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Chronik der Swissair-Krise

Die Swissair Group steckt seit Anfang Jahr in einer schweren Existenzkrise, weil Managementfehler das Traditions-Unternehmen an den Rand des Bankrotts gebracht haben. Die Terroranschläge in den USA haben die Lage dramatisch zugespitzt. Nachstehend die wichtigsten Etappen des Debakels im Zeitraffer:

– 23. Januar: SAirGroup-Konzernchef Philippe Bruggisser wird fristlos entlassen. Verwaltungsratspräsident Eric Honegger übernimmt die Konzernleitung, Crossair-Chef Moritz Suter das Fluggeschäft. Beat Schär wird Swissair-Chef.
– 3. Februar: Paul Reutlinger, Ex-Chef der belgischen Sabena und Verantwortlicher der französischen Beteiligungen, tritt zurück.
– 14. Februar: Marc Rochet wird Reutlinger-Nachfolger.
– 7. März: Suter tritt als Fluggeschäftschef zurück.
– 9. März: Neun von zehn SAirGroup-Verwaltungsräten erklären den Rücktritt in zwei Etappen bis April 2002. Honegger will noch ein Jahr Präsident, Nestlé-Finanzchef Mario Corti über 2002 hinaus im Amt bleiben.
– 16. März: Corti löst Honegger als Verwaltungsratspräsident und Konzernchef ab.
– 2. April: Corti gibt einen Jahresverlust von 2,9 Mrd. Franken für 2000 bekannt.
– 23. April: Die Swissotel-Kette wird für 410 Mio. Franken an Raffles in Singapur verkauft. Honegger begnügt sich im Streit um Abgangsmodalitäten mit einem Jahresgehalt.
– 25. April: Die SAirGroup-Generalversammlung bewilligt eine Sonderprüfung und erteilt einzig Corti die Entlastung fürs Geschäftsjahr 2000. Der Konzern wird in Swissair Group umgetauft. Drei Grossbanken stellen eine Kreditlinie von einer Mrd. Franken bereit.
– 23. Mai: Finanzchef Georges Schorderet wird die Texanerin Jacqualyn Fouse von Nestle ersetzt.
– 5. Juni: Das Sparprogramm “Change” soll bis Ende Jahr mindestens 500 Mio. Franken Kosten sparen.
– 15. Juni: AOM/Air Liberté deponieren die Bilanzen. Die Swissair stellt die finanzielle Unterstützung ein, weil sich die Hauptaktionärin Marine-Wendel nicht an der Sanierung beteiligt.
– 19. Juni: Flightlease zieht sich aus dem Leasing-Geschäft für Dritte zurück. Nachlassstundung für AOM/Air Liberté.
– 29. Juni: Die Swissair-Beteiligung an der französischen Air Littoral wird von deren Ex-Chef Marc Dufour übernommen.
– 12. Juli: Corti präsentiert das Sanierungsprogramm für die Swissair-Group. Auf einen massiven Stellenabbau wird vorerst verzichtet.
– 17. Juli: Belgien und Swissair einigen sich auf eine weitere Finanzspritze von 650 Mio. Franken, von der die Swissair 60% beziehungsweise 390 Mio. Franken übernimmt. Dafür wird sie aus der Verpflichtung entlassen, ihre Beteiligung auf 85% aufzustocken.
– 27. Juli: Ein französisches Handelsgericht stimmt der Übernahme der bankrotten Fluggesellschaft AOM/Air Liberté durch das Projekt Holco des Air-France-Piloten Jean-Charles Corbet zu.
– 9. August: Begleitet von einer Serie von Streiks stellt die Sabena einen neuen Sanierungsplan mit dem Abbau von 1’600 Stellen vor.
– 30. August: Corti gibt einen Halbjahresverlust von 234 Mio. Franken bekannt und kündigt den Abbau von 1’250 Stellen an. Die Schuldenlast wird auf 15 Mrd. Franken nach oben korrigiert. Das Eigenkapital ist auf 555 Mio. Franken geschrumpft. Aus Geldnot müssen entgegen ursprünglichen Plänen auch die profitablen Töchter Swissport und Nuance verkauft werden. Corti bekräftigt, dass er die Sanierung ohne Kapitalschnitt und Bundeshilfe durchziehen will.
– 5. September: Der Bundesrat schliesst staatliche Hilfe aus.
– 11. September: Die Terroranschläge in den USA zwingen die Swissair zum Unterbruch des Nordatlantikverkehrs. An der Börse setzt ein dramatischer Kurssturz ein.
– 17. September: Corti spricht bei Villiger vor. Im Parlament wird eine Bundeshilfe neu thematisiert.
– 20. September: Swissair beziffert die Verluste wegen des Unterbruchs im Nordatlantikverkehr auf 65 Mio. Franken und erwartet einen Einbruch beim Passagieraufkommen von bis zu 15%.
– 21. September: Der Bundesrat schliesst eine Bundeshilfe nicht mehr aus. Voraussetzungen sind ein Erfolg versprechender Sanierungsplan und die Führungsrolle der Wirtschaft bei der dringend nötigen Rekapitalisierung.
– 22. September: An einem Krisengipfel beschliessen die Bundesräte Leuenberger und Villiger, Corti und economiesuisse-Chef Leuenberger, Ulrich Bremi mit der Geldsuche für die Rekapitalisierung zu beauftragen.
– 24. September: Corti stellt den neuen Sanierungsplan vor. Swissair und Crossair werden zusammengelegt. Neuer Chef des Fluggeschäfts wird Crossair-Chef André Dosé. Tausende von Stellen sollen gestrichen werden.
– 28. September: Bremis 21-köpfige Arbeitsgruppe mit hochkarätigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft lässt sich an ihrer ersten Sitzung von Corti über die Lage orientieren. Es wird vereinbart, dass Corti dem Gremium am 9. Oktober Vorschläge im Hinblick auf eine mögliche Rekapitalisierung unterbreiten soll. Im Fernsehen macht Corti deutlich, dass der Swissair das Geld auch kurzfristig ausgeht und die Lohnzahlungen für Oktober noch nicht gesichert sind.
– 30. September: Die Swissair Group beziffert die zusätzlichen Folgekosten der Terroranschläge vom 11. September für dieses und nächstes Jahr auf mehrere Mrd. Franken. Ohne Staatshilfe sieht sich die Swissair nicht in der Lage, diese Kosten zu bewältigen. Die Airline gelangt deshalb erneut an den Bundesrat.

swissinfo und Agenturen

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