Wirrwarr vor UNO-Antirassismus-Konferenz in Genf
Die UNO-Konferenz gegen Rassismus, die am Montag in Genf begonnen hat, hat schon im Vorfeld für viel Wirbel gesorgt. Die USA, Israel, Deutschland, Italien und weitere Staaten boykottieren den Gipfel, die EU rang sich bis Sonntagabend noch zu keiner Haltung durch.
«Hassreden oder rassistische Beleidigungen sind an der UNO-Konferenz gegen Rassismus und Intoleranz in Genf verboten.»
Dieser etwas surrealistisch anmutende Aufruf stammt von Marie Heuzé, der Leiterin Kommunikation am Genfer UNO-Sitz.
Damit soll allen Teilnehmenden, darunter auch Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, eingeschärft werden, dass eine Wiederholung der Vorgänge von Durban 2001 ausser Frage stehe.
Damals kam es in Südafrika zu einem Eklat, weil in einem Resolutionsentwurf Zionismus als Rassismus bezeichnet wurde. Europäische Staaten, Israel und die USA befürchten, dass arabische Staaten die Genfer Konferenz in eine Anklage-Veranstaltung gegen Israel umfunktionieren wollen.
Einen statt Teilen
Dabei sollte man angesichts von nach wie vor weit verbreitetem Fremdenhass und rassistischer Diskriminierung meinen, der Kampf gegen Rassismus sollte die Staatengemeinschaft näher zusammenführen, statt Streit hervorzurufen.
«Das Erbe des Kolonialismus löst in den ehemals unterworfenen Ländern nach wie vor noch Frustration und Wut aus», nennt Menschenrechts-Spezialist Yves Lador einen der Gründe.
Erbe des Kolonialismus
Dies war in Durban der Fall, nachdem die Konferenz Wiedergutmachungszahlungen europäischer Länder an ehemalige Kolonien ablehnte. Dazu kommt laut Lador der Ärger darüber, dass Afrika in den internationalen Organisationen immer noch stark untervertreten ist.
Lador sieht auch die Kritik an Israel vor diesem Hintergrund. «Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern wird in den ehemals kolonialisierten Ländern als Fortsetzung des westlichen Kolonialismus angesehen.»
Ähnliches, aber aus anderer Warte, sagt auch Hillel Neuer, Direktor von UN-Watch, einer pro-israelischen NGO, die sich stark gegen die Konferenz engagierte. «Einziges Ziel solcher UNO-Konferenzen ist es, den Westen, Israel und die Meinungsäusserungsfreiheit anzugreifen», sagt er.
Verpasste Gelegenheit
Skepsis äussert auch Adrien-Claude Zoller, Leiter der NGO Genf für die Menschenrechte. «Die Tagung wird keinerlei Auswirkungen in denjenigen Bereichen haben, wo die grösste Polemik herrscht, also etwa dem israelisch-palästinensischen Konflikt.»
Die Genfer Konferenz ist allgemein als Examen der Ergebnisse von Durban und deren Umsetzungen angesetzt. Aber eine solche Analyse habe bisher kaum stattgefunden, kritisiert Zoller.
Dennoch Positives
Dennoch gibt es für Zoller auf der Genfer Traktandenliste auch Punkte, die Anlass zu Hoffnung geben. Dazu zählt er die Idee des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte, ein Observatorium gegen Rassismus zu schaffen.
«Es gibt auch Hoffnung zur Stärkung des UNO-Ausschusses gegen Rassendiskriminierung. Dieser ist ein sehr wirksames Instrument, wie auch die Einsetzung von Sonderberichterstattern durch den UNO-Menschenrechts-Rat.»
Die grössten Auswirkungen einer solchen Konferenz zeigten sich in den einzelnen Ländern, weiss Zoller. Anders gesagt: Es muss sich weisen, inwiefern die Teilnehmerstaaten die Schlussdeklaration der Genfer Konferenz umsetzen.
NGO selbstkritisch
Hier sind dann namentlich die NGO gefragt. Sie müssen genau hinschauen, welche Verbesserungen in der Folge der Genfer Konferenz die Länder erreichen.
Die NGO müssen nach Ansicht von Lador aber auch vor der eigenen Türe wischen. «Niemand hat Lust auf eine Wiederholung von Durban. Die grössten Entgleisungen gab es damals im Rahmen des offiziellen Forums für NGO», sagt Yves Lador selbstkritisch.
swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)
Durban. 2001 fand in der südafrikanischen Stadt der UNO-Gipfel gegen Rassismus statt.
Israel. An der Konferenz gab es Aufrufe zur Auslöschung Israels sowie eine Deklaration der Zivilgesellschaft, welche als antisemitisch beurteilt wurde. Israel und die USA zogen sich von den Verhandlungen zurück.
Einstimmig. Zur Rettung der Konferenz verabschiedeten die Teilnehmer einstimmug eine pro-israelische Schlusserklärung.
Folgekonferenz. Gemäss UNO-Bestimmungen wird der Durban-Gipfel an einer Folgekonferenz evaluiert. Diese findet vom 20. bis 24. April in Genf statt. Es geht um die Überprüfung, wie die Schlussresolution von 2001 umgesetzt wurde.
Boykott. Nach Israel und Kanada haben auch die USA, Australien, die Niederlande, Deutschland, Italien und Polen darauf verzichtet, eine Delegation nach Genf zu schicken.
Befürchtungen. Australien und die Niederlande gehen davon aus, dass islamistische Staaten an der Konferenz antisemitische Attacken gegen Israel starten. Insbesondere vom iranischen Präsidenten, der in Durban zur Auslöschung Israels aufgerufen hatte, wird erneut anti-israelische Polemik erwartet.
Überraschung. Am Freitag wurde der Entwurf für eine Schlusserklärung von der vorbereitenden Kommission verabschiedet. Zahlreiche Staaten zeigten sich zurückhaltend, weil sie im Text Angriffsflächen zur Einschränkung der Meinungsäusserungs-Freiheit sehen.
Errungenschaft. Das Schlussdokument erwähnt weder Israel noch die Diffamierung von Religionen – beides Punkte, welche für die Länder des Ostens ein rotes Tuch darstellen.
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