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Chronik der Swissair-Krise

Die Krise um die Zukunft der Schweizer Luftfahrt ist im vergangenen Januar offen ausgebrochen. Nachstehend eine Chronik der wichtigsten Ereignisse, die sich seit den Terroranschlägen vom 11. September in den USA überstürzten:

– 23. Januar: SAirGroup-Konzernchef Philippe Bruggisser wird fristlos entlassen. Verwaltungsratspräsident Eric Honegger übernimmt die Konzernleitung, Crossair-Chef Moritz Suter das Fluggeschäft. Beat Schär wird Swissair-Chef.

– 7. März: Suter tritt als Chef des Fluggeschäfts zurück.

– 9. März: Neun von zehn SAirGroup-Verwaltungsräten erklären den Rücktritt in zwei Etappen bis April 2002. Honegger will noch ein Jahr Präsident, Nestle-Finanzchef Mario Corti über 2002 hinaus im Amt bleiben.

– 16. März: Corti löst Honegger als Verwaltungsratspräsident und Konzernchef ab.

– 2. April: Corti gibt einen Jahresverlust von 2,9 Milliarden Franken für 2000 bekannt.

– 23. April: Die Swissotel-Kette wird für 410 Millionen Franken an Raffles in Singapur verkauft. Honegger begnügt sich im Streit um Abgangsmodalitäten mit einem Jahresgehalt.

– 25. April: Die SAirGroup-Generalversammlung bewilligt eine Sonderprüfung und erteilt einzig Corti die Entlastung für das Geschäftsjahr 2000. Der Konzern wird in Swissair Group umgetauft. Drei Grossbanken stellen eine Kreditlinie von einer Milliarde Franken bereit.

– 23. Mai: Finanzchef Georges Schorderet wird durch die Texanerin Jacqualyn Fouse von Nestle ersetzt.

– 5. Juni: Das Sparprogramm “Change” soll bis Ende Jahr mindestens 500 Millionen Franken Kosten sparen.
– 15. Juni: AOM/Air Liberte deponieren die Bilanzen. Die Swissair stellt die finanzielle Unterstützung ein, weil sich die Hauptaktionärin Marine-Wendel nicht an der Sanierung beteiligt.

– 19. Juni: Flightlease zieht sich aus dem Leasinggeschäft für Dritte zurück. Nachlassstundung für AOM/Air Liberte.

– 29. Juni: Die Swissair-Beteiligung an der französischen Air Littoral wird von deren Ex-Chef Marc Dufour übernommen.

– 12. Juli: Corti präsentiert das Sanierungsprogramm für die Swissair-Group. Auf einen massiven Stellenabbau wird vorerst verzichtet.

– 17. Juli: Belgien und Swissair einigen sich auf eine weitere Finanzspritze von 650 Millionen Franken, von der die Swissair 60 Prozent beziehungsweise 390 Millionen Franken übernimmt. Dafür entfällt ihre Verpflichtung, ihre Beteiligung auf 85 Prozent aufzustocken.

– 27. Juli: Ein französisches Handelsgericht stimmt der Übernahme der bankrotten Fluggesellschaft AOM/Air Liberte durch das Projekt Holco des Air-France-Piloten Jean-Charles Corbet zu.

– 9. August: Begleitet von einer Serie von Streiks stellt die Sabena einen neuen Sanierungsplan mit dem Abbau von 1.600 Stellen vor.

– 30. August: Corti gibt einen Halbjahresverlust von 234 Millionen Franken bekannt und kündigt den Abbau von 1’250 Stellen an. Die Schuldenlast beläuft sich auf rund 15 Milliarden Franken. Aus Geldnot müssen auch die profitablen Töchter Swissport und Nuance verkauft werden. Corti bekräftigt, dass er die Sanierung ohne Kapitalschnitt und ohne Bundeshilfe durchziehen will.

– 5. September: Der Bundesrat schliesst staatliche Hilfe aus.

11. September: Die Terroranschläge in den USA zwingen die Swissair zum Unterbruch des Nordatlantikverkehrs. An der Börse setzt ein dramatischer Kurssturz ein.

– 17. September: Corti spricht bei Villiger vor. Im Parlament wird eine Bundeshilfe neu thematisiert.

– 20. September: Swissair beziffert ihre ersten Verluste wegen des Unterbruchs im Nordatlantikverkehr auf 65 Millionen Franken und erwartet einen Einbruch beim Passagieraufkommen um 15 Prozent.

– 21. September: Der Bundesrat schliesst eine Bundeshilfe nicht mehr aus. Voraussetzungen sind ein erfolgversprechender Sanierungsplan und die Führungsrolle der Wirtschaft bei der Rekapitalisierung.

– 22. September: An einem Krisengipfel wird Ulrich Bremi mit der Geldsuche für die Rekapitalisierung beauftragt.

– 24. September: Corti stellt den neuen Sanierungsplan vor. Swissair und Crossair werden zusammengelegt. Neuer Chef des Fluggeschäfts wird Crossair-Chef Andre Dose. Tausende von Stellen sollen gestrichen werden.

– 30. September: Die Swissair Group beziffert die zusätzlichen Folgekosten der Terroranschläge vom 11. September für dieses und nächstes Jahr auf mehrere Milliarden Franken. Ohne Staatshilfe sieht sich die Swissair nicht in der Lage, diese Kosten zu bewältigen. Die Airline gelangt erneut an den Bundesrat. Die beiden Grossbanken signalisieren eine Milliardenzusage für eine Lösung, die auf die Übernahme der Swissair durch die Crossair hinausläuft.

– 1. Oktober: Die Grossbanken übernehmen die von der Holding gehaltenen 70 Prozent der Crossair und stellen 1,35 Milliarden Franken für eine neue, kleinere Fluggesellschaft zur Verfügung. 2.560 Swissair-Angestellte verlieren ihren Job. Zwei Drittel des Flugbetriebs der Swissair gehen an die Crossair. Zahlungen an die Ausland-Beteiligungen werden eingestellt.

– 2. Oktober: Das Swissair-Debakel wird zur nationalen Katastrophe. Die Grossbanken zwingen die Swissair-Flotte mit einer verzögerten Geldüberweisung auf den Boden. 18.000 Passagiere sitzen weltweit fest. Bundesrat, Parteien und Gewerkschaften zeigen sich empört. Die Banken schweigen.

– 3. Oktober: Der Bund übernimmt die Rolle des Flughelfers. Er stellt 450 Millionen Franken zur Verfügung und ermöglicht es damit der Swissair, den Flugverkehr wieder aufzunehmen. Erleichterung dominiert die Reaktionen, die UBS setzt sich gegen Vorwürfe zur Wehr.

– 4. Oktober: Die SAirGroup reicht die Gesuche um Nachlassstundung ein. Sie betreffen die SAirGroup Holding, SAirLines, Swissair AG und Flightlease. Im Eidgenössischen Parlament wird das Verhalten von UBS und Credit Suisse als zynisch und menschenverachtend kritisiert. Der Bundesrat wird für sein Handeln mehrheitlich gelobt.

– 5. Oktober: Die Swissair erhält provisorischen Gläubigerschutz.

– 8. Oktober: Swissair und Crossair wollen beim Aufbau einer neuen Schweizer Fluggesellschaft am gleichen Strick ziehen und zwei Drittel der Swissair-Flotte retten. Bei der Catering-Tochter Gate Gourmet wird die Entlassung von 250 Vollzeit- und 170 Teilzeitangestellten in Zürich angekündigt.

– 10. Oktober: Der Flughafen Zürich-Kloten will Teile von Swissair- Tochtergesellschaften übernehmen, um die Grundversorgung in eigener Regie garantieren zu können. Laut Unique-Direktor Josef Felder bestehen Vorverträge mit Swissport und Atraxis. Auch Teile von SR Technics hat man im Visier.

– 11. Oktober: Die Schweiz muss sich wegen des Swissair-Debakels auf beispiellose Massenentlassungen gefasst machen. Gewerkschaften und Behörden äussern diese Befürchtung für den Fall, dass das Konzept der neuen Airline massiv zusammengestrichen wird. Ein Rettungssignal aus den USA bleibt vage.

– 12. Oktober: Die Bundesratsparteien einigen sich mit Ausnahme der SVP auf eine gemeinsame Linie für den Ausweg aus dem Swissair-Debakel. Eine neue Airline mit Interkontinentalverbindungen soll mit subsidiärer Minderheitsbeteiligung des Bundes aufgebaut werden. Der provisorische Sachwalter Karl Wüthrich stoppt einen Überbrückungskredit der Banken von 250 Millionen Franken für die flugnahen Betriebe der Swissair-Gruppe. Die Sonderprüfung soll aufgeschoben werden.

– 14. Oktober: Die Zukunft des Schweizer Luftverkehrs bleibt in der Schwebe. Innerhalb von Tagen muss sich entscheiden, ob sich gegen vier Milliarden Franken für eine nationale Airline und die Aufrechterhaltung des Hubs in Zürich-Kloten finden lassen. Mittelwege gibt es nach Darstellung der Beteiligten nicht mehr.

– 22. Oktober: Der Tag der Entscheidung: Nach tagelangen Verhandlungen geben Bundesrat, Wirtschaft und Kantone die Leitplanken für die Finanzierung einer neuen schweizerischen Airline bekannt. Die öffentliche Hand beteiligt sich mit gut einem Drittel an der notwendigen Kapitalerhöhung von 2,74 Milliarden Franken. Dazu schiesst der Bund eine Milliarde für die Überbrückungs-Finanzierung der Swissair im Winterflugplan ein.


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