Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Beim Euro zerronnen, beim Dollar gewonnen

Über den Wolken schwebt der Dollar schon lange nicht mehr, aber absturzgefährdet ist er nicht. imagepoint

Die Dollarschwäche, lange Zeit gegenüber der Eurostärke kaum ein Thema, ist in den vergangenen Tagen auch in der Schweiz ins Blickfeld gerückt.

Letzte Woche erreichte der Dollar sein historisches Tief gegenüber dem Franken. Dies bringt der Schweizer Währung etwas von dem zurück, was ihr wegen der Schwäche gegenüber dem Euro verloren ging.

Lange ist es her, als der Dollar noch für fast 4 Franken gehandelt wurde: Das war 1972. Wenig später fiel der “Greenback” dann sehr abrupt bis auf 1,50 Franken. Dieser Sturz hob damals die gesamte Währungsordnung aus den Fugen.

Deshalb sind seit 1973 die Wechselkurse flexibel. Dies führte seither besonders bei der Leit- und Weltwährung Dollar zu starken Schwankungen an den Devisenmärkten.

Seit Mitte 2006 sinkt der Dollarkurs erneut. Ökonomen begründen dies mit der US-Hypothekar- respektive Bankenkrise. Sie befürchten auch, dass sich das amerikanische Wirtschaftswachstum mittelfristig abschwächen wird.

Parität bald in Griffnähe?

Uneinig über die künftige Rolle des Frankens als internationale Finanzwährung sind sich die Marktkenner.

Der Berner Finanzmarktanalyst Lorenz Burkhalter von Swiss Market Pulse AG zählt den Schweizer Franken wegen der US-Kreditkrise zu den Gewinnern. “Der Franken profitiert von seinem Status als sicherer Hafen”. Dabei sei der Dollar auf ein historisches Tief gefallen.

Die Parität, 1 Franken gleich 1 Dollar, sei damit in Griffnähe gerückt. Burkhalter schätzt allerdings, dass der “Greenback mittlerweile leicht unterbewertet” sei.

Mittelfristig etwas anders sieht das Alessandro Bee von der Bank Sarasin. “Der Franken verliert seinen Status als sicherer Hafen grundsätzlich, weil der Euro zu einer sehr sicheren Währung geworden ist.” Aber in Krisenzeiten könne sich das schnell wieder ändern.

Bee sieht den Dollar “sich in der Zwischenzeit bald schon wieder etwas erholen”, wie er gegenüber swissinfo ausführt. Gegenüber dem Euro vor allem: “Wir erwarten Mitte 2008 ein vorübergehendes Nachgeben des Euro, parallel zur Abschwächung im Euroraum.”

Weniger Teuerung im Dollarraum

Sarasin erwartet im Euro- und Frankenraum 2008 eine etwas höhere Teuerung als im Dollarraum. “Das Wirtschaftswachstum wird abnehmen in den USA – das entlastet die Teuerung”, sagt Bee. “In Europa hingegen dürfte die Inflation steigen, nach zwei sehr starken Wachstumsjahren”.

Grundlegende Tendenzänderungen im Frankenverlauf sieht Bee keine: “Es handelt sich beim Wechselkurs eher um eine Eurostärke als um eine Frankenschwäche.”

Rohwaren werden meist in Dollar gehandelt

Der schwache Franken verteuert für die Konsumenten in der Schweiz die Importe aus der EU. Der schwache Dollar verbilligt Einfuhren aus Übersee. Letzteres gilt vor allem für Erdöl: Die internationalen Preisaufschläge bei Heizöl, Diesel und Benzin sind durch die Dollarschwäche für die Schweiz abgefedert worden.

Vor allem Rohwaren und Rohprodukte, die auf den Weltmärkten in Dollar gehandelt werden, unterliegen diesem Dollar-Effekt. Ob dieser verbilligende (Import-)Effekt aber effektiv an die Verbraucher weitergegeben wird, ist eine Frage der Marktmacht im Inland respektive des Wettbewerbs.

Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten profitieren prinzipiell von der Dollarschwäche. Die Eurostärke hingegen belastet das Schweizer Portemonnaie.

Tourismus: Entgegengesetzte Effekte

Wie stark die Schweiz zwischen Euro und Dollar schwankt, zeigt sich deutlich im Tourismus: Prinzipiell verbilligt ein schwacher Dollar die Übersee-Feriendestinationen für Schweizer Reisende. Christmas Shopping in New York zum Beispiel erweist sich derzeit als Renner.

Andererseits schwächt die Dollarschwäche den Gästestrom aus diesen Regionen in Richtung Schweiz ab.

“Das stimmt nur im Prinzip”, sagt Roland Aeppli von der KOF-Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. “Denn gerade aus den Schwellenländern besuchen uns immer mehr kaufkräftig gewordene Touristen. Diese hält auch die Dollarschwäche nicht vom Reisen ab.”

Für Schweizer wiederum mögen die USA als Reiseland nun günstiger erscheinen. Aber wenn die Amerikaner wegen der Dollarschwäche zu Hause bleiben und mehr im eigenen Land reisen, dürften die Hotelzimmerpreise in den USA steigen. Das verteuert das Reiseland USA.

Die Hotelbetten in der Schweiz, die die Dollargäste nun leerlassen, werden durch andere Gäste aus dem Euroraum gefüllt. Für sie sind Skiferien in der Schweiz billiger geworden, und das seit Jahren.

Laut Aeppli haben seit 2003 die Logiernächte (Übernachtungen in Hotels) von Gästen aus der EU mindestens um rund 20% zugenommen. In dieser Zeit hat der Franken gegenüber dem Euro ebenfalls um rund 20% nachgegeben.

swissinfo, Alexander Künzle

Zur Zeit bewegt sich der Dollar bei einem Kurs von rund 1,10 Fr.

Letzte Woche war er auf ein historisches Tief von 1,096 Fr. gefallen.

Finanzbezogene Gründe der Dollarbaisse: Die Zinserwartungen für den Dollar zeigen nach unten. Man nimmt an, dass die US-Notenbank (Fed) in diesen unsicheren Zeiten die Zinsen nicht erhöhen wird.

Das drückt die Rendite von Investitionen (Kapitalanlagen) in Dollar und schwächt die Währung.

Realwirtschaftliche Gründe: Das US-Leistungsbilanzdefizit bleibt enorm hoch. Das heisst, die USA müssen sich ihre hohe Verschuldung von vielen Ausländern finanzieren lassen.

Das senkt das Vertrauen in diese Währung.

Bezüglich Wechselkursen stimmen die Interessen von Wirtschaft, Banken und Konsumenten in der Schweiz meistens nicht überein:

Wunsch-Version für Wirtschaft (Werkplatz):
– Schwacher Franken gegenüber Euro: verbilligt Exporte als Impulsgeber der Volkswirtschaft, kurbelt Konjunktur und Beschäftigung an
– Starker Franken gegenüber Dollar: Verbilligt (Energie-)Import

Wunsch-Version für Konsumenten:
– Starker Franken gegenüber Euro: Stärkt Kaufkraft im Ausland, verbilligt Importe
– Starker Franken gegenüber Dollar: Vergünstigt Energiepreise, hemmt importierte Inflation
– Problem: Exporte und damit Beschäftigung geraten ins Stocken

Wunsch-Version für Banken (Finanzplatz):
– Starker Franken: symbolisiert Stärke einer inflationsfreien Fluchtwährung und des Save Haven Switzerland; motiviert (auch Ausländer) zum Kauf von Franken-Wertpapieren

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft