesem Schutz der Privatsphäre interessiert ist.

Das sehen wir beim Kontakt mit den Kunden. Es geht nicht darum, einfach Steuern nicht zu bezahlen, sondern darum, dass unsere Kundschaft und die Bürger nicht wollen, dass sie gegenüber dem Staat gläsern werden.

swissinfo.ch: Überlegen sich ausländische Anleger, ob sie überhaupt noch Geld bei einer Schweizer Bank anlegen wollen?

U. Ph. R.: Glücklicherweise sehen wir keinen Abfluss von Kundengeldern, die aus dem Ausland gekommen sind. Meines Erachtens ist es der Kundschaft klar, dass bei uns das steuerliche Bankgeheimnis weiter eingegrenzt worden ist.

Aber wir haben andere Konkurrenzvorteile, wie die Stabilität der Schweiz, die tiefe Inflation, die soziale Sicherheit und die Qualität unserer Dienstleistungen. Das sind grosse Vorteile, die es attraktiv erscheinen lassen, sein Vermögen von uns verwalten zu lassen.

swissinfo.ch: Die Bankiervereinigung ist also für die Beibehaltung des Bankgeheimnisses?

U. Ph. R.: Klar. Der Privatsphärenschutz ist wichtig, er ist ein Grundprinzip der schweizerischen Rechtsordnung. Das gilt nicht nur für die finanzielle Privatsphäre, sondern auch für die medizinische und überhaupt generell die persönliche Freiheit. Deshalb ist es ganz klar beizubehalten.

swissinfo.ch: Damit das Bankgeheimnis auch gegenüber dem Ausland aufrecht erhalten werden kann, spricht man von einer so genannten Abgeltungssteuer.

U. Ph. R.: Das ist ein sehr attraktiver Vorschlag. Er ist auch vom Bundesrat in seinem Strategiepapier an das Parlament übernommen worden.

Wir bieten einerseits die Kooperation im Sinne der Amtshilfe bei konkreten Anfragen und andererseits, anstelle eines automatischen Informationsaustausches und der Abschaffung des Privatsphärenschutzes, die Zahlung der Steuern. Und zwar genau so, wie sie im betreffenden Land des Kunden eben auch geschuldet sind.

In diesem Sinn ist eine Abgeltungssteuer für das Ausland attraktiv. Sie ist aber auch etwas Bekanntes. Deutschland kennt ebenfalls eine Abgeltungssteuer für sämtliche Kapitalerträge. Das könnten wir ohne weiteres spiegeln.

Und dann hat Herr Schäuble genau das gleiche Geld in der Kasse, wie wenn ein deutscher Steuerpflichtiger sich in Deutschland von einer deutschen Bank verwalten liesse.

swissinfo.ch: Und trotzdem kommen aus dem Ausland vornehmlich negative Signale.

U. Ph. R.: Das sollte man nicht überbewerten. Wir haben es auch nicht anders erwartet. So lange ein Vertrag nicht abgeschlossen ist, versucht jede Seite, ihre Verhandlungsposition möglichst stark zu halten. Das macht man auch, indem man sagt, etwas komme für einen nicht in Frage. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird man dann sehen.

swissinfo.ch: So, wie in der Schweiz, als das Bankgeheimnis vor einem Jahr noch nicht verhandelbar war?

U. Ph. R.: (lacht) Das möchte ich jetzt nicht so vergleichen. Was man sicher sagen kann, ist, dass ein Finanzminister dann auch gegenüber seiner Bevölkerung erklären muss, weshalb er auf die Steuern verzichtet und statt dessen irgendwelche Dogmen aufrecht erhält.

swissinfo.ch: Ist es für Sie sinnvoll, dass man mit jedem Land ein eigenes, Doppelbesteuerungs-Abkommen aushandelt?

U. Ph. R.: Die Doppelbesteuerungs-Abkommen umfassen natürlich sehr viel mehr als den Informationsaustausch in Steuerfragen. Dass hier günstige Regeln ausgearbeitet werden können, ist sehr wichtig für die gesamte Volkswirtschaft, besonders für die Exportindustrie, die multinationalen Konzerne, die Holdings, die in der Schweiz sind.

swissinfo.ch: Weshalb haben es Bankkunden aus den USA schwerer, dass ihre Privatsphäre bewahrt bleibt, als Kunden aus Europa? Ist das nicht ungerecht?

