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Deiss findet Wolfowitz “durchaus offen”

Joseph Deiss hatte mit Paul Wolfowitz einen Schweiz-Kenner als Gesprächspartner. Keystone

An den Treffen von Währungsfonds und Weltbank unterhielt sich Joseph Deiss mit Paul Wolfowitz, dem umstrittenen neuen Weltbank-Präsidenten.

Die Schweiz ist mit den USA einig, dass das Gold der Weltbank nicht für die Schuldentilgung der ärmsten Länder verkauft werden soll.

Bundesrat Joseph Deiss hat sich am Samstag in Washington während fast einer halben Stunde mit Paul Wolfowitz unterhalten. Der gegenwärtige US-Vizeverteidigungsminister soll seine Aufgabe als Präsident der Weltbank (WB) am ersten Juni antreten.

Wolfowitz ist äusserst umstritten: Er hatte eine wichtige Rolle inne im zweiten amerikanischen Krieg gegen den Irak und ihm wird vorgeworfen, den Multilateralismus zu verachten.

Auf den Schweizer Volkswirtschaftsminister machte der Falke aus dem Pentagon einen guten Eindruck. “Ich glaube Wolfowitz ist durchaus offen und hat entschieden, in die Richtung zu gehen, die uns wichtig scheint”, sagte Deiss gegenüber swissinfo zum Treffen mit dem neuen WB-Präsidenten.

Weltbank soll multilateral bleiben

Deiss habe Wolfowitz wissen lassen, dass die Schweiz hoffe, dass dessen fünfjährige Amtszeit an der Spitze der weltgrössten Entwicklungs-Organisation im Zeichen von “zentralen Punkten” stehen werde, wie sich der Bundesrat ausdrückte.

Zu diesen Punkten gehören eine Kontinuität der Politik seines Vorgängers James Wolfensohn, Dezentralisierung der Arbeit der WB-Angestellten vor Ort, vor allem in den Ländern des Südens und eine enge Partnerschaft mit Nichtregierungs-Organisationen (NGO).

Die Kritiker von Wolfowitz fürchten, dass die Weltbank unter seiner Leitung zu einer Verlängerung der amerikanischen Aussenpolitik werde. Auch Deiss unterstrich gegenüber Wolfowitz die Ansicht der Schweiz, dass die WB eine wirklich multilaterale Organisation bleiben müsse.

Wolfowitz machte Ferien im Graubünden

“Es war wichtig für mich zu erfahren, dass sein Engagement in eine Richtung zielt, dass die Organisation multilateral und so arbeiten soll, wie es im Interesse aller Mitgliedsländer ist, jenen die Hilfe erhalten und auch den Geberländern”, betonte Deiss. Er haben in allen Punkten genügende Zusicherungen erhalten.

“Ich habe den Eindruck, er ist offen genug, dass eine Zusammenarbeit aufgebaut werden kann”, zeigte sich Deiss zuversichtlich und beschrieb die rechte Hand von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gar als Schweiz-Liebhaber: “Er hat bewiesen, dass er die Schweiz gut kennt, an einem Punkt hat er auf Rumantsch eine Inschrift zitiert, die an einem Haus im Dorf Mathon im Kanton Graubünden steht: ‘Respekt vor Gott ist der Anfang der Weisheit’.” Wolfowitz habe dies während Ferien in der Schweiz aufgeschnappt.

Keine Entschuldung durch Gold-Verkauf

Das kniffligste Dossier mit dem sich Wolfowitz beschäftigen muss, ist die Schuldentilgung der ärmsten Länder. Diese Frage dominierte erneut die traditionellen Frühlingstreffen in der amerikanischen Hauptstadt, aber auch diesmal wurde keine Antwort gefunden.

“Es gab keine Einigung, weder über die Länder, die von einer weiteren Entschuldung profitieren sollen, noch wie diese finanziert werden soll”, erklärte Bundesrat Hans-Rudolf Merz, der mit Deiss die Schweizer Delegation anführt.

Kerosin-Steuer nicht spruchreif

Einig ist sich die Schweiz mit den Vereinigten Staaten, dass ein Schuldenerlass nicht durch den Verkauf von Goldreserven der Weltbank gedeckt werden soll, wie es insbesondere Grossbritannien vorschlägt. “Wir dürfen keinesfalls die finanzielle Position der Weltbank schwächen”, gab der Schweizer Finanzminister zu bedenken.

Nur laue Unterstützung hatte die Schweizer Delegation auch für den Vorschlag von Frankreich und Deutschland, den Schuldenerlass durch eine spezielle Steuer auf Kerosin oder Flugbillete zu finanzieren. Während Deiss sagte, die Schweiz sei an diesem Modell “interessiert”, unterstrich Merz, dass “die Dinge noch nicht genügend entwickelt seien, vor allem in Bezug auf die Kerosin-Steuer”.

swissinfo, Marie-Christine Bonzom in Washington
(Übertragung aus dem Französischen von Philippe Kropf)

In Washington finden dieses Wochenende die Frühjahrs-Treffen vom internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (WB) statt.

Die Schweizer Delegation wird vom Finanzminister Hans-Rudolf Merz und Volkswirtschaftsminister Joseph Deiss angeführt.

Begleitet werden sie vom Nationalbank-Präsidenten Jean-Pierre Roth.

Deiss traf den umstrittenen neuen WB-Präsidenten Paul Wolfowitz.

Der IWF-Direktor Rodrigo de Rato hat am Samstag vor einer “abrupten Korrektur” der Finanzmärkte gewarnt, wenn die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft nicht verkleinert würden.

Damit meinte Rato die Budget- und Handelsdefizite der USA, die enormen Unterschiede im Wachstum zwischen den grössten Wirtschaftsräumen und die unterschiedlichen Zins-Niveaus auf der ganzen Welt.

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