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Aufstand der Kantone?

Wohneigentümer würden vom Steuerpaket erheblich profitieren. Keystone Archive

Das vom Schweizer Parlament am Freitag gebilligte Steuerpaket soll vor allem Familien und Wohn-Eigentümer entlasten.

Weil die umstrittene Vorlage jedoch Milliarden kostet, wollen die Kantone sie per Referendum zu Fall bringen.

Kommt das angekündigte Referendum der Kantone zu Stande, wäre dies eine historische Premiere. Seit 1874 gibt die Schweizerische Bundesverfassung neben den Stimmberechtigten auch den Kantonen die Möglichkeit, ein Referendum zu ergreifen – davon Gebrauch gemacht haben diese bisher noch nie.

Das ganze Paket bachab schicken

Die Vorlage stösst bei den Kantonsregierungen von A bis Z auf Widerstand. Sie würde höchst gravierende finanzielle Folgen haben und seien nicht zu verantworten. Auch die links-grüne Seite ist vehement dagegen.

Die Vorlage bringt Neuerungen in der Familien- und Wohneigentums-Besteuerung und Erleichterungen bei der Stempelabgabe. Um den Mittelstand zu entlasten, sieht das Paket ein Teil-Splitting für Ehepaare und höhere Abzüge vor. Dazu kommt ein grosszügig abgefederter Systemwechsel bei der Wohneigentums-Steuer.

Referendumsfrist bis im Oktober



Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) legt den Kantonen nun eine Botschaft vor. Die Bündner Finanzdirektorin Eveline Widmer-Schlumpf sagte am Wochenende an einer Medienkonferenz in Bern, die KdK erwarte die Rückmeldungen der Kantone bis Mitte September. Die Frist für die Einreichung des Referendums läuft bis Oktober.

Laut Widmer-Schlumpf hätten Kantone und Gemeinden durch das Steuerpaket mit Ausfällen bei den eigenen Steuern von rund 2,5 Milliarden Franken zu rechnen, was unzumutbar sei.

Unklare Haltung des Bundesrats



Die Landesregierung hat zu einem allfälligen Steuerpaket-Referendum noch keine Stellung bezogen. Zwar sei im Grossen und Ganzen nichts gegen die Vorlage einzuwenden, sagte Finanzminister Kaspar Villiger, aber der Wohneigentums-Teil “sprenge das Mass des Tragbaren”.

Es liege indes nicht an der Exekutive, dagegen auf die Barrikaden zu steigen. Die Kantone hätten jedoch das demokratische Recht, dagegen zu opponieren, stellte Villiger in einem Interview mit dem Zürcher Tages-Anzeiger fest. Ärgerlich sei nur, dass nun auch die Erleichterungen für Familien auf dem Spiel stünden.

Hauseigentümer frohlocken



Der Hauseigentümer-Verband Schweiz (HEV) freut sich über das Steuergeschenk. Er hat deshalb die ursprünglich vorgesehene Lancierung einer eigenen Volksinitiative sistiert.

HEV-Präsident Toni Dettling sagte, der Wohneigentums-Teil im Paket sei zwar grosszügig, doch im Hinblick auf den “in den letzten Jahren steuerlich stark geforderten Mittelstand sachgerecht und tragbar”.

Hinderliches Verfahren



Nötig für das Zustandekommen eines Referendums ist der Beschluss von mindestens 8 Kantonen. St. Gallen und Solothurn haben ihre Beteiligung bereits beschlossen. Nächste Woche entscheiden die Parlamente von Baselland und Bern darüber.

Das Kantons-Referendum wurde schon mehrfach erwogen, so beim Banknotengesetz 1876, der Strafgesetzbuch-Revision 1982, dem Bundesgesetz über das internationale Privatrecht 1988 und dem Gewässerschutz-Gesetz 1991. Es fehlte schlussendlich aber die Unterstützung der nötigen Anzahl Kantone.

Ein Hindernis ist das komplizierte Verfahren: in den meisten Kantonen entscheidet das Kantonsparlament. In anderen Kantonen wiederum kann eine “qualifizierte Minderheit” des Parlaments ein Referendum verlangen.

swissinfo und Agenturen

127 Abgeordnete stimmten im Parlament für und 82 gegen das Steuerpaket.

Dieses bedeutet für die direkte Bundessteuer Ausfälle von 2,01 Mrd. Franken.

Für Kantone und Gemeinden zieht das Paket Ausfälle von 1,1 bis 1,3 Mrd. bei den eigenen Steuern nach sich.

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