U. Ph. R.: Eigentlich schon. Wir müssen darauf achten, dass die Kooperation in Steuerdingen wirklich mit gleichen Ellen gemessen wird. Bei den revidierten Doppelbesteuerungs-Abkommen haben wir tatsächlich einen grossen Schritt vorwärts gemacht. Sie sind alle nach den OECD-Standards ausgehandelt worden. Damit erwirken sie eine Rechtsgleichheit, ungeachtet woher der Kunde effektiv kommt.

swissinfo.ch: Und doch hat man das Gefühl, dass sich die US-Steuerbehörde ein wenig weiter vorwagen darf als die europäischen zum Beispiel.

U. Ph. R.: Ob sie sich vorwagen dürfen oder nicht, ist eine andere Frage, eine Machtfrage. Wenn ein Landesrecht viel weitergehende Zwangsmassnahmen gegen die eigenen Bürger oder Niederlassungen oder Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen vorsieht, befinden wir uns halt in einem realpolitischen Machtspektrum, in dem die Schweiz aber auch andere Länder versuchen müssen, sich zu behaupten und ihre Interessen bestmöglich wahrzunehmen.

swissinfo.ch, Etienne Strebel

Urs Philipp Roth (geboren 1947) ist seit 2001 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Zuvor war er bei der UBS in Zürich, zuletzt als erster Rechtskonsulent im Rang eines Direktors.

Rechtsstudium mit Doktorat in Zürich und anschliessendem Anwaltspatent

Roth ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

1935 trat das Bankengesetz mit dem Bankgeheimnis in Kraft – oppositionslos.

Das Bankgeheimnis war im Bankengesetz nur “Nebenprodukt”, zentral war die stärkere Kontrolle der Banken.

Diese wurde auf öffentlichen Druck nötig, nachdem der Bund 1933 in der Weltwirtschaftskrise die damalige Schweizerische Volksbank mit 100 Mio. Franken retten musste.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlangten die USA die Herausgabe deutscher Vermögen an die Siegermächte.

Im Washingtoner Abkommen 1946 konnte die Schweiz diesen Angriff abwehren.

Ab den 1960er-Jahren wird das Bankgeheimnis zur Stütze des Finanzplatzes Schweiz, indem Diktatoren und Potentaten ihre zweifelhaft erworbenen Vermögen auf Schweizer Konti platzierten (z.B. Mobutu, Duvalier, Marcos, Abacha).

Die OECD kritisiert, dass die Schweiz Steuerflüchtlinge zu stark schütze.

Die Schweiz weist den Vorwurf mit dem – heute widerlegten – Argument zurück, dass das Bankgeheimnis geschaffen wurde, um jüdische Vermögen vor den Nazis zu schützen.

Nichtregierungs-Organisationen und die Linke verlangten wiederholt die Abschaffung des Bankgeheimnisses, ohne Erfolg.

In der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 wiederholt sich die Geschichte: Der Bundesrat musste die Grossbank UBS vor dem Untergang retten – mit über 60 Mrd. Franken.

Die OECD setzt die Schweiz auf eine ‘graue Liste’ von Steueroasen. Die Schweiz muss die OECD-Richtlinien übernehmen und mit den Partnerländern neue Doppelbesteuerungs-Abkommen ausarbeiten.

Die USA lancieren im Zug der Steueraffäre UBS vs. USA einen erfolgreichen Angriff auf das Bankgeheimnis: Die Schweizer Behörden müssen Washington die Dossiers von knapp 4500 US-Bürgern aushändigen, die den US-Fiskus mit Hilfe der UBS hinters Licht geführt hatten.

Italien erhöht mit einer Amnestie den Druck auf die Schweiz, um an versteckte Gelder heranzukommen.

Die Regierungen Frankreichs und Deutschlands setzen auch auf die Verwendung gestohlener Daten; Berlin will für illegale Informationen 2,5 Mio. Euro bezahlen.

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