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Was das internationale Genf von Obama erwartet

Hillary Clinton bei der Anhörung für ihren Posten als Aussenministerin am 13. Januar. Reuters

Wie die ganze Welt erwartet auch Genf mit seinen internationalen Organisationen viel vom neuen Präsidenten der USA. Die ersten Verlautbarungen der Obama-Administration geben Anlass zu Optimismus.

“Auch wenn die USA die dringendsten Probleme nicht alleine lösen können, so kann dies die internationale Gemeinschaft ebenso wenig ohne die USA. Die beste Art, den amerikanischen Interessen gerecht zu werden, ist es, globale Lösungen zu finden.”

Dies erklärte Hillary Clinton am 13. Januar vor der Aussenpolitischen Kommission des US-Senats anlässlich der Anhörung für ihren Posten als Aussenministerin der neuen US-Regierung.

In der gleichen Rede zeichnete Clinton auch die Grenzen dieser Öffnung: Sie erinnerte daran, dass es die erste Aufgabe der Regierung Obama sei, die Sicherheit der USA zu garantieren sowie die Interessen, die Werte, die Bürger des Landes und dessen Verbündete zu schützen.

Um Freunde bemühen

Zu den Vereinten Nationen erklärte Hillary Clinton: “Wir müssen uns auch an die UNO und andere internationale Institutionen wenden, wenn dies möglich und notwendig ist. (…) Zahlreiche US-Präsidenten haben in der Vergangenheit begriffen, dass diese Institutionen zu unserem Einfluss beitragen, wenn sie funktionieren. Und wenn sie schlecht funktionieren, müssen wir mit unseren Freunden dahin arbeiten, dass diese Institutionen wieder ihre ursprünglichen Werte vertreten.”

Der Genfer Politologe amerikanisch-schweizerischer Herkunft Daniel Warner entschlüsselt Clintons Worte: “Wie alle anderen Grossmächte und im Gegensatz zu den Kleinstaaten wie der Schweiz werden die USA die UNO benutzen, wenn diese ihren Interessen dient”, sagt der Direktor des Centre pour la gouvernance internationale des Institut de hautes études internationales et du développement.

Immerhin räumt Warner ein: “Wenigstens dürfte die neue US-Administration nicht mehr gegen die UNO arbeiten und deren Initiativen sabotieren, wie das die Bush-Regierung getan hat.”

Konsens ist gefragt

In der Tat darf man keine Revolution der amerikanischen Aussenpolitik erwarten. Der US-Schweizer Daniel Warner, selber Demokrat, betont, dass das Mitarbeiter-Team von Barack Obama zentristisch und pragmatisch sei. “Die Republikaner erklärten sich zufrieden mit dieser Equipe. Mich allerdings enttäuscht sie ein wenig.”

Andy Sundberg, Gründer der Schweizer Sektion der Demokratischen Partei in Genf und der Overseas American Academy, weist seinerseits auf das Gewicht des amerikanischen Kongresses hin.

“Das Parlament äussert sich zur Politik der Regierung und spricht sich für oder gegen die Budgets aus, die zur Verwirklichung der Regierungspolitik nötig sind.” Oder anders gesagt: Die Regierung Obama muss eher den Konsens als den Bruch suchen, dies auch in der Aussenpolitik.

“Aber die neue US-Führung anerkennt die Komplexität der Welt. Es ist die Rückkehr zur Vernunft nach Jahren der Arroganz und neokonservativer Ideologie”, sagt Sundberg.

Hoffnungen für die UNO

Als “sehr positives” Signal wertet Sundberg die Nomination von Susan Rice zur neuen UNO-Botschafterin. “Diese junge, 44-jährige Diplomatin kennt sich in der Weltpolitik und deren Subtilitäten bestens aus.”

Und Sundberg ist überzeugt, dass die derzeitige UNO-Botschafterin in Genf, “die einzig und allein wegen ihrer Verbindungen zu George Bush nominiert worden war, wie ein Drittel aller US-Botschafter”, rasch ausgewechselt werden.

