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Botschafter einer offenen, modernen Schweiz

Denken ausserhalb der gängigen Schemen: Jean-François Roth. Keystone

Mehr Übernachtungen, aber auch stärkere globale Konkurrenz und der drohende Klimawandel: Die Branche dürfe sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sagt Jean-François Roth, der neue Präsident von Schweiz Tourismus.

Der ehemalige Bundesparlamentarier und Regierungsrat des Kantons Jura setzt auf Qualität, Austausch und ein innovatives Bild der Schweiz.

“Der internationale Tourismus kann auch ohne die Schweiz leben”, stellt Jean-François Roth im Gespräch mit swissinfo fest.

“Wir stehen in Konkurrenz mit 190 anderen Destinationen. Heute können die Leute in Dubai Skifahren oder in Schweden Badeferien verbringen.” Deshalb müsse die Schweiz besser oder billiger sein. “Im Tiefpreis-Segment haben wir keine Chancen, also müssen wir besser sein.”

Zurzeit geht es der Tourismusbranche gut. Die Übernachtungszahlen nehmen zu. Viele Hotels im oberen Preissegment haben in den vergangenen Jahren investiert und das Angebot ausgebaut. Wellness boomt. Die Skiorte haben mit Schneekanonen die Schneesicherheit verbessert.

Investitionsbedarf ortet Roth jedoch bei der Infrastruktur der Mittelklassehotels. “Wir müssen die Verantwortlichen für das Problem sensibilisieren, damit sie in den kommenden Jahren investieren.”

Eine Stärke der Schweiz ist der Wintertourismus. Roth lebt im Jura. Hier haben die milden Winter der vergangenen Jahre der Branche zugesetzt. “Wenn effektiv eine Periode der Erderwärmung auf uns zukommt, dann wird der Wintertourismus zum Problemfall.”

Um mögliche Verluste in den mittleren Höhenzonen zu kompensieren, müssten neue Formen des Sommertourismus entwickelt werden, hält Roth fest. Ein pfannenfertiges Rezept habe er nicht, aber “wir müssen das Nachdenken darüber stimulieren und Konzepte entwickeln”.

Öffnung als Programm

Die Landesregierung hat Jean-François Roth zum Nachfolger des bisherigen Schweiz Tourismus-Präsidenten Dick Marty gewählt. Der Tessiner Ständerat ist zurückgetreten, weil die beiden Ämter gemäss dem revidierten Parlamentsgesetz unvereinbar geworden sind.

“Ich denke, ich bin auch deshalb gefragt worden, weil ich nicht aus einem Tourismus-Kanton komme. So gesehen bin ich neutral, ein Schiedsrichter zwischen den grossen Tourismus-Kantonen.” Zudem sei seine Wahl ein Signal an den Jurabogen, den Tourismus als wichtigen Teil der Wirtschaft zu betrachten.

Jean-François Roth war von 1994 bis 2006 Volkswirtschaftsminister des Kantons Jura. Der Jurist galt als “starker Mann” der Regierung und trieb die Öffnung der französischsprachigen Randregion über Sprach-, Religions- und Kantonsgrenzen und gegen die traditionelle Aversion weiter Kreise gegen die Deutschschweiz voran.

Das hat dem christdemokratischen Politiker Erfolge in der Standortpromotion, im Schulwesen, bei der landwirtschaftlichen Bildung und im öffentlichen Verkehr gebracht.

Kandidatur für den Bundesrat

Autonomisten alter Schule warfen ihm vor, er habe die jurassische Identität verraten. “Ich bin überzeugt, dass sich kleine Regionen öffnen müssen. Ich glaube an den Austausch. Man kann nicht alleine eine Politik entwickeln”, sagt er heute.

Jean-François Roth ist auch in der Bundespolitik bestens vernetzt. Von 1987 bis 1994 hat er seinen Kanton in der kleinen Parlamentskammer, im Ständerat vertreten. Bei der breiten Bevölkerung wurde er 1999 bekannt. Damals kandidierte er für die Landesregierung und erzielte einen Achtungserfolg. Roth war der Favorit der Linken und der Grünen.

Nicht in Schemen denken

“Nein, ich bin ein überzeugter Christdemokrat!”, sagt Roth auf die Frage, ob er nie daran gedacht habe, die Partei zu wechseln. “Mann kann auch in der Christlichdemokratischen Partei (CVP) offen sein. Aber es stimmt, ich bin in meinem Denken und Fühlen unabhängig und nicht an Denkschemen gebunden.”

Frei reden und denken, dass will er auch als Botschafter des Schweizer Tourismus im Ausland. Er sei ein Repräsentant der offenen Schweiz. Auch deshalb habe ihn der Bundesrat ernannt.

“Die Schweiz ist ein innovatives Land. Sie hat ja immer gute Kontakte mit den Nachbarn unterhalten und auf der ganzen Welt Handel betrieben. Dieses Image der Schweiz will ich im Ausland verbreiten.”

swissinfo, Andreas Keiser

1952: in Courtételle (Jura) geboren

1979-1987: Grossrat der CVP im jurassischen Kantonsparlament

1987-1994: Ständerat

1994-2006: Regierungsrat im Kanton Jura

Seit 1. Juli 2007: Präsident der SRG SSR idée Suisse Romande (RTSR)

Ab 1. Dezember 2007: Präsident von Schweiz Tourismus

Aufgabe der Marketing-Agentur ist es, die Nachfrage für die Schweiz als Tourismusland zu fördern.

Ihr Auftrag ist im Bundesgesetz über die Schweizerische Verkehrszentrale geregelt.

Dafür hat sie ein jährliches Budget von 74 Mio. Franken.

Die Beiträge stammen zu 60% von der Eidgenossenschaft und zu 40% aus Mitgliederbeiträgen sowie aus Mitteln aus Fonds, die mit privaten Partnerschaften generiert werden.

64% der Mittel gehen direkt ins Marketing.

2006 generierte der Tourismus in der Schweiz Einnahmen von 28 Mrd. Franken.

Das sind 6,2% des Bruttoinlandprodukts.

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