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Oberster Wirtschaftslobbyist: Härte im Steuerstreit

Bundesrat, Kantonsregierungen und Wirtschaft seien im Steuerstreit geeint, sagt Gerold Bührer. Keystone

Der Präsident des Verbandes der Schweizer Unternehmen economiesuisse, Gerold Bührer, hat bei einem Besuch in Brüssel eine harte Linie im Steuerstreit verfochten.

Einen Ausweg aus dem Konflikt sehe er noch nicht, gab er im Gespräch allerdings zu.

Als Präsident des Verbandes der Schweizer Unternehmen economiesuisse ist Gerold Bührer eine Art Cheflobbyist der Schweizer Wirtschaft. Bei einem Besuch in Brüssel sprach er unter anderem mit dem Steuerkommissar der Europäischen Union (EU), Laszlo Kovacs, und übermittelte ihm die Sichtweise der Wirtschaft zum Steuerstreit.

“Es war ein gutes Gespräch, man hörte einander zu”, lobte Bührer gegenüber swissinfo.

Allerdings weiss Bührer, dass Kovacs nicht wirklich die richtige Ansprechperson ist: Das Dossier ist in der Hand der EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner.

“Ich bat ihn, meine Überlegungen der Aussenkommissarin zu übermitteln, was er auch sehr freundlich zusicherte”, sagte Bührer.

“Meine Botschaft war, dass Bundesrat, Kantonsregierungen und Wirtschaft absolut geeint sind: Es soll Gespräche, aber keine Verhandlungen in dieser Sache geben.”

Steuerreform als Ausweg?

Die Schweizer Devise “Dialog ja, aber keine Verhandlungen” hat die EU tatsächlich schon vor längerem akzeptiert – zumindest vordergründig. Dies vor allem deshalb, weil man in Brüssel hofft, dass die Schweiz die kritisierten kantonalen Steuerregime für gewisse Firmen in eigener Regie abschaffen werde.

Diese Hoffnung nährte der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz, indem er seit April wiederholt laut über eine autonome Steuerreform in der Schweiz nachdachte.

In diesem Sinn dürfte der Brüsseler Besuch von Bührer für die EU eine schwere Enttäuschung sein. Denn economiesuisse will zwar ebenfalls eine neue, dritte Unternehmenssteuerreform. Sie solle vor allem die Bundessteuer für Firmen senken, forderte Bührer.

Beharren auf Spezialsteuerregimes

Doch die gleichzeitige Abschaffung der von Brüssel kritisierten Steuerregime lehnte er rundweg ab. Dies aber wäre genau das, was sich Brüssel von Bern erhofft.

“Es ist nicht möglich, die Unternehmenssteuer auf Bundesebene so weit zu senken, dass die Spezialsteuerregime abgeschafft werden könnten”, betonte Bührer.

“Das haben unsere Spezialisten gründlich durchgerechnet. Wir könnten die Vorteile, die wir diesen Firmen heute bieten, nicht mehr offerieren, sie würden abwandern.”

Noch keine definitive Lösung

Der Ausweg, die Steuern für alle Firmen zu senken und zugleich die kritisierten Steuerregime abzuschaffen, ist für Bührer zudem politisch nicht gangbar. “Dies gäbe eine unheilige Allianz in der Referendumsabstimmung”, meinte er.

“Die Linke wäre gegen die Steuersenkung, die Rechte gegen eine Steuerrevision unter dem Druck Brüssels.”

Ein anderes Rezept zur Beilegung des Steuerstreits hat Bührer allerdings nicht, wie er im Gespräch zugab: “Eine definitive Lösung sehe ich auch noch nicht.”

Kontraproduktive Druckausübung

Als früherer Politiker weiss Bührer, dass die EU wieder stärker Druck ausüben wird, falls die Schweiz sich nicht bewegt.

Heikel wäre es, wenn Brüssel dies im Vorfeld der nächsten Volksabstimmung über die Personenfreizügigkeit täte. Diese wird spätestens im Frühling 2009 stattfinden, falls das Referendum ergriffen wird.

Drohungen aus Brüssel würden die Vorlage gefährden – und damit den bilateralen Weg als Ganzes.

“Wir haben unseren Gesprächspartnern in der EU gesagt, dass wir uns ab Sommer 2008 keinen Schlagabtausch im Steuerstreit mehr leisten können”, sagte Bührer.

Schliesslich habe auch die EU ein Interesse daran, dass das Schweizer Volk die Personenfreizügigkeit gutheisse. Er gestand allerdings ein: “Ob diese Botschaft in Brüssel gehört wird, weiss ich nicht.”

swissinfo, Simon Thönen, Brüssel

In der Schweiz sind mehr als 13’000 Holdings niedergelassen.

Die meisten Holdings hat der Kanton Zug (6000), gefolgt von den Kantonen Tessin (2200), Freiburg (2000), Glarus (1000), Genf (675) und Zürich (550).

Auch andere europäische Länder, namentlich Spanien, Luxemburg und England, locken so genannte “Briefkastenfirmen” mit Steuerprivilegien an.

Das Steuersubstrat aller Holding-Gesellschaften in der Schweiz beläuft sich auf jährlich (Bund und Kantone) 3 Mrd. Franken.

Im September 2005 beanstandet die EU-Kommission in einem Brief die Steuerpraktiken in den Kantonen Zug und Schwyz.

Im Juli 2006 verschärft Kommissionspräsident José Manuel Barroso den Ton.

Im November 2006, nach der Zustimmung des Schweizer Volkes zur Kohäsionsmilliarde für die neuen EU-Staaten, droht der Generaldirektor für Aussenbeziehungen der EU, die Kommission werde ein Dokument an alle EU-Staaten verschicken, das die Schweiz auffordert, sich den EU-Regeln anzupassen.

Ende April 2007 kündigt Finanzminister Hans-Rudolf Merz eine Reform der Unternehmensbesteuerung an, mit dem Ziel, die Gewinnsteuern zu senken.

Am 14. Mai 2007 verabschiedet der EU-Ministerrat ein Verhandlungsmandat.

Am 16. Mai reagiert die Landesregierung auf das inzwischen in Bern eingetroffene Mandat und stellt sich auf die Position: “Verhandlungen Nein, Dialog Ja.”

Dieser “Dialog” soll nach den nationalen Wahlen vom 21. Oktober stattfinden.

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