Finanzielles Gewicht

Die Leiterin des Informationsdienstes der UNO in Genf, Marie Heuzé, will die Äusserungen von Warner und Sundberg nicht kommentieren. Sie verweist aber auf das Gewicht der USA in der UNO.

“Washington ist der grösste Beitragszahler (22%) an das regelmässige UNO-Budget (4 Milliarden Dollar) und an gewisse UNO-Programme und Organisationen wie das Welternährungs-Programm oder das Kinderhilfswerk Unicef”, so Heuzé.

Andy Sundberg glaubt, dass die Finanzkrise und deren Ausiwirkungen auf das US-Budget Washington nicht davon abhalten werden, weiterhin seine Beiträge an die UNO-Organisationen zu entrichten.

Für den Schweizer UNO-Botschafter Peter Maurer ist das Engagemant der USA in der UNO für das multilaterale System äusserst wichtig, wie er dies gegenüber der linken US-Zeitung The Nation sagte.

Wachsendes Gewicht der NGO

Auch die Nichtregierungs-Organisationen (NGO), die in Genf ein immer grösseres Gewicht haben, erwarten viel vom neuen US-Präsidenten und seiner Regierung.

Eine Erwartung, die sich Hillary Clinton bei ihrer Senats-Anhörung für den Posten der Aussenministerin offenbar zu Herzen genommen hat. Sie unterstrich die Wichtigkeit einer Partnerschaft mit den NGO im Kampf gegen die vielen Probleme auf dem afrikanischen Kontinent.

Dann sagte die neue Aussenministerin, die Wahrnehmung von “unten nach oben” spiele eine wichtige Rolle, damit die USA eine “positive Kraft” in der Welt blieben. “Der neu gewählte Präsident ist daveon ebenfalls überzeugt.”

Die Vertreterin von Human Rights Watch bei der UNO in Genf, Julie de Rivero, freut sich über diesen neuen Geist und unterstreicht die besonderen Erwartungen der NGO im Bereich der Menschenrechte.

“Heute geben im UNO-Menschenrechtsrat jene Länder den Ton an, welche den Menschenrechten wenig Bedeutung beimessen. Ein Situation, die sich ändern könnte, wenn die USA Mitglied des Rates würden”, sagt de Rivero.

Wahrheits-Kommission in USA

Die USA müssten aber selber ihre Praxis in dem Bereich grundsätzlich ändern und ihren vielfachen Menschenrechts-Verletzungen infolge ihres “Krieges gegen den Terrorismus” nach dem 11. September 2001 ein Ende bereiten.

Deshalb schlägt Human Rights Watch die Schaffung einer “Wahrheits- und Gerechtigkeits-Kommission” in den USA vor. Eine Kommission nach dem Modell jener Institution, die nach dem Ende der Apartheid in Südafrika gegründet wurde.

swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

Kapitol: Die Inaugurations-Zeremonie begann am Dienstag um 10 Uhr Lokalzeit (16h Schweizer Zeit) vor dem Kapitol, dem Sitz des US-Parlaments in Washington.

Vereidigung: Nach der Vereidigung des Vizepräsidenten Joe Biden legte Barack Obama kurz nach 18h Schweizer Zeit den Schwur auf die Bibel von Abraham Lincoln ab.

Rede: Darauf hielt der neue Präsident seine Eröffnungsrede, die mit Spannung erwartet worden war. Er zeigte dabei die Vision und Stossrichtung seiner Präsidentschaft auf.

Parade: Um 20h30 Schweizer Zeit begann die Parade für Barack Obama, ein Umzug mit Fanfaren aus dem ganzen Land.

Sicherheit: Über 40’000 Mitglieder von Armee und Nationalgarde standen in Washington im Einsatz.

Zuschauer: Über eine Million Zuschauende standen trotz eisiger Kälte an der Strecke und jubelten dem Defilee zu.

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