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Das grosse Potential der Ausländer

Die aus der Türkei stammenden Brüder Hakan und Murat Yakin stürmen und verteidigen für die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft. Keystone

Was wären Fussball, Wirtschaft oder Wissenschaft in der Schweiz ohne den Beitrag der Ausländer? Eine Würdigung dieser Verdienste - vor der Abstimmung vom 26.September.

Die Gegner der Vorlage sprechen von einem Ausverkauf der Staatsbürgerschaft, doch wird der Schweizer Alltag von Immigranten mitgeprägt.

Wenn die Schweizer Nationalmannschaft spielt, sind die Ränge mit Fans in rot-weissen Farben besetzt. Hemden, Wimpel, selbst in Nationalfarben bemalte Gesichter: Die Vaterlandsliebe findet hier ihren Ausdruck.

Die Spieler, die in den rot-weissen Farben aufs Feld ziehen, heissen Bernt Haas, Johann Vogel, Stéphane Henchoz, aber auch Hakan Yakin, Milaim Rama, Fabio Celestini, Ricardo Cabana; vor einigen Jahren gab es Ciriaco Sforza oder Kubilai Türkylmaz.

Die Namen dieser Spieler verweisen auf eine Herkunft, die nichts Schweizerisches hat. Doch die Spieler sind als Kinder von Emigranten zumeist in der Schweiz aufgewachsen, besitzen den Schweizer Pass und tragen zum Erfolg dieser Sportart bei.

Im Fussball ist die Rolle der Immigranten augenfällig. Nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch hinter den Kulissen. Gigi Oeri beispielsweise ist Vizepräsidentin des FC Basel, der einzigen Mannschaft, die in den letzten Jahren über die nationalen Grenzen hinaus bekannt wurde. Die gebürtige Deutsche ist Erbin eines Wirtschaftsimperiums, das mit der chemischen Industrie in Basel verbandelt ist. Erst seit 1987 hat sie den Schweizer Pass.

Es kann ganz schnell gehen

Es ist bekanntlich nicht ganz einfach, den Schweizer Pass zu erhalten. “Die Schweizer Staatsbürgerschaft bringt viel mehr Rechte und Pflichten mit sich als eine Staatsbürgerschaft in anderen Ländern”, sagt etwa Bundesrat Christoph Blocher.

Der Justizminister, der die rechts-konservative Schweizerische Volkspartei (SVP) in der Landesregierung vertritt, gehört seit jeher zu den Skeptikern im Lande. Seine Partei sieht in der Reform zur Einbürgerung, über die am 26.September abgestimmt wird, den “Ausverkauf” eines Privilegs.

Tatsächlich gehören die Bedingungen zum Erwerb der Staatsbürgerschaft in der Schweiz zu den restriktivsten in Europa. Und doch gibt es manchmal erstaunliche Ausnahmen. Beispielsweise der Ausnahmeathlet Don-Hua Li, der bei den Olympischen Spielen in Atlanta eine Medaille gewann. Der mit einer Schweizerin verheiratete Chinese hat exakt die nötigen fünf Ehejahre gebraucht, bis er seine neue Heimat in internationalen Wettbewerben vertreten konnte – keinen Tag länger.

Die Schweizer Tenniskönigin Martina Hingis, die über Jahre alle internationalen Turniere gewann, ist eine Tochter slowakischer Immigranten. Sie erhielt den Schweizer Pass problemlos. Kurz gesagt: Ausnahmeerscheinungen haben bei der Einbürgerung gewisse Vorteile. Und dies gilt nicht nur für den Sport.

Der Hauch des Geldes

Für die Schönen und Reichen dieser Welt sind die Tore zur Staatsbürgerschaft weit geöffnet: Der französische Schauspieler Alain Delon ist vor kurzem in seiner Wahlheimat eingebürgert worden. Auch Ernesto Bertarelli, Manager eines Biotechnologie-Konzerns in der Westschweiz, hat kürzlich seinen Antrag auf den Schweizer Pass gestellt. Als Gegenleistung hat der 39-jährige italienische Milliardär die Schweiz mit dem Triumph von Alinghi im Segeln belohnt.

Schaut man in der Geschichte etwas zurück, trifft man unweigerlich auf Henri Nestlé. Der gebürtige Frankfurter kam 1833 in die Schweiz und gründete den heute grössten Nahrungsmittelkonzern der Welt.

Nahrungsmittel wie Schokolade und Kaffe waren auch für Klaus J. Jakobs ein Thema. Als Erbe eines gleichnamigen deutschen Unternehmens kam er 1972 in die Schweiz und weitete sein Reich aus. Im Alter von 68 Jahren verkaufte er sein Imperium und geniesst seither die Pension. Auch er besitzt seit über 20 Jahren den Schweizer Pass.

Der weltbekannte Schriftsteller Hermann Hesse stammt aus Deutschland. Er siedelte ins Tessin über, wurde eingebürgert und erhielt den Nobelpreis für Literatur als Schweizer Bürger. Ähnlich erging es einem weiteren Nobelpreisträger, nämlich Albert Einstein. Er arbeitete am Patentamt in Bern und an der ETH Zürich, bevor er in die Vereinigten Staaten übersiedelte.

Die Kraft der Kreativität

Auch ein nationales Aushängeschild wie die Zirkusfamilie Knie hat ausländische Wurzeln. Die Dynastie der Künstler und Tierbändiger stammt aus Österreich, übrigens genauso wie Ulrich Bally, unter dessen Nachnamen heute eine Firma bekannt ist, die als Inbegriff des schweizerischen Qualitätsschuhs gilt.

Nicht vergessen darf man schliesslich Nicolas Hayek. Der Erfinder von Swatch, einem Amalgam von Plastik mit Schweizer Qualität, hat libanesische Wurzeln. Gleichwohl ist er ein Protagonist der helvetischen Uhrenindustrie geworden.

Mit der Reform, über die am 26.September abgestimmt wird, sollten jedoch auch die Kinder eines italienischen Maurers oder einer serbischen Kellnerin klarere Regeln und damit bessere Chancen auf eine schweizerische Staatsbürgerschaft erhalten. Das Schweizer Volk hat es in der Hand, den Beitrag der vielen Ausländer zu belohnen, deren Verdienste im Abseits des grossen Rampenlichts erfolgen.

swissinfo, Daniele Papacella
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Die Immigranten haben die Schweizer Identität mitgeprägt. Es gibt viele Beispiele berühmter Einwanderer. Die grosse Mehrheit ist jedoch namenlos.

Das vom Eidgenössischen Parlament ausgearbeitete Gesetz gleicht auf Bundesebene die Verfahren für die Einbürgerung an.

Das Stimmvolk befindet am 26.September darüber, ob den Kindern aus der zweiten und dritten Generation die erleichterte Einbürgerung gewährt wird.

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