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Initiative gegen Abzockerei eingereicht

Thomas Minder, Initiant der Volksinitiative "gegen die Abzockerei". Ex-press

Den exzessiven Salären in den Teppichetagen von Schweizer Unternehmen soll ein Riegel geschoben werden. Mit diesem Ziel ist eine Volksinitiative mit knapp 120'000 Unterschriften eingereicht worden.

Die von einem Schaffhauser Kleinunternehmer lancierte Initiative verlangt unter anderem, dass die Aktionäre über die Saläre der Verwaltungsräte und Manager bestimmen können und goldene Fallschirme verboten werden.

Der Souverän, also das Stimmvolk, soll den Exzessen auf den Teppichetagen den Riegel schieben. Die Initiative verlangt mehr Aktionärsrechte bei börsenkotierten Unternehmen.

Das Initiativkomitee hätte bis Anfang Mai Zeit gehabt, um die nötigen 100’000 Unterschriften zu sammeln.

Namentlich soll die Generalversammlung über die Gesamtvergütung von Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Beirat abstimmen und jährlich die Verwaltungsrats-Mitglieder, den VR-Präsidenten und den Vergütungsausschuss wählen.

Weiter wird die jährliche Einzelwahl der VR-Mitglieder gefordert sowie eine Verpflichtung für die Pensionskassen, im Interesse ihrer Versicherten zu stimmen und die Stimmabgabe offen zu legen.

Organ- und Depotstimmrechts-Vertretung sollen verboten werden, Abgangsentschädigungen, Vorauszahlungen und Prämien ebenfalls.

Keine Relation zur Leistung

Das Datum der Einreichung sei nicht zufällig gewählt, sagte Minder vor den Medien. Gleichentags finde die Generalversammlung von Novartis statt, deren Chef Daniel Vasella bezüglich Vergütung seit Jahren “Feindbild” der Initianten sei.

Am Mittwoch folge die Grossbank UBS, die mit der teuersten Unternehmensführung der Schweiz Milliarden abschreiben müsse.

Laut Minder belegen zahllose Beispiele, dass die Vergütungen der Manager in keiner Relation zur persönlichen Leistung der Bezüger und zur Performance der Unternehmen stehen.

Die “Gier” und die stark auf finanzielle Anreize ausgerichteten Arbeitsverträge und Mandate seien auch die Hauptursache der aktuellen weltweiten Finanzkrise.

Linke, Bürgerliche und Gewerbler

“Der Unmut in der Bevölkerung ist gewaltig”, sagte der Initiant.

Nicht nur Linke unterstützten das Volksbegehren, sondern zu 80% auch Bürgerliche und zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

Auf kantonaler Ebene stünden gewisse Sektionen der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) dahinter. “Der Knatsch in den drei bürgerlichen Parteien FDP, SVP und Christlichdemokratische Volkspartei CVP ist damit programmiert”, so Minder.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Bürgerliche kontra Economiesuisse

Für Minder entspringt die “massvolle” Forderung nach mehr Aktionärsdemokratie “höchst bürgerlichem Gedankengut”. Feind Nummer eins für die Initianten sei der Wirtschafts-Dachverband Economiesuisse.

Dieser glaube noch immer, das Problem mit Selbstregulierung und Vernunftappellen lösen zu können. “An den Osterhasen zu glauben, fällt leichter”, so Minder.

Zu kurz greift nach Ansicht der Initianten die beim Parlament liegende Revision des Aktienrechts. Von 24 Punkten des Volksbegehrens würden mit dieser “mutlosen” Vorlage nur gerade drei erfüllt, nämlich die jährliche Einzelwahl der Verwaltungsräte sowie das Verbot der Organ- und der Depotstimmrechts-Vertretung.

Ein “No-Names-Komitee”

Er habe die Unterschriften mit einem kleinen “No-Names-Komitee” und zwei bis drei Dutzend Helfern vor allem über Inserate und Flyers in der Deutschschweiz gesammelt, sagte Minder.

Finanziert habe er die Kampagne hauptsächlich aus der eigenen Tasche bzw. mit seiner Neuhauser Kosmetik-Firma Trybol AG, zum Teil auch mit Zuwendungen Dritter.

Die 118’583 Unterschriften werden nun von der Bundeskanzlei geprüft, die über das formelle Zustandekommen entscheidet. Anschliessend wird der Bundesrat eine Botschaft an die Räte ausarbeiten.

swissinfo und Agenturen

Die wichtigsten Forderungen der Initiative:

– Die Generalversammlung stimmt jährlich über die Gesamtsumme aller Vergütungen an Verwaltungsrat und Geschäftsleitung ab.

– Verwaltungsräte und Verwaltungsrats-Präsident müssen jährlich wiedergewählt werden.

– Verwaltungsräte und Geschäftsleitung erhalten keine Abgangsentschädigungen, keine Vergütungen im voraus, keine Prämien für Firmenkäufe oder -verkäufe.

– Die Statuten regeln Erfolgs- und Beteiligungpläne der Kader.

– Diese Regeln gelten für alle im In- oder Ausland börsenkotierten Schweizer Aktiengesellschaften.

Die Chefs der 100 grössten Schweizer Unternehmen verdienten 2006 im Schnitt 2,3 Mio. Franken.
Der Durchschnittslohn eines Arbeitnehmenden betrug 70’000 Franken.
Für Manager verdoppelte sich der Lohnanstieg von +7,6% (2005) auf 15,8% im 2006.
Angestellte mussten dagegen 2005 einen Reallohnverlust von 0,2% (2005) hinnehmen, 2006 gab es ein Plus von 0,1%.
2006 stieg das Vermögen der 300 reichsten in der Schweiz lebenden Personen um 14% auf 455 Mrd. Franken.

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