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Deiss relativiert EU-Fahrplan

Bundesrat Joseph Deiss hört sich in Lugano nachdenklich die Kritik am EU-Fahrplan des Bundesrats an. Keystone

Nach dem massiven Nein zur Initiative "Ja zu Europa" relativiert der Bundesrat seinen Fahrplan für die Aufnahme von Beitritts-Verhandlungen mit der EU. Ein "Zeitfenster 2003-2007" sei nicht von zentraler Bedeutung, sagte Aussenminister Joseph Deiss am Mittwoch (07.03.) im Ständerat.

Der Aussenpolitische Bericht 2000 war im Ständerat Anlass für eine europa-politische Standortbestimmung. Im Bericht schreibt der Bundesrat, dass er den EU-Beitritt so weit vorbereiten werde, dass er spätestens in der nächsten Legislaturperiode über die Aufnahme von Beitritts-Verhandlungen entscheiden könne.

Nach dem deutlichen Volksnein vom letzten Sonntag (04.03.) hatte der Präsident der Aussenpolitischen Kommission (APK), Bruno Frick (CVP/SZ), den Aussenminister aufgefordert, Zugzwang und Zeitdruck vom Bundesrat wegzunehmen. Mit der “etwas gewundenen” Aussage habe Deiss diesen Wunsch erfüllt, sagte Frick auf Anfrage.

Innenpolitische Unterstützung fehlt

Für die Aufnahme von Beitritts-Verhandlungen müssten verschiedene Bedingungen erfüllt sein, erklärte Deiss: Es brauche Erfahrungen mit den bilateralen Abkommen, vertiefte Kenntnisse über die Auswirkungen eines EU-Beitritts, innere Reformen und eine breite innenpolitische Unterstützung.

Es sei heute klar, dass diese Bedingungen “in absehbarer Zeit” nicht zu erfüllen seien, sagte Deiss. Das Volksverdikt vom 4. März habe die Sache nicht beschleunigt, sondern verzögert. Das Jahr 2007 sei kein “Verfalldatum”. Der Bundesrat beurteile die Lage regelmässig neu.

Kritik an Deiss

Mehrere Ratsmitglieder kritisierten den Auftritt von Aussenminister Deiss am Abstimmungstag. Der Bundesrat habe es verpasst, in staatsmännischer Weise eine Brücke zu den EU-Skeptikern zu schlagen, ohne die eine EU-Abstimmung nie zu gewinnen sei, sagte Hans-Rudolf Merz (FDP/AR). Merz sprach von einer “grotesken” Verkennung der 77-Prozent-Neinrealität.

Nach Meinung von Rico Wenger (SVP/SH) sollte das Europakapitel zurückgewiesen werden. Der Bundesrat müsse sich aus seinem selbst gewählten Gefängnis befreien und das EU-Beitrittsziel beerdigen.

Maximilian Reimann (SVP/AG) verlangte, dass der Bundesrat das «unselige» Beitrittsgesuch von 1992 zurückziehe, das nur seine Verhandlungsposition schwäche. Philippe Stähelin (CVP/SH) und Frick warnten dagegen, mit dem Rückzug eine Option auszuschliessen und formell mit der EU zu brechen.

Der Ständerat nahm mit 25 zu 13 Stimmen vom ansonsten nur gerühmten Aussenpolitischen Bericht in neutralem Sinne Kenntnis. Damit blieb er auf seiner Linie. Die Minderheit hätte in zustimmendem Sinne Kenntnis nehmen und damit das EU-Beitrittsziel des Bundesrates unterstützen wollen.

swissinfo und Agenturen

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