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Der langsame Vormarsch des E-Voting

Bei der Abstimmung vom 28. November können bereits Tausende von Auslandschweizern über Internet abstimmen. Keystone

Bei der Abstimmung vom 28. November werden bereits 12 Kantone an Versuchen zur elektronischen Stimmabgabe teilnehmen. Das E-Voting wird zudem viersprachig: In Graubünden können erstmals auch italienisch- und romanischsprechende Auslandschweizer in ihrer Muttersprache abstimmen.

Die Umsetzung der elektronischen Stimmabgabe, die von der Fünften Schweiz schon lange gefordert wird, kommt langsam, aber stetig voran.

Trotzdem wird noch viel Zeit vergehen, bis das E-Voting allen Stimmberechtigten im Ausland zur Verfügung steht.

Anlässlich der Volksabstimmung vom 28. November wird nun ein grosser Schritt nach vorne gemacht: Fünf Kantone werden sich neu an Versuchen mit der elektronischen Stimmabgabe beteiligen: Luzern, Aargau, Thurgau, Graubünden und Schaffhausen.

Damit beteiligen sich insgesamt 12 Kantone an Versuchen zum Vote électronique. Mit der entsprechenden Genehmigung ermöglicht der Bundesrat maximal 190’000 Stimmberechtigten, das entspricht 4,1 Prozent der schweizerischen Stimmbevölkerung, sich elektronisch an der Volksabstimmung zu beteiligen.

Bündner forcieren Mehrsprachigkeit

Neben den genannten fünf Kantonen, die erstmals einen Versuch durchführen, beteiligen sich erneut Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt und St. Gallen, welche das E-Voting nur ihren Bürgern im Ausland einräumen. In diesen neun Kantonen steht das E-Voting 31‘400 Wählenden zur Verfügung. Dazu kommen die “Pilotkantone” Zürich, Neuenburg und Genf.

Die Ausweitung der elektronischen Stimmabgabe auf die beiden kleinsten Sprachgemeinschaften der Schweiz – Italienisch und Rätoromanisch – verdankt sich dem Willen der Bündner Regierung, welche alle Sprachen des eigenen Kantons berücksichtigen wollte.

In Gemeinden wie Poschiavo, Disentis/Muster oder Donat/Ems wird dies der Fall sein und vorerst 744 Wahlberechtigte Bündnerinnen und Bündner im Ausland betreffen.

Die Bündner Regierung strebt an, dass im Jahr 2011 alle 2700 wahlberechtigen Bündner im Ausland per Internet abstimmen können. Die Möglichkeit soll dereinst für sämtliche Wahlberechtigten auf allen Ebenen eingeführt werden. Doch zuerst will man die Erfahrungen vom 28. November auswerten.

Langsam, aber sicher

Obwohl die Auslandschweizer-Organisation (ASO) seit Jahren auf eine Beschleunigung des E-Voting-Prozesses drängt, geht es nur langsam voran. Die föderale Struktur der Schweiz mit drei Entscheidungsstufen – eidgenössisch, kantonal, kommunal – verkompliziert die Situation.

Alle Kantone sind aber der Aufforderung des Bundes nachgekommen, bis Mitte 2009 die kantonale Gesetzgebung so anzupassen, dass eine Vereinheitlichung der Wahlregister erfolgen kann. “Nun wird an der Ausarbeitung der Ausführungsbestimmungen gearbeitet”, hält Ardita Driza-Maurer von der Abteilung für politische Rechte der Bundeskanzlei fest.

Die Vereinheitlichung der Wahlregister, die im Regelfall von den Gemeinden geführt werden, ist eine notwendige Bedingung, damit dereinst die Auslandschweizer aller Kantone am E-Voting teilhaben können.

Auch die hohen Sicherheitsanforderungen für das Abstimmen via Internet bremsen den Prozess. Die Projektverantwortlichen gehen “mit höchster Vorsicht vor, weil sie eine maximale Verlässlichkeit der elektronischen Stimmabgabe garantieren müssen”, wie Claude Gerbex, Sprecher der Bundeskanzlei, sagt.

Gemäss Gerbex wird jeder Schritt in der Entwicklung des E-Votings genau verfolgt, damit das System in keiner Weise manipuliert oder durch Hacker angegriffen werden kann. Er anerkennt, dass es in diesem Technikbereich “keine absolute Garantie” gibt. “Aber auch das Abstimmen auf dem Korrespondenzweg ist nicht 100 Prozent sicher”, so Gerbex.

Widerstand aus dem Waadtland

Das E-Voting stösst aber nicht nur auf Zustimmung. Gerbex hat festgestellt, dass es noch viele emotionale und technische Vorbehalte gegen diese neue Form der Abstimmung gibt.

Konkrete Opposition gibt es beispielsweise im Kanton Waadt: Der sozialdemokratische Abgeordnete Jean Christoph Schwaab hat im Januar eine Motion mit dem Titel “Elektronisches Abstimmen ist eine Gefahr für die Demokratie: Stoppt die Geldverschwendung!” eingereicht.

Gemäss Schwaab und einigen Mitunterzeichnern birgt das elektronische Abstimmen eine Reihe gravierender Mängel und Gefahren. So sei eine Verifizierung des Abstimmungsverhaltens für Bürger ohne Informatik-Kenntnisse unmöglich, das Risiko des Wahlbetrugs steige, der Abstimmungsvorgang werde banalisiert und das Wahlgeheimnis nicht garantiert. Zudem entstünden hohe Kosten für die Steuerzahler. In der Motion wird gefordert, dass der Kanton das E-Voting verbietet.

Schwaab präzisiert in seinem Blog, dass er es berechtigt findet, den Auslandschweizern die Ausübung ihres Wahl- und Stimmrechts zu erleichtern. Doch die Lösung via Internet sei der falsche Weg.

Seiner Meinung nach sollte die ASO über Alternativen zum E-Voting nachdenken, welche weder die Sicherheit des Votums noch das Vertrauen der Bürger in den Abstimmungsprozess in Frage stellen.

Das kantonale Parlament hat die Motion bisher noch nicht diskutiert. Sie könnte am 9. oder 16. November zur Sprache kommen, wie das Sekretariat der Waadtländer Legislative auf Anfrage erklärt.

1998: Der Bundesrat erlässt die “Strategie für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz” gemäss dem Grundsatz: Alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz sollen chancengleichen Zugang zu neuen Informations- und Kommunikations-Technologien erhalten.

Das Thema E-Voting wird in dieser Strategie angesprochen.

Die Fünfte Schweiz macht die Umsetzung des E-Votings zu einem zentralen Thema, weil die Auslandschweizer häufig die brieflichen Wahl- und Abstimmungsunterlagen nicht fristgerecht erhalten.

2000: Der Bundesrat erteilt der Bundeskanzlei den Auftrag, die Machbarkeit der elektronischen Stimmabgabe zu prüfen.

2001: Der erste Bericht zum E-Voting kommt zum Schluss, dass zur Klärung der Machbarkeit praktische Versuche nötig sind.

2002: Das Parlament erlässt die gesetzlichen Grundlagen, damit in interessierten Kantonen Versuche durchgeführt werden können.

2003: Erster Versuch im Kanton Genf.

2005: Neuenburg und Zürich führen erste Versuche durch. Die ersten drei Pilotkantone nutzen unterschiedliche Informatiksysteme.

2006: Der Bundesrat legte eine überarbeitete “Strategie für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz” vor. Die Grundsätze und Zielsetzungen von 1998 bleiben gleich.

Positive Erfahrungen mit dem E-Voting ermuntern weitere Kantone, Versuche durchzuführen.

2009: Basel-Stadt und Genf unterzeichnen eine Vereinbarung, wonach Basel das Genfer E-Voting-System nutzen kann.

Im September schliessen die Kantone Graubünden, St. Gallen, Schaffhausen, Aargau, Thurgau, Solothurn und Freiburg einen ähnlichen Vertrag mit Zürich.

2010: Bern als Kanton mit den meisten Gemeinden der Schweiz schliesst einen Vertrag mit Genf zur Nutzung dessen E-Voting-Systems ab. Es folgt der Kanton Luzern.

Bei der Volksabstimmung vom 28. November wird dank Graubünden das E-Voting erstmals in allen vier Landessprachen erfolgen.

Es handelt sich auch um den ersten Versuch von Vote électronique zu einer Volksinitiative mit Gegenentwurf.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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