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Schweizer Regierung wird gerügt

Bundesrat Hans-Rudolf Merz und Bundespräsident Moritz Leuenberger werden wie ihre Ratskollen für den Swisscom-Entscheid gerügt. Keystone

Gemäss Geschäftsprüfungs-Kommission (GPK) des Nationalrates war der Bundesrat schlecht vorbereitet, als er der Swisscom Ausland-Engagements verbot.

Die GPK rügt den “Sofortentscheid” der Regierung für eine radikale strategische Kehrtwende des Telekomanbieters als abrupt, hektisch und chaotisch.

An ihrer Klausursitzung vom 23. November 2005 hatte die Schweizer Regierung beschlossen, die Swisscom vollständig zu privatisieren. Gleichzeitig wies er die Swisscom an, auf Investitionen bei ausländischen Telekom-Unternehmen zu verzichten und Aktien zurückzukaufen oder Dividenden auszuschütten.

Dieses hektische Vorgehen kann die GPK nicht nachvollziehen. Der Bundesrat habe die Entscheide zu den Auslandinvestitionen ohne eigentliche Vorbereitung und ohne hinreichende Grundlagen getroffen. Er sei von einem “äusserst kurz” gehaltenen Mitbericht von SVP-Justizminister Christoph Blocher “überrumpelt” worden, sagte Waber.

“Unprofessionell”

Die GPK hat ihren Bericht über die Entscheide des Bundesrates zur Swisscom und zur Kommunikation in dieser Sache am Dienstag veröffentlicht. Wie der freisinnige Kommissions-Präsident Kurt Wasserfallen vor den Medien erklärte, hat sie den Bericht ihrer Subkommission, in der die Schweizerische Volkspartei (SVP) nicht mitmachte, mit 18 zu 5 Stimmen verabschiedet.

Der Bericht sei seriös, genauestens recherchiert und fair, sagte Wasserfallen. Untersucht worden sei der Entscheidungsprozess im Bundesrat. Dabei habe die GPK feststellen müssen, dass die Landesregierung in der Angelegenheit Swisscom “unprofessionell” gehandelt habe.

Kompetenz überschritten

Es sei unhaltbar, wie einzelne Bundesräte sich in der Öffentlichkeit widersprochen hätten, sagte Subkommissionspräsident Christian Waber von der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU). Diese hätten die Glaubwürdigkeit der Regierung im In- und Ausland untergraben und in Kauf genommen, dass die Swisscom Schaden erleiden könnte.

Der Bundesrat habe mit seinem Verbot von Ausland-Engagements der Swisscom die von ihm selbst vorgegebenen strategischen Ziele für die Unternehmung missachtet, stellt die GPK fest. Zudem sei die strategische Kehrtwendung mit dem Telekommunikations-Unternehmungsgesetz nicht vereinbar.

Kontroverse Reaktionen

Der Bericht der GPK über die Swisscom-Entscheide hat bei den Parteien unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.

Die Befürworter einer Privatisierung wiesen die Schlüsse der Geschäftsprüfer als einseitig zurück. Für die Gegner hingegen hat der Bundesrat sich selber und der Swisscom geschadet.

Die Freisinnige Partei (FDP) beanstandete, es werde erneut versucht, die GPK zu
politischen Zwecken zu missbrauchen. Der Bericht stelle über weite Strecken eine Abrechnung der Privatisierungsgegner mit dem Bundesrat dar.

Auch die SVP kritisierte die Wertung der Kommission als einseitig und dürftig. Es sei richtig gewesen, dass sie selber keine Mitglieder in die zuständige Subkommission geschickt habe. “Ausser Spesen nichts gewesen”, lautete das Urteil der Schweizerischen Volkspartei.

Die Sozialdemokraten hingegen sahen sich in dem bestätigt, was sie schon immer
vermutet hatten. Die Entscheide des Bundesrates seien nicht seriös vorbereitet und hauptsächlich von einer Privatisierungs-Ideologie getrieben gewesen, sagte Parteisprecher Nicolas Gallade.

Für die Christlich-Demokratische Volkspartei (CVP) ist es vor allem besorgniserregend, dass ein Mitbericht aus dem Departement Blocher das federführende Departement inhaltlich überrollt und danach die Regierung so rasche Entscheide fällt. Die Glaubwürdigkeit der Regierung stehe auf dem Spiel, so die CVP.

swissinfo und Agenturen

Die GPK übt gemäss Verfassung im Auftrag der eidgenössischen Räte die Oberaufsicht aus über die Geschäftsführung der Schweizer Regierung und der Bundesverwaltung, der eidgenössischen Gerichte und der anderen Träger von Aufgaben des Bundes.

Bei der Oberaufsicht handelt es sich um eine politische Kontrolle von Exekutive und Judikative durch das Parlament.

Am 23. November 2005 hat der Bundesrat erklärt, er wolle seinen Aktienanteil von 66,1% an der Swisscom verkaufen.

Am Tag darauf wurde bekannt, dass die Landesregierung der Swisscom eine Expansion in ausländische Märkte verboten hat.

Eine Übernahme der irischen Eircom wurde daher in letzter Minute vereitelt, der Aktienwert der Swisscom sank um 1,5 Mrd. Fr.

Am 2. Dezember 2005 präzisierte der Bundesrat sein Verbot von Übernahmen.

Dann wurde der Aktienanteil der Eidgenossenschaft an der Swisscom von 66,1% auf 62,45% reduziert.

Neben dem Bund gibt es 64’000 weitere Aktienbesitzer, wovon 12 je mehr als 100’000 Aktien besitzen.

Zum Vergleich: Die deutsche Regierung besitzt 37% der Deutschen Telekom, die französische 33% von France Telecom.

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