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Die BDP auf dem Weg zur nationalen Kraft

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und Parteipräisdent Hans Grunder an der Delegiertenversammlung. Keystone

Verstossen und zum Abschuss frei gegeben: In dieser Position fanden sich die liberalen Kräfte der SVP im Sommer 2008. Nun hat die aus der Abspaltung entstandene BDP den Winter erfolgreich überlebt. - Impressionen von der ersten Delegiertenversammlung.

Die BDP ist bodenständig und – obschon noch keine fünf Monate alt – bereits fest in den Institutionen verankert. Ihre Mitgliederstruktur zeichnet sich durch einen überdurchschnittlich hohen Anteil politischer Mandatsträger aus.

Die Partei stellt Legislativ- und Exekutivpolitiker auf allen Stufen, von der Gemeinde bis zum Bund. Prominentestes Aushängeschild ist Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf.

Ihre Grussbotschaft an die Delegierten in Thun beginnt sie in französischer Sprache und untermauert damit den Anspruch der BDP, in den kommenden Jahren zu einer nationalen Partei zu werden.

Vor dem “Bären” stehen zwei Delegierte aus dem Wallis. Sie müssten mal Pause machen, denn sie verständen kein Deutsch. “Vielleicht kann sich die Partei einmal eine Simultanübersetzung leisten. Wir könnten Christoph Blocher ja als Mäzen anfragen”, scherzen sie.

Die beiden waren bis vor wenigen Monaten in der Walliser SVP, die vor zehn Jahren gegründet worden ist. “Damals ging ich in die Politik, weil ich mitgestalten und nicht wie ein Lamm hinterhehr laufen wollte”, sagt einer der Beiden. Er habe aber gemerkt, dass er in der Partei “eben genau wie ein Lamm” hätte gehorchen sollen.

Genug von Päpsten

“In der SVP Wallis regiert ‘Papst Oskar’. Wir hätten die Apostel spielen sollen”, sagt der Zweite. Das Aushängeschild der Walliser SVP, Nationalrat Oskar Freysinger, verhalte sich ähnlich wie die schweizerische Parteispitze um den abgewählten Bundesrat Christoph Blocher: “autoritär und zentralistisch”.

Ohne Zentralismus und ohne Ungehorsam gäbe es die BDP nicht. Im vergangenen Juni schloss die nationale Parteispitze die Bündner SVP aus, weil sich diese geweigert hatte, ihr Mitglied Eveline Widmer-Schlumpf auszuschliessen.

Die Ausgeschlossenen gründeten eine eigene Partei, die BDP Graubünden. Die liberalen Parteiflügel der Berner und der Glarner – auch sie lagen seit Monaten im Clinch mit der nationalen Spitze – solidarisierten sich mit den Bündnern. Am 1. November 2008 wurde die BDP Schweiz gegründet.

Gutbürgerlich und wertkonservativ

Parteipräsident Hans Grunder relativiert die Einschätzung, seine Partei sei die anständige Variante der SVP: “Natürlich sind viele aus der SVP zu uns gekommen, aber 40% der Mitglieder waren vorher noch nie in einer Partei. Da gibt es eine Marktlücke. Unsere Mitglieder sind alles Leute aus dem Mittelstand. Sie sind gutbürgerlich und wertkonservativ.”

Den Frauenanteil kennt Grunder noch nicht genau. “Das haben wir noch nicht ausgewertet.” Er schätzt ihn auf zwischen 20 und 30%. Das ist ein Mehrfaches der SVP-Frauenquote. “Auffallend viele Sektionen werden von Frauen präsidiert”, so Grunder: “Auch im Altersdurchschnitt sind wir jünger als die SVP.”

Im Sandwich zwischen SVP und Freisinn

Bei den nächsten nationalen Wahlen im Herbst 2011 will die BDP ihre Sitze im Nationalrat von sechs auf zehn erhöhen und bis dann in mindestens der Hälfte der Kantone mit Kantonalsektionen präsent sein.

Die Ziele scheinen realistisch. In den vergangenen Monaten konnte die BDP bei Gemeinde- und Kantonswahlen erste Wahlerfolge verzeichnen. Zu den sieben Kantonalsektionen werden in den kommenden Wochen weitere hinzukommen.

Politisch bewegt sich die Partei gemäss Grunder “in der Schnittmenge zwischen linker SVP und rechtem Freisinn”. Das heisst auch: Die Partei ist noch daran, sich thematisch eindeutig zu profilieren.

Die BDP sei ein Sonderfall unter den neuen Parteien, die in den vergangenen 30 Jahren gegründet wurden, weil sie nicht, wie die Grünen oder die inzwischen aufgelöste Autopartei, “zu einem bestimmten Thema entstanden ist. Mit der Zeit müssen wir sicher noch pointierter auftreten.”

swissinfo, Andreas Keiser, Thun

Die Bürgerlich Demokratische Partei der Schweiz wurde im November 2008 gegründet.

Nachdem die SVP Graubünden aus der Mutterpartei ausgeschlossen worden war, spalteten sich auch andere Kantonal-Sektionen von der SVP ab.

Die Bündner hatten sich geweigert, Widmer-Schlumpf nach ihrer Wahl in den Bundesrat Ende 2007 aus der Partei auszuschliessen.

Im Nationalrat stellt die BDP seit den Wahlen im Kanton Glarus im Februar 2009 fünf Volksvertreter und hat damit Fraktionsstärke erreicht.

Der Berner Werner Luginbühl ist der einzige BDP-Vertreter im Ständerat.

Auf kantonaler Ebene ist die BDP in den Regierungen von Graubünden, Bern und Glarus mit insgesamt vier Mitgliedern vertreten In den drei Kantonen hat die BDP ausserdem 58 von landesweit 2628 Parlamentsmandaten.

Zurzeit hat die BDP in den Kantonen Aargau, Bern, Glarus, Graubünden, Obwalden, St. Gallen, Thurgau und Wallis Kantonalsektionen.

Erklärtes Ziel der Partei ist es, bis zu den nächsten eidgenössischen Wahlen im Jahr 2011 in 14 Kantonen präsent zu sein.

Die BDP-Delegierten in Thun beschlossen auch zwei Parolen für die Abstimmung vom 17. Mai:

Ja zur Einführung biometrischer Pässe und Ja zum Gegenvorschlag zur Volksinitiative “Ja zur Komplementärmedizin”.

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