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Deutscher Discounter drängt in Schweizer Markt

In der Schweiz noch nicht, in Australien schon präsent: Aldi in Sydney. Keystone Archive

Deutschlands Discount-Supermarktkette Aldi plant den Markteintritt in die Schweiz. Die von hohen Preisen gebeutelten Schweizer Konsumenten schöpfen Hoffnung.

Doch dürfte es Aldi nicht leicht fallen, eine Bresche in einen Markt zu schlagen, der zu 73% von zwei Detailhändlern beherrscht wird.

Der Name Aldi steht in Deutschland, Europa und Übersee für jene Art von Discount-Supermarkt, bei der eine engere Auswahl an Markenartikeln zu sehr günstigen Preisen angeboten wird.

Nun hat die deutsche Supermarkt-Kette auch bei den Schweizer Behörden um Baubewilligungen nachgesucht. Aldi möchte im Nordosten der Schweiz, in Romanshorn, ein erstes 2,1-Mio.-Franken-Ladenprojekt verwirklichen.

Romanshorn dürfte die erste Bresche in einen neuen Markt darstellen, in den Aldi gern mehrere Dutzend Läden platziert sähe. Detailhandels-Experten glauben, dass Aldi, zusammen mit seinem Konkurrenten Lidl, mehr als 60 Discount-Läden bräuchte, um die Gewinnschwelle zu erreichen.

Wie Aldi bewegt sich auch Lidl im minimalistischen “No-Frills”-Superdiscount-Bereich.

Bei den grossen etablierten Detailhandelsketten Migros und Coop, aber auch bei Denner, hat der mögliche Eintritt von Aldi bereits zu einem Preiskrieg geführt.

Zu Beginn noch wenig Preiseffekte

“Die Ankunft von Aldi überrascht uns nicht”, sagte ein Sprecher von Denner vergangene Woche. “Das war zu erwarten.”

Branchenkenner bestätigen, dass Aldis Markteintritt in die Schweiz überfällig ist. “Migros und Coop halten zusammen 73% des Anteils am gesamten schweizerischen Detailhandel”, sagt Gotthard Wangler, Detailhandels-Experte, gegenüber swissinfo. “Verglichen mit der Situation in Deutschland, wo fünf Giganten zusammen nur auf 62% Marktanteil kommen, zeigt die Situation in der Schweiz viel eher in Richtung Marktdominanz.”

Doch laut Wangler dürfte der Markteintritt von Aldi in den ersten zwei bis drei Jahren preislich noch wenig spürbar bleiben.

“Das grösste Problem für Aldi werden die Baubewilligungen sein.” Denn der deutsche Discounter bestehe darauf, dass die Standorte zusammen mit entsprechend dimensionierten Parkings im Grünen, üblicherweise in Aussenquartieren, gewählt werden.

Verkehrsbelastung ist schon hoch

Doch bei zahlreichen Behörden regt sich zunehmend Widerstand gegen neue Überbauungen mit wachsendem Verkehrsaufkommen. “Heute reagiert fast jeder negativ auf zusätzlichen Verkehr, so dass man auf Gemeindeebene zu zögern beginnt, Aldi-ähnliche Überbauungen zu bewilligen”, sagt Wangler.

Auch die französische Supermarkt-Kette Carrefour hat ihre diesbezüglichen Erfahrungen schon gemacht. Nach einem Relaunch neu in der Schweiz, plante Carrefour vor vier Jahren, zwischen 10 und 20 Grossläden in der Schweiz zu eröffnen – was sich in dieser Grösse nicht realisieren liess.

“Die Schweiz ist kein einfaches Terrain, und jeder Kanton kennt eigene Spielregeln”, sagt Carrefour-Sprecher Michel Donath.

Allernötigste Minimal-Ausstattung und Grundprodukte

Aldi wird aber sicher nicht wegen der fehlenden Bekanntheit Probleme bekommen, mit seinem Konzept in der Schweiz Fuss zu fassen. Zahlreiche Familien, besonders jene, die in Grenznähe zu Deutschland wohnen, kennen die Kette und ihre aufs allernötigste Minimum reduzierte Ladenausstattung.

Jedes Wochenende drängeln sich in Deutschland die Schweizer in den Aldi-Läden und decken sich mit Grundprodukten wie Fruchtsäfte, Milch und Fleisch ein.

Dies zeigt sich auch auf den Parkplätzen der Aldi-Grossläden in Grenznähe. Oft dominieren dort die Fahrzeuge schweizerischer Registration, vor allem aus Zürich und Aargau.

Zwei Milliarden Franken im Ausland konsumiert

Im Gegensatz zu Migros und Coop belässt man bei Aldi die Produkte in ihren Verpackungs-Kartons und stapelt sie vom Boden her in die Höhe. Die Kunden reissen die Kartons selber auf, was dem Superdiscounter ermöglicht, die Preise nochmals tiefer zu kalkulieren.

Laut Wangler beruht dieses Geschäftsmodell auf zwei Prämissen: Es gibt zwar für den Kunden weniger Auswahl. Andererseits sucht Aldi den im Vergleich günstigsten Produzenten und kauft in hohen Volumen ein.

Aldi begnügt sich mit einer Auswahl von rund 600 Erzeugnissen. Migros und Coop offerieren demgegenüber bis zu 3000 Produkte.

Dieses spartanische Geschäftsmodell kommt bei vielen budgetbewussten Kunden gut an. Gemäss Schätzungen kaufen die Schweizer für rund zwei Milliarden Franken im grenznahen ausländischen Detailhandel ein.

Sicher kein deutsches Preisniveau in der Schweiz

Der Branchenkenner glaubt, dass Aldi und andere Low-Budget-Ladenketten einiges von diesen zwei Milliarden verlieren werden, wenn sie in der Schweiz selber Discount-Shops eröffnen. Dennoch werde es für Schweizer attraktiv bleiben, auch weiterhin im Ausland einzukaufen.

Enttäuscht hingegen werden jene, die glauben, in den Aldi-Läden auf Schweizer Boden gleich tiefe Preise wie in Deutschland zu finden.

“Die Discounter werden nie auf so tiefem Preisniveau wie in Deutschland anbieten können”, sagt Wangler. “Solange die Schweiz protektionistische Zölle im Bereich der Agrar-Importe erhebt, wird es nie deutsche Verhältnisse geben.”

Ausserdem werde es unter Schweizern auch deshalb populär bleiben, in Deutschland einkaufen, weil es vielen peinlich sei, bei sich zuhause in einem Billigst-Discounter gesehen zu werden.

“Ich glaube, viele Schweizer ziehen einen Einkaufs-Trip über die Grenze auch aus Gründen der Anonymität vor”, sagt eine im grenznahen Shopping routinierte Verbraucherin