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Christoph Blocher feilt am Staatsmann-Image

Christoph Blocher an der Medienkonferenz in Zürich. Keystone

SVP-Bundesratskandidat Christoph Blocher präsentierte sich in Zürich als veritabler Staatsmann, der die politischen Spielregeln kennt und sie einhält.

Sollte er jedoch nicht gewählt werden, versprach er, mit seiner SVP eine “echte, kompromisslose Oppositionspolitik” zu betreiben.

Grosser Auftritt im schicken Kaufleutensaal in Zürich. Christoph Blocher lud zu einer internationalen Pressekonferenz. Er nahm die Gelegenheit wahr, seine Positionen ein weiteres Mal vor einem grossen Publikum darzulegen.

Blocher wirkte staatsmännisch, weltgewandt, gut vorbereitet, sehr sicher und erstaunlich konziliant. Seine neueren, sanfteren Töne haben in der Presse die Frage auftauchen lassen, ob er sich wohl in letzter Zeit hauptsächlich von Kreide ernährt habe. Diesen Vorwurf schien er entkräften zu wollen, indem er manchmal wohldosiert zu Details polterte. Dort blitzte dann der “alte” Christoph Blocher wieder auf.

Anderes Regierungsverständnis gefragt

Gemäss dem politischen Urgestein Blocher ist in der heutigen Zeit ein grundsätzlich anderes Regierungsverständnis gefragt. Wichtig dabei seien wesentlich engere Bindungen zwischen der Partei und ihren Vertretern in der Landesregierung.

Der Herrliberger Industrielle betonte, dass ihm das Kollegialitätsprinzip sehr wichtig sei. Er wolle sich, sollte er zum Bundesrat gewählt werden, daran halten. Allerdings sei er auch für mehr Transparenz. Im Bundesrat seien längst nicht alle derselben Meinung.

Genüsslich führte er darauf das kürzliche Zerwürfnis zwischen Bundespräsident Couchepin und Aussenministerin Calmy-Rey, die so genannte “Türkei-Affäre”, ins Feld. Er meinte jedoch weiter: “Ich finde es nicht schlimm, wenn man die verschiedenen Meinungen im Bundesrat kennt.”

Keine “Lumpenspiele” mehr

“Früher haben wir diese Lumpenspiele auch noch mitgemacht”, sagte Blocher und meinte damit jene “Spielchen”, bei denen ein anderer Bundesrat als der von der jeweiligen Partei vorgeschlagene in die Landesregierung gewählt worden war. Damit sei jetzt Schluss. Von nun an liege das nicht mehr drin.

Blocher äusserte sich auch vehement gegen so genannte “Zweiertickets”, also Doppelvorschläge einer Partei für einen Bundesratssitz. “Da lässt man die Bundesversammlung darüber abstimmen und ist dann für die Auswahl nicht selber verantwortlich.”

Regieren, nicht verwalten

Der Grossindustrielle sagte weiter, Bundesrat dürfe man nicht aus Karrieregründen werden. Dazu sei die Lage der Schweiz zu ernst. In den letzten 50 Jahren sei die Schweiz gut verwaltet worden – mit Geld.

Dazu führte er gleich ein paar Beispiele ins Feld: Swissair, Expo.02, Schulen ans Netz, Kinderkrippenbeiträge und die Solidaritätsstiftung. Auf diese Weise Geld ausgeben liege heutzutage einfach nicht mehr drin.

In Zukunft müsse man halt mit weniger Mitteln effizienter arbeiten. Insbesondere scheint ihm die Bundesverwaltung ein Dorn im Auge zu sein. Dort sei noch viel zu tun, zu verbessern.

Blocher ist überzeugt, dass seine Wahlchancen weiterhin bei “fünfzig-fünfzig” stehen. Im Fall seiner Wahl werde er jedes Departement annehmen: “Ich komme nicht als ausgesprochener Liebling in den Bundesrat – man wird mich nicht belohnen.”

Der streitbare Bundesratskandidat zeigte aber auch vor der Oppositionsrolle keine Angst, sollte er nicht gewählt werden: Er kündigte an, kompromisslos und hart zu politisieren, viel härter und direkter als bisher, als die SVP auch noch in die Regierung eingebunden war.

Christoph Blocher und das Alter

Ein wenig scherzend meinte der 63-Jährige, er sei jetzt 24 Jahre im Parlament – jetzt sei Halbzeit. Und ein wenig ernster: “Ich werde so lange im Bundesrat oder Nationalrat bleiben, wie man mich wählt und solange ich die Kraft dazu habe.”

Spitz bemerkte er weiter: “Im Parlament sitzen viele jüngere Leute, die schon viel älter als ich sind.” Er werde also seine Leistungsfähigkeit entweder dem Bundesrat oder der Opposition zur Verfügung stellen.

Weiter sagte Christoph Blocher: “Ich bin zu alt, um eine Diktatur einzurichten.” Da bleibt die Frage offen, was er denn täte, wenn er noch jünger wäre.

swissinfo, Etienne Strebel, Zürich

Seit 1977: Präsident der wichtigen Zürcher SVP
1975 bis 1980: Blocher sitzt im Zürcher Kantonsrat
Seit 1977: Leitung der Zürcher SVP-Kantonalpartei
Seit 1979: Mitglied im Nationalrat
Blocher ist Mitgründer und Präsident der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns).

Christoph Blocher wurde am 11. Oktober 1940 geboren. Er ist verheiratet, hat 3 Töchter und einen Sohn. Nach dem Erlernen des Bauernberufes studierte er Recht an den Universitäten Zürich, Montpellier und Paris. Als Unternehmer schaffte Blocher den steilen Aufstieg zum Hauptaktionär und Verwaltungsratspräsidenten der Ems-Chemie.

Kein Schweizer Politiker hat die öffentliche Meinung in den letzten Jahren derart gespalten wie Christoph Blocher. Der Zürcher SVP-Nationalrat tritt einerseits als weltgewandter Grossindustrieller, andererseits als hemdsärmeliger Politiker auf. Er politisiert kompromisslos konservativ, ist gegen den Anschluss der Schweiz an Europa und gegen die seiner Ansicht nach zu hohe Ausländerzahl in der Schweiz.

Der in Herrliberg am rechten Zürichseeufer lebende Blocher hat angekündigt, dass er im Falle einer Wahl in den Bundesrat aus seinem Unternehmen aussteigen und seine Anteile seinen Kindern vererben würde.

Seine älteste Tochter, die 34-jährige Magdalena Martullo, ist Vizepräsidentin der Ems Chemie Holding. Ihr Bruder Markus ist ebenfalls in der Firma aktiv.

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