Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Blackout in Italien wegen ungenügender Kontrolle

Die Schweiz ist nicht allein verantwortlich für den Blackout, der Italien ins Dunkle tauchte. Keystone

Für das Bundesamt für Energie liegt die Ursache für den Stromausfall in Italien am 28. September in der mangelhaften Gesetzgebung für Strom-Lieferungen in Europa.

Die Schweiz anerkennt aber, dass auch im Inland Fehler passierten.

Die Auslöser des Blackouts vom vergangenen 28. September in Italien lagen in der Schweiz, die Ursache des Blackouts hingegen im Strommarkt selber. Zu diesem Schluss kommt die Untersuchungs-Kommission des Bundesamtes für Energie (BFE), das am Dienstag seinen Bericht veröffentlichte.

Die grundlegenden Ursachen des Blackouts, fast ganz Italien hatte stundenlang keinen Strom, seien der ungelöste Konflikt zwischen den kommerziellen Interessen der beteiligten Gesellschaften einerseits sowie den technischen und rechtlichen Voraussetzungen des sicheren Netzbetriebs anderseits.

Dem italienischen Netzbetreiber GRTN wirft das BFE zudem vor, in der ersten Phase an jenem Sonntagmorgen nicht genügend rasch gehandelt zu haben. Diesen Vorwurf hatten zuvor schon die Schweizer Stromproduzenten erhoben.

Kritik an der Kritik aus Brüssel

Die BFE-Kommission beleuchtet in ihrem Bericht die internationalen Aspekte stärker als die Experten der “Union für die Koordinierung des Transports elektrischer Energie” (UCTE), die ihren Bericht bereits vor einem Monat veröffentlichten. Darin hatten sie scharfe Kritik an der Schweiz geübt.

Die im UCTE-Zwischenbericht genannten Hauptgründe seien aber, so das BFE, nur die vordergründigen Auslöser der Panne gewesen.

Der BFE-Bericht nennt in diesem Zusammenhang den Ausfall der Hochspannungs-Leitung am Lukmanier-Pass, die nicht gelungene Wiedereinschaltung dieser Leitung, ein unglücklich verlaufenes Telefongespräch zwischen der Schweizer Netzkoordinatorin Etrans und der italienischen GRTN, mögliche Instabilitäten im italienischen Netz sowie einen vielleicht nicht genügenden Abstand zwischen den Höchstspannungs-Leitungen und Bäumen in der Schweiz.

Bäume standen schon auf der schwarzen Liste

Den letzten Punkt liess das BFE durch das Eidgenössische Starkstrom-Inspektorat (ESTI) in einem separaten Bericht und einem externen Gutachten abklären.

Dabei wurde festgestellt, dass die Kontrollen durch die Betreiber der Leitungen vorschriftsgemäss durchgeführt wurden. Die Holzkontrolle der Atel vom vergangenen Sommer ergab allerdings, dass im fraglichen Abschnitt im Kanton Schwyz Ausholzungen von Fichten und Eschen nötig sind.

Atel wollte diese Arbeiten in der Zeit zwischen November 2003 und Februar 2004 vornehmen.

Schweiz nicht EU-kompatibel

Das grundsätzliche Problem für den Blackout liegt jedoch laut BFE tiefer: Bei den Regeln für den europaweiten Stromhandel.

So war in der Nacht des Zwischenfalls der Stromfluss durch die Schweiz 550 Megawatt (MW) über dem mit Italien und Frankreich vereinbarten Wert gelegen. Gleichzeitig hatten die Leitungen zwischen den beiden EU-Ländern 438 MW unter dem vereinbarten Wert transportiert.

Die Schweizer Behörden bleiben laut BFE bei der Zuweisung der Stromexport-Mengen weitgehend ausgeschlossen und werden deshalb benachteiligt. Dies wird auch damit begründet, dass die Schweiz die Richtlinien zum EU-Strombinnenmarkt nicht umsetzt. Das BFE schlägt daher Massnahmen vor, um die Schweiz an Europa anzugleichen.

Regulator per Dringlichkeitsrecht gefordert

Demnach sollten die Eigentümer der Übertragungs-Leitungen in der Schweiz möglichst bald eine Netzgesellschaft als unabhängige Betreiberin des Netzes schaffen und sich so dem europäischen Binnenmarkt angleichen. Die Schweiz sollte im neuen Gremium der europäischen Stromregulatoren aktiv an der Umsetzung der EG-Verordnung mitarbeiten.

Bei der Zuweisung der Übertragungs-Netzkapazitäten nach Italien für 2004 und die folgenden Jahre wünschen die Schweizer Behörden ein Mitentscheidungs-Recht zusammen mit Italien und Frankreich. Dazu braucht es einen Regulator, wie dies die EU-Länder haben.

Das Energie-Departement und das BFE sollen den Erlass eines dringlichen Gesetzes prüfen, um diese Institution zu schaffen. Die Änderung des Strommarkt-Gesetzes hätte diese Stelle geschaffen. Die Liberalisierung wurde aber vom Schweizer Stimmvolk verworfen.

swissinfo und Agenturen

So kam es zum Blackout am 28. September:

Um 03:01 Uhr fiel die “Lukmanierleitung” bei Brunnen aus. Das führte zu einer Überlastung der zweiten grossen Transitleitung in Richtung Italien, der “San-Bernardino-Leitung”.

Um 03:11 bat die Schweizer Netzbetreiberin ETRANS die italienische GRTN, die Stromimporte um 300 MW herunterzufahren, weil Italien zu dieser Zeit bis zu 300 Megawatt mehr einführte als geplant.

Bis 03:21 drosselte GRTN die Importe um die verlangte Menge.

Um 03:25 fiel auch die “San-Bernardino-Leitung” aus. Innert 12 Sekunden fielen danach die restlichen Stromleitungen von europäischen Ländern nach Italien aus.

In der Folge schalteten sich verschiedene Kraftwerke in Norditalien ab und es kam zum “Blackout”.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft