Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Ein letzter Test vor den eidgenössischen Wahlen

Die Zürcher Wahlen sind ein letzter Test vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst. Keystone

Zürcherinnen und Zürcher wählen am Sonntag Regierung und Parlament. Es ist die letzte kantonale Wahl vor den eidgenössischen Wahlen im Oktober.

Für den Politologen Andreas Ladner werden einige Parteien bei der kantonalen Wahl den nötigen Schwung holen. Für andere bedeute sie die letzte Chance.

Von den 26 Schweizer Kantonen führen 6 ihre Wahlen jeweils im gleichen Jahr durch, in dem auch das Schweizer Parlament gewählt wird. Die kantonalen Wahlen sind für die meisten Parteien ein wichtiger Test im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen im Oktober dieses Jahres.

Der Politologe Andreas Ladner, Professor für Institutionelle Politik am Hochschulinstitut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) in Lausanne, erläutert gegenüber swissinfo, welche Parteien ein besonderes Interesse daran haben, bei den Zürcher Wahlen gut abzuschneiden.

swissinfo: Was steht am Sonntag bei den Zürcher Wahlen vor allem auf dem Spiel?

Andreas Ladner: Die Wahlen zeigen, in welcher Form sich die Parteien befinden. Aus guten Resultaten in Zürich können sie Schwung für ihre Herbst-Kampagne holen. Zürich ist in diesem Jahr besonders wichtig, weil die Situation auf eidgenössischer Ebene weniger klar ist als vor vier Jahren.

Interessant wird auch sein, ob die Rechte ihre starke Position mit 90 Parlamentssitzen wird halten können.

swissinfo: Welche Parteien könnten von den Wahlen in Zürich profitieren?

A.L.: Für die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) geht es in erster Linie darum, nicht noch mehr Boden zu verlieren. Nach den Niederlagen, die sie in andern Kantonen zu verzeichnen hatte, kann sich die FDP keine weitere erlauben. Das wäre eine Katastrophe für sie. Zürich ist noch so etwas wie der letzte Zweig, an dem sie sich festhalten können.

swissinfo: Zürich ist ein starkes Symbol für die Freisinnigen…

A.L.: Dieses Bild ist ein wenig überzeichnet. Die Freisinnigen belegten in den 80er-Jahren höchstens 50 Sitze, während die Sozialdemokraten 49 Sitze hatten.

Anders als die Christlichdemokratische Partei (CVP) in der Zentralschweiz war die FDP – die ja 1971 aus dem Zusammenschluss der Demokratischen und der Radikalen Partei entstand – in Zürich nie eine grosse Partei mit einer starken Basis.

Ihr Erfolg in Zürich war das Resultat eines Zusammenschlusses einer intellektuellen freisinnigen mit einer wirtschafts- und armeenahen Elite.

swissinfo: Und wie steht es um die andern Parteien, wie könnte der Wahlsonntag für sie aussehen?

A.L.: Für die CVP ist diese letzte kantonale Erhebung ebenfalls sehr wichtig. Mehrere kantonale Wahlen haben sie ermutigt, mehr anzustreben. Eine geringe Verbesserung von 1% oder sogar weniger würde der Parteizentrale genügen, um bereits von einem “Turnaround” zu sprechen.

Auch für die Sozialdemokratische Partei (SP) ist die Bedeutung dieser Wahl nicht zu vernachlässigen. Der Präsident der SP Schweiz hat ja für seine Partei das ambitiöse Ziel gesteckt, wählerstärkste Partei der Schweiz zu werden.

Die SP muss in Zürich unbedingt punkten. In den andern Kantonen fielen die letzten Wahlen für sie eher mässig aus. Die Grünen nahmen ihr zum ersten Mal Stimmen weg. In Zürich, wo die SP sich zwischen den “roten” Grünen (eher links) und den “liberalen” Grünen (eher bürgerlich)) positioniert, drohen ihr beidseitig Stimmenverluste.

Für die Schweizerische Volkspartei (SVP) sind die Zürcher Wahlen meines Erachtens weniger wichtig als in andern Kantonen. Wenn die Partei den zweiten, verlorenen Regierungssitz nicht belegen kann, wäre das für sie noch keine Katastrophe.

swissinfo: Die SVP tritt zu den kantonalen Wahlen in Zürich erstmals ohne ihren Mentor Christoph Blocher an. Vor vier Jahren war der heutige Bundesrat noch ihr Parteipräsident. Hat es die Partei inzwischen geschafft, aus Blochers Schatten herauszutreten?

A.L.: Die Partei hat ein bisschen Mühe bekundet, ihre Linie zu finden, was ja auch nicht sehr erstaunt, nachdem sie jahrelang einen charismatischen Präsidenten hatte und danach einen leichten Schwenker machen musste.

Man kann bei den Wahlen noch so viel Erfolg haben – die eigentliche Politik wird in der Regierung gemacht. Deshalb musste die Partei ihre Verbindung mit der FDP erneuern und ein bisschen folgsamer, regierungsfähiger werden. Aber einige ältere Kampfhähne sind immer noch sehr streitlustig.

swissinfo, Ariane Gigon Bormann, Zürich
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

In sechs Schweizer Kantonen wird oder wurde in diesem Jahr, in dem auch nationale Wahlen stattfinden, gewählt: So in Baselland, Appenzell Ausserrhoden, Waadt, Luzern, Tessin und Zürich.

Als letzte sind am Wochenende vom 15. April die Zürcherinnen und Zürcher an die Urne gerufen.

Die Wahlen im bevölkerungsreichsten Kanton des Landes mit der Finanzmetropole Zürich sind von besonderem Interesse. Er entsendet 34 Abgeordnete in die grosse Parlamentskammer, den Nationalrat, nach Bern.

In der Zeit von 1971–2003 erlebte der Zürcher Freisinn 1979 seinen Höhepunkt mit 22,4% der Wählerstimmen. Seither nimmt die Stärke der FDP stetig ab.

In der gleichen Periode konnte die SVP ihren Anteil von 12% auf heute 30% steigern.

Für den Zürcher Regierungsrat, die Kantonsregierung, treten zwei der Bisherigen nicht mehr an: Ein Freisinniger und eine Grünliberale.

Die jetzige Kantonsregierung besteht aus 2 FDP, 2 SP, 1 Grünliberalen, 1 CVP, 1 SVP. Vier der sieben Regierungsmitglieder sind Frauen.

FDP und SVP haben sich zusammengetan, um in der Exekutive eine “echte” bürgerliche Mehrheit zu erringen.

Die SVP könnte einen zweiten Sitz ergattern, sollten die Grünliberalen das Mandat der zurücktretenden Verena Diener verlieren, die sich von der Grünen Partei abgespalten hat.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft