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Umwandlungssatz-Kampagnen: Stimmvolk ist ratlos

Die Schweiz wird immer älter, argumentieren die Befürworter. Keystone

Die Abstimmung vom 7. März über die Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge ist für die Rechte wie für die Gewerkschaften äusserst wichtig. Doch der intensive Propagandakampf lässt die Stimmbürger etwas ratlos zurück.

Das Schweizer Stimmvolk muss Anfang März über eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge abstimmen.

Zur Zeit liegt der Umwandlungssatz bei rund 7%. Die bürgerliche Mehrheit des Parlaments und die Regierung will ihn auf 6,4 % senken.

Bei Annahme der Vorlage werden die künftigen Rentner mit weniger Rente auskommen müssen.

Der heutige Umwandlungssatz berechtigt auf einem angesparten Kapital von CHF 100’000 zu einer jährlichen Rente vom 7000 Franken. Mit dem neuen Umwandlungssatz wären es dann nur noch 6400 Franken.

Unsicherheit oder Sicherheit?

Diese Senkung hat heftige Reaktionen unter den Linksparteien, den Gewerkschaften und den Konsumenten-Organisationen hervorgerufen. Innerhalb von drei Monaten ist es ihnen gelungen, für ein Referendum 200’000 Unterschriften zu sammeln – viermal mehr als notwendig.

Diese Kreise vertreten die Meinung, dass eine Senkung des Umwandlungssatzes im Moment nicht nötig sei. Eine solche Massnahme diene einzig der Wirtschaft und den Versicherungen, die die Pensionskassen verwalten.

“Die Verantwortlichen der Pensionskassen wollen nur soviel Geld als möglich scheffeln”, betont der sozialdemokratische Nationalrat Rudolf Rechsteiner.

Die Kürzung der Renten setze “ein Leben in Würde” der älteren Generation aufs Spiel. So bringt es die Gewerkschaft Unia auf den Punkt, die massgeblich am Zustandekommen des Referendums beteiligt war.

Für die Rechte und die Regierung ist die Senkung eine unerlässliche Massnahme, um die berufliche Vorsorge zu sichern, deren Zukunft durch die höhere Lebenserwartung und den Rückgang der Zinserträge bedroht ist.

Der Wirtschafts-Dachverband Economiesuisse schätzt, dass bei einer Ablehnung der Vorlage die Pensionskassen keine andere Wahl hätten als riskante Investitionen zu tätigen, die wiederum verhängnisvolle Konsequenzen haben könnten.

“Die Bürger können zwischen der Sicherheit und der Unsicherheit wählen”, so das Fazit von Innenminister Didier Burkhalter anlässlich der Lancierung des Abstimmungskampfs der Regierung im letzten Dezember.

Zu früher Abstimmungskampf

Dieser Abstimmungskampf wurde in der Tat ungewöhnlich früh gestartet, zumal die Abstimmung erst am 7. März stattfindet. Werbeplakate und Inserate sah man bereits Anfang Jahr, vor allem im Lager der Befürworter einer Senkung.

“Dies zeigt, dass die Wirtschaft und die bürgerlichen Parteien die Abstimmung für sehr wichtig halten”, so die Einschätzung von Thomas Milic, Politologe an den Universitäten Bern und Zürich.

Werner Hug, Journalist und Pensionskassenberater meint, dass die Anhänger einer Senkung in dieser Abstimmung ihren “Ruf” aufs Spiel setzen.

Die Gewerkschaften machen keinen Hehl daraus, dass dieses Thema ein zentraler Punkt in ihrer Politik gegen den “Abbaus des Sozialstaats” ist.

Informationsflut

Themen wie die Streitereien über die Verwaltungskosten der Pensionskassen, die Prognosen zur Sterblichkeitsrate und die Erträge des angelegten Geldes prägen den Abstimmungskampf in der Öffentlichkeit.

Hug bedauert, dass die Vertreter der Versicherungen an vorderster Front für dieses politische Anliegen kämpfen. Ihr Engagement könnte im aktuellen politischen Klima zu einem Bumerang werden.

“Ein rein sachliches Dossier verwandelt sich in ein emotionales Thema, bei dem plötzlich Managerlöhne und die Gier der Banken zur Debatte stehen”, mahnt er. Dies habe zur Folge, dass die Bürger immer weniger Lust zeigten, für ihren Entscheid die Vernunft walten zu lassen.

Auch Milic teilt diese Ansicht: die Informationsflut voller Widersprüche und mathematischer Berechnungen könnte das Volk irritieren. “Die Leute wissen immer weniger, wem sie noch vertrauen können”, fügt er hinzu.

Keine Umfrage

Es wird angenommen, dass die Befürworter der Senkung des Mindestumwandlungssatzes rund 10 Mio. Franken in den Abstimmungskampf gesteckt haben. Die Gewerkschaften ihrerseits haben ein zehnmal kleineres Budget. Sie zählen jedoch auf das Engagement ihrer Mitglieder.

Wie dem auch sei, die zwei Lager sparen nicht an Mitteln, um die Wähler zu überzeugen: Plakate, Inserate in der Presse und Online-Spiele, wie beispielsweise einen Renten-Berechner.

Doch zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwierig zu sagen, wessen Anstrengungen sich auszahlen werden. Auf Grund des zu grossen Unterschieds zwischen den Prognosen und den effektiven Resultaten bei der Abstimmung zum Minarett-Verbot hat die SRG SSR idée suisse dieses Mal auf die Dienste eines der wichtigsten Umfrageinstitute der Schweiz verzichtet.

Bekannt ist bloss eine Umfrage, die von den Gewerkschaften in Auftrag gegeben wurde. Sie zeigt, dass sich 40% der Bürger gegen eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes aussprechen und nur 12% dafür wären. Die restlichen befragten Personen waren noch unentschlossen oder wollten keine Antwort geben.

Urs Geiser, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Englischen: Christine Fuhrer)

Die Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge ist eine von drei Vorlagen vom 7. März.

Das Stimmvolk kann sich auch äussern zur Schaffung von Anwälten, die die Rechte von Tieren vor Gericht verteidigen sollen können.

Die dritte Vorlage ist ein Verfassungsartikel betreffend die Forschung am Menschen.

Aktuell ist der Umwandlungssatz für die Männer 7,05% und für die Frauen 7%.

Nach dem heutigen Gesetz muss der Mindestumwandlungssatz bis zum Jahr 2015 für Männer und Frauen 6,8% erreichen.

Wenn das Volk die Revision des Gesetzes über die berufliche Vorsorge am 7. März annimmt, wird der Satz bis ins Jahr 2016 auf 6,4 % gesenkt.

swissinfo.ch

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