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OECD kennt Steueroasen-Blacklist – EU nicht

Der deutsche Finanzminster Peer Steinbrück (links) und Frankreichs Budgetminister Eric Woerth in Paris. Keystone

Die Forderung des deutschen Finanzministers, dass die Schweiz von der OECD auf die schwarze Liste der Steueroasen zu setzen sei, hat in der Schweiz für Empörung gesorgt. In Brüssel wird die Angelegenheit vorerst nüchtern betrachtet.

Steuerfragen und das Bankgeheimnis sind Themen, die in- und ausserhalb der Schweiz regelmässig für rote Köpfe sorgen.

Anfang Woche forderte der deutsche Finanzminster Peer Steinbrück an einem Treffen von 17 Mitgliedern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Schweiz wieder auf die Schwarze Liste der Finanzparadiese zu setzen, in Gesellschaft von Liechtenstein und Monaco.

In der Schweiz wurden die markigen Worte Steinbrücks von der Presse auch als fiskalistischer Populismus eines Ministers ausgelegt, der die Finanzmarktkrise zur Jagd nach Steuereinnahmen nutzen möchte.

In Brüssel hingegen stellt man die Aussagen Steinbrücks in einen weiteren Kontext. “Steinbrück hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er das Bankgeheimnis nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Österreich und Luxemburg als ein Instrument betrachtet, das die Steuerflucht begünstigt”, so Simon Thönen, swissinfo-Korrespondent in Brüssel.

Man wisse, dass er das gerne abschaffen würde – wenn er nur könnte. Auf EU-Ebene laute nun die Frage, in welchem Rahmen er sein Anliegen einbringen wolle: Die EU-Kommission sei gegenwärtig daran, die Zinsbesteuerungs-Richtlinie zu überarbeiten.

Diese Richtlinie ist auch die Basis für das Zinsbesteuerungs-Abkommen zwischen der Schweiz und der EU, das seit 2005 in Kraft ist. Während dieser Revision, schätzt Thönen, werde der deutsche Finanzminister, von seinem französischen Kollegen vermutlich assistiert, das Bankgeheimnis sicher wieder aufs Tapet bringen.

Offshore statt Schweiz als EU-Problem

Ein grosses Problem für die EU bestehe darin, so Thönen, dass es wenig brauche, um die heute noch vom Bankgeheimnis geschützten Gelder per Computerklick nach Singapur oder Dubai weiter zu befördern, wo sie dann wirklich ausserhalb jeglicher Kontrolle blieben.

Die EU habe mit diesen Finanzplätzen ebenfalls Verhandlungen geführt, um sie in eine Art Zinsbesteuerungs-System einzubinden: “Bisher war sie allerdings wenig erfolgreich.”

Diesen Umstand bringen nicht nur die Schweiz, sondern auch EU-Länder mit Bankgeheimnis wie Luxemburg oder Österreich immer wieder vor: Was nütze es, die Steuerflucht in der EU zu unterbinden, so Thönen, wenn dann als Folge davon das Kapital völlig aus dem Kontrollbereich abfliesse.

Im Rahmen derselben Zinsbesteuerungs-Richtlinie existieren in der EU zwei Systeme: Das eine basiert auf dem Informationsaustausch, das andere direkt auf der Zinsertrags-Besteuerung.

Voller Info-Austausch oder nur Zins-Besteuerung

Beim Informationsaustausch weiss ein französischer Bürger, der in Deutschland ein Konto hat, genau, dass Deutschland dies den französischen Steuerbehörden meldet. Entsprechend wird der Franzose dann nach französischen Regeln besteuert.

Für die EU-Länder mit Bankgeheimnis, also Luxemburg, Österreich und vorderhand noch Belgien, gilt das andere System, nämlich die Besteuerung der Zinserträge von gewissen Anlageformen. Diese Gelder werden dann in das Wohnland des jeweiligen Bürgers überwiesen. Das gleiche System kennt auch die Schweiz im Rahmen der bilateralen Verträge mit der EU.

Gemäss Thönen stellt sich nun die Frage, ob die EU-Kommission in Brüssel bei der Revision dieser Richtlinien vorschlagen werde, dass nur noch die Version Informationsaustausch weitergeführt werde. Oder ob sie vorschlagen werde, beispielsweise den Geltungsbereich der Zinserträge auszuweiten. Im Moment sehe es eher nach dieser letzten Variante aus.

Thönen nimmt an, dass in diesem Bereich auch Diskussionen mit der Schweiz möglich seien und die Schweiz hier auch Hand bieten könnte. Den generellen Informations-Austausch hingegen werde die Schweiz wohl kaum einfach so akzeptieren, denkt man in Brüssel, weil dies das Ende des Bankgeheimnisses bedeuten würde. Alle Konten von EU-Bürgern in der Schweiz würden dann automatisch den Steuerbehörden ihres Landes gemeldet.

EU führt keine Steuerparadies-Listen

Genau auf diese heissen Statements vom deutschen Finanzminister und seinem französischen Amtskollegen ist am Mittwoch auch die Sprecherin des EU-Steuerkommissars Laszlo Kovacs angesprochen worden. Die EU selber führe keine solchen Listen von Steuerparadiesen, sagte sie.

Und führte weiter an, dass die Schweiz auf europäischer Ebene in diesen Fragen ein Partner sei, der zum Beispiel das bilaterale Zinsbesteuerungs-Abkommen mit der EU abgeschlossen habe.

“Im Moment jedenfalls sieht man in der EU-Kommission die Sache doch ein bisschen nüchterner als die Äusserungen von Steinbrück es vermuten lassen”, so Thönen.

swissinfo, Alexander Künzle

Die Äusserungen des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück haben den Bundesrat empört und überrascht.

Er hat deshalb den deutschen Botschafter ins Aussendepartement zitiert.

Die Wortwahl Steinbrücks sei aus Sicht des Bunderates unzulässig, so Aussenministerin Micheline Calmy-Rey am Mittwoch vor den Medien.

Steinbrück hatte nach einem OECD-Treffen in Paris gesagt, dass “nicht nur das Zuckerbrot, sondern auch die Peitsche” benutzt werden müssten.

Namentlich das Wort “Peitsche” habe den Bundesrat empört.

Die Schweiz biete Konditionen an, die deutsche Steuerzahler dazu einladen, in Deutschland Steuern zu hinterziehen, sagte Steinbrück.

“Deshalb gehört die Schweiz nach meiner Auffassung auf eine solche Liste.”

Im Jahr 2000 wurde die Schweiz auf eine Liste mit 47 Ländern gesetzt, die ein “potenziell schädliches Gebaren” in Steuerfragen aufweisen.

2004 machte die Schweiz Zugeständnisse bei der Besteuerung von Holdings und wird wieder von der Liste gestrichen.

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