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Der Sesseltanz fürs neue Parlament

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Am Wochenende stehen die Eidgenössischen Wahlen ins Haus. Meinungsumfragen während des Wahlkampfs haben bereits zu ergründen versucht, wer aus diesem wichtigen Urnengang als Sieger hervorgehen wird.

Das Interesse konzentrierte sich auf einige Sitze für den Nationalrat und Ständerat, die besonders umkämpft sind.

Auch wenn die Eidgenössischen Wahlen – zumindest aus der Sicht der Medien – immer mehr als nationales Ereignis wahrgenommen werden, verbleibt das Epizentrum für die Erneuerung des Parlaments doch in den einzelnen Kantonen.

In den Kantonen müssen die Sitze für National- und Ständerat erobert werden. In den Kantonen werden die Politiker gekürt (oder auch abserviert), die auf dem Bundesparkett das Sagen haben.

Wie bei jeder der alle vier Jahre statt findenden Wahlen gibt es Sitze, für die keinerlei Überraschungen erwartet werden. In anderen Kantonen tobt der Wahlkampf dafür umso heftiger.

Zürich: SP als Herausforderer

Während in Genf das Mandat der SP-Präsidentin wackelt, sind in Zürich sozialdemokratische Herausforderer ins Rennen um Mandate der Bürgerlichen gestiegen.

Die Ständeratswahl in der Limmatstadt verspricht Hochspannung: Mit Josef Estermann stellt die SP erstmals seit langem einen Kandidaten, der im bürgerlichen Kanton Zürich reelle Chancen hat.

Offen ist, ob es dem Alt-Stadtpräsidenten gelingt, auf dem Land genügend Stimmen zu holen, um die Kandidatin der FDP, Nationalrätin Trix Heberlein, zu schlagen. Die Nationalratspräsidentin von 1999 würde in der Kleinen Kammer gerne das Erbe des freisinnigen Urgesteins Vreni Spoerry antreten.

Bern: Finanzfachfrau gegen Konsumentenschützerin

Ganz ähnlich ist die Ausgangslage in Bern. Während das von Hans Lauri besetzte Ständeratsmandat der SVP nicht in Frage gestellt ist, balgen sich Sozialdemokraten und Freisinnige um den zweiten Sitz im Stöckli. Die Bisherige Christine Beerli, die sich um die Nachfolge von Bundesrat Kaspar Villiger bewirbt, kandidiert nicht mehr fürs Parlament.

Die FDP hat in Bern Brigitte Bolli aufgestellt, um den Ständeratssitz Beerlis für die Partei zu verteidigen. Sie ist eine Grossrätin mit ausgewiesenem Fachwissen für Finanzpolitik.

Ihre Konkurrentin jedoch ist SP-Nationalrätin Simonetta Sommaruga, Präsidentin des Schweizerischen Konsumentinnenschutzes (SKS) und eine der beliebtesten Schweizer Parlamentarierinnen.

Der mögliche Wahlerfolg für Estermann und Sommaruga würde zwei moderate SP-Politiker in die Kleine Kammer führen, zu denen noch die Basler Nationalrätin Anita Fetz dazu stossen könnte. Sie bewirbt sich in ihrem Heimatkanton Basel-Stadt um die Nachfolge ihres Parteikollegen und Ständeratspräsidenten Gian-Reto Plattner.

Schwyz: Ein bürgerliches Duell

Für die beiden Ständeratssitze des Kantons Schwyz befinden sich die bürgerlichen Lager im Wettstreit. Ungefährdet erscheint das Mandat von CVP-Ständerat Bruno Frick, während die SVP auf den Sitz von FDP-Mann Toni Dettling ein Auge geworfen hat.

Sollte Tony Kubrecht, ein moderater SVP-Politiker, den FDP-Kandidaten überflügeln, wäre er der erste SVP-Vertreter der Innerschweiz im Ständerat.

Schwyz gehört zusammen mit Freiburg und Waadt zu denjenigen Kantonen, die in der nächsten Legislaturperiode Anrecht auf einen zusätzlichen Sitz im Nationalrat haben.

Der vierte Sitz des Zentralschweizerischen Kantons wird aller Voraussicht nach an die SVP gehen, auch wenn ein Erfolg der SP nicht gänzlich ausgeschlossen ist.

Luzern: SVP prescht vor

Auch in anderen Innerschweizer Kantonen wittert die SVP Morgenluft: Im Kanton Luzern ist der Sitz der CVP durch den Rücktritt der profilierten Nationalrätin Rosmarie Dormann gefährdet. Die Partei hält derzeit vier der zehn Luzerner Sitze in Bern, die SVP deren zwei.

Mit Ida Glanzmann, Präsidentin der CVP-Frauen Schweiz, geht eine prominente Politikerin ins Rennen. Den Sitz streitig macht ihr der Emmener Grossrat und Präsident der SVP Luzern, Felix Müri.

Im Kanton Zug wird von drei Mandaten eines frei, das des CVP-Nationalrats Peter Hess. Die besten Karten für seine Nachfolge scheint der Präsident der Kantonalpartei, Gerhard Pfister, zu haben.

Doch auch die Besetzung der anderen beiden Mandate ist nicht klar: Hier proben die Linken den Angriff auf die beiden Sitze von FDP und SVP. Die hochgelobte Arbeit des SP-Mannes Hanspeter Uster in der Kantonsregierung dürfte der Linken hier wohl Stimmen bringen. Uster jedoch tritt selber nicht an.

Basel: SP will die Mehrheit

Basel-Stadt wird für die nächste Legislatur mit einem Sitz weniger im Nationalrat vertreten sein. Derzeit sind von den sechs Sitzen drei in der Hand der SP. Diese will sie verteidigen und damit eine Mehrheit “erobern”.

Beste Chancen auf den freiwerdenden Sitz von Anita Fetz hat der Grossrats-Fraktionspräsident Daniel Goepfert. Falls die SP ihre drei Sitze halten kann, wird das Mandat der Liberalen am ehesten gefährdet sein.

Im Baselbiet fürchtet sich dagegen die CVP vor der SVP. Der Sitz des zurücktretenden Rudolf Imhof (CVP) könnte möglicherweise an den SVP-Vertreter Walter Jermann aus dem Laufental gehen.

Genf: SP-Präsidentin in Gefahr

Besonders gespannt verfolgen die nationalen Medien dieses Jahr die Situation in Genf. Die Liberalen haben zum Angriff auf einen der beiden Ständeratssitze geblasen. Sie haben dafür den scheidenden Nationalrat Jacques Simon Eggly ins Rennen geschickt.

Der umkämpfte Genfer Ständeratssitz wird heute von einer Persönlichkeit ersten Ranges in der Schweizer Politik besetzt: Von SP-Präsidentin Christiane Brunner. Angesichts der starken Genfer Linken erscheint Brunners Ständeratssitz auf den ersten Blick ungefährdet.

Doch die extreme Linke hält Brunners Politik für allzu moderat und hat daher auf einer eigenen Liste zwei Kandidaten fürs Stöckli aufgestellt.

Das Risiko für Christiane Brunner ist tatsächlich hoch, da gemäss Genfer Wahlgesetz nur eine einfache Mehrheit für die Wahl in den Ständerat nötig ist. Die SP-Frau hat bereits erklärt, dass sie auch die Parteipräsidentschaft aufgeben wird, falls sie nicht mehr gewählt werden sollte.

Waadt und Freiburg: Appetit auf Zusatzmandat

Der zusätzliche, 18. Sitz im Nationalrat für den Kanton Waadt wird voraussichtlich vom Linksbündnis erobert (wahrscheinlich zum Vorteil der Grünen). Hauptantagonist der Linken ist hier die SVP.

Eine Allianz von Freisinnigen und Liberalen (Kandidaten sind FDP-Präsidentin und Ständerätin Christiane Langenberger und der liberale Nationalrat Claude Ruey) will der SP ihren Sitz im Ständerat entreissen, doch das Unterfangen wird nicht einfach werden.

In Freiburg wird hingegen damit gerechnet, dass die SVP den zusätzlichen Sitz in der Grossen Kammer besetzen wird. In Freiburg war die SVP die grosse Gewinnerin bei den Kantonswahlen.

Bei den Ständeratswahlen in Freiburg hegt der ehemalige SVP-Generalsekretär Jean-Blaise Defago Ambitionen, dem Freisinnigen Jean-Claude Cornu den Sitz in Bern wegzuschnappen. Dieser will sein Mandat aber verteidigen.

Tessin: Lega-Sitz wackelt

Nachdem die Lega bei den jüngsten Kantonalwahlen einen Einbruch erlitten hat und Nationalrat Flavio Maspoli Unterschriftenfälschung eingestand, gehen viele Wahlbeobachter davon aus, dass die Tessiner Lega einen ihrer Nationalratssitze am kommenden Wochenende einbüssen wird.

SP, CVP und FDP, die jeweils zwei Vertreter in der Grossen Kammer haben, hoffen allesamt auf ein drittes Mandat. Doch die Lega ist mit der SVP eine Listenverbindung eingegangen, um dieses Szenario zu verhindern.

Allerdings lastet die Affäre ihres ehemaligen Spitzenpolitikers Roger Etter auf der Tessiner SVP. Dieser sitzt wegen des Verdachts auf versuchten Mord in Untersuchungshaft. Ausserdem könnte Flavio Maspoli mit seiner Liste “Risorgimento Ticinese” dem SVP-Lega-Bündnis einige Stimmen rauben.

Für die Ständeratswahl hatte die mögliche Kandidatur von Lega-Aushängeschild Marco Borradori vorübergehend für Spannung gesorgt. Doch nach dessen Njet scheint die Wiederwahl der Bisherigen als sicher.

Neben Dick Marty (FDP) wird somit auch Filippo Lombardi (CVP) nach Bern zurückkehren – letzterer trotz seiner “Bleifuss-Affäre”, bei der er mit überhöhter Geschwindigkeit und ohne Fahrausweis ertappt wurde.

swissinfo, Andrea Tognina
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Am 19. Oktober wählen Schweizerinnen und Schweizer ein neues Parlament.
Parlamentswahlen finden alle vier Jahre statt.
Das Stimmvolk eines jeden Kantons wählt seine Nationalräte. Auf je 35’000 Einwohnerinnen und Einwohner fällt ein Nationalsrats-Sitz.
Der Ständerat setzt sich aus 46 Vertreterinnen oder Vertretern der Schweizer Kantone zusammen. Jeder Ganzkanton wählt zwei, die Halbkantone OW, NW, BS, BL, AR und AI eine Vertreterin oder Vertreter.

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