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Liebesleben als Tabuthema

Die Weltkriegs-Ausstellung 'L'Histoire c'est moi' zeigt in ihren Video-Interviews auch amüsante 'Tabuthemen' aus der Zeit der Mobilisation.

Nach dem Hinterfragen des Nutzens der Neutralität oder der Schweizer Armee ist nun die Reihe an der ‘Liebe in Zeiten des Krieges’.

Auch altbestandene Historiker und Weltkriegs-Kennerinnen können an der Ausstellung “L’Histoire c’est moi” noch manche Überraschung erleben. Nicht nur der offiziell festgelegte Nutzen der Neutralität oder die Effektivität des Wehrwillens zur Abschreckung der deutschen Wehrmacht sind bis vor kurzem Tabu-Themen gewesen, sondern auch die “Liebe in Zeiten des Krieges”, wie einer der 21 gezeigten Kurzfilme illustriert.

Dabei weicht bei den Interviewten manchmal der Zeitgeist von heute die lange Zeit rigiden Überlieferungen aus den 40er Jahren auf. Frauen in ihren Achtzigern erinnern sich nun vor der Kamera sozusagen erstmals auch ausserhalb des geschlossenen Familienkreises an inoffizielle Begegnungen mit fremden Soldaten und jungen Internierten.

Fremde Soldaten und ausländische Internierte als Anreiz

Demnach wurde die Korrektheits-Schwelle bei Beziehungen zwischen den mobilisierten fremden Soldaten im Dorf oder den ausländischen Internierten am Dorfrand und den allein daheim verbliebenen Frauen öfters mal übertreten.

So wird etwa von einem fern von seinem Bauernhof Militärdienst leistenden (Ehe-)Mann erzählt, der sich gehörig aufgeregt habe, als er erfuhr, dass seine Ehefrau das Bett mit einem zwar landwirtschaftlich versierten, aber ausländischen Kriegsasylanten teilte.

Doch regte ihn weniger dieser Umstand an sich auf, sondern die Behörde, die, als die Sache aufflog, diesen Internierten sofort wegweisen liess. “Wer soll denn sonst für meinen Bauernhof sorgen? Meine Frau kann das unmöglich allein schaffen!”, soll er laut einem der Interviewten geklagt haben.

Frauen zieren sich, Männer bluffen…

Auch die Sichtweise von Frauen und Männern klaffte schon damals auseinander – besonders im Bereich Beziehungen und Zuneigung. So legt der Film “Liebe in Zeiten des Kriegs” einen Wahrnehmungs-“Sexgraben” offen.

Denn was da alles während der Landesmobilmachung und dem jahrelangen Aktivdienst fern von zu Hause abging, wird zumindest in den Interviews von Frauen ziemlich anders beschrieben als von den Männern.

So beteuern die Frauen vor der Kamera glaubhaft, damals als Mädchen sexuell kaum bis gar nicht aufgeklärt worden und entsprechend ahnungslos gewesen zu sein. Demgegenüber versichern die damals zum Aktivdienst aufgebotenen Männer ebenso glaubwürdig das Gegenteil.

Man solle sich da keinen Illusionen hingeben, meinen sie. Die jungen Mädchen hätten grösstenteils bestens Bescheid gewusst. “Es gab zwischen uns jungen Soldaten und ihnen immer eine gewisse Anzahl an amourösen Begegnungen.”

swissinfo, Alexander Künzle

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