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Der Cervelat ist dem Parlament nicht Wurst

Die Parlamentarier wollen die Zukunft der Schweizer Nationalwurst sichern. Ex-press

Die Rettung des Cervelat beschäftigt auch das Parlament: Der Ständerat hatte am Donnerstag einen entsprechenden Vorstoss zu beraten.

Eine schnelle Lösung für die Schweizer Nationalwurst ist nicht in Sicht – doch gemäss Wirtschaftsministerin Doris Leuthard gibt es ein Notfallkonzept.

Die Diskussion zur Rettung des Cervelat hält an: Langfristiges Ziel ist es, die Därme des brasilianischen Zebu-Rindes, aus welchen die Cervelat-Haut hergestellt wird, wieder importieren zu können. Auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen soll das BSE-Risiko neu eingeschätzt werden.

Anschliessend könnte auf europäischer Ebene ein Wiedererwägungsgesuch gestellt werden. All dies brauche Zeit, sagte Wirtschaftsministerin Leuthard am Donnerstag im Ständerat zu einer Interpellation des Freisinnigen Rolf Büttiker, Ständerat und Präsident des Schweizerischen Fleischfachverbandes.

Plan B: Gerade Wurst

Die Vorräte an Wursthäuten reichen aber voraussichtlich nur noch bis Ende des Jahres. Deshalb brauche es einen “Plan B”, sagte Leuthard. Konkret: Die Wursthüllen dürften zumindest vorübergehend aus alternativen Materialien wie künstlichen Därmen hergestellt werden.

Dies würde dazu führen, dass der Cervelat weniger gut schälbar wäre – oder weniger krumm. Für Leuthard keine Tragödie: Den Konsumentinnen und Konsumenten sei zuzumuten, eine geradere Cervelat zu konsumieren, sagte sie.

Ode an den Cervelat

Fleischverbandspräsident Büttiker rief seinerseits dazu auf, die Problematik nicht zu unterschätzen – und setzte zur Ode an den Cervelat an: Im Rinderdarm stecke eine Mischung aus Einfachheit, Bodenständigkeit, Lagerfeuerromantik und Nationalstolz. Der Cervelat werde in der Baubaracke gegessen und im Pfadfinderlager.

Die Antwort des Bundesrates auf seine Interpellation zeige, dass man von einer Lösung noch weit entfernt sei. Der Zeitbedarf von mindestens zwei Jahren dürfe aber nicht als gottgegeben hingenommen werden, auch wenn das Cervelat-Problem für die Europäische Union nicht das wichtigste sei. “Man muss dafür sorgen, dass die Dinge so kommen, wie man sie haben möchte.”

BSE-Gefahr im Darm

Der christlichdemokratische Hansruedi Stadler gab zu bedenken, dass bei aller Liebe zum Cervelat nicht vergessen werden dürfe, warum der Import der Rinderdärme verboten worden sei: “Unser geliebter Cervelat darf uns nicht Wurst sein. Aber es geht um Gesundheitsschutz.”

Per 1. April 2006 hatte die EU wegen BSE-Gefahr ein Importverbot für Rinderdärme aus Brasilien verhängt. Brasilien muss seine Rinderdärme seither vernichten – wie alle europäischen Länder auch. Die Schweiz hat sich im Rahmen der bilateralen Verträge dem EU-Verbot angeschlossen.

160 Millionen Cervelats

Der Fleischfachverband gründete in der Folge zusammen mit dem Bundesamt für Veterinärwesen, den Grossverteilern sowie den Schweizer Darmhändlern eine “Task Force” zur Rettung der Cervelat.

Der Darm des Zebu-Rindes ist für die Herstellung der Cervelat-Hülle ideal. Die Eignung alternativer Materialien beurteilt die Fleischbranche skeptisch. Es geht um 30% der Wurstwarenproduktion: In der Schweiz werden jährlich rund 160 Millionen Cervelats verspiesen.

swissinfo und Agenuturen

Der Cervelat, auch “König der Schweizer Würste” genannt, gilt als Schweizer Nationalwurst. Pro Jahr werden rund 25 Stück pro Kopf konsumiert.

Hergestellt wird die Wurst aus 27% Rindfleisch, 10% Schweinefleisch, 20% Wurstspeck, 15% Schwartenblock und 23% Eis-Wasser sowie Salz, Frischzwiebeln und diversen Gewürzen, wie der Schweizer Fleisch-Fachverband mitteilte.

Abgefüllt wird die Mischung in einen Rinderkranzdarm mit vorgeschriebenenm Durchmesser. Zum Schluss wird die Wurst bei 50 bis 80 Grad heiss geräuchert und anschliessend bei 75 Grad gebrüht.

Die Hülle muss ein Naturprodukt sein und sich für alle Arten der Zubereitung gleich gut eignen. Diesen Anforderungen entsprechen die brasilianischen Rinderdärme am besten.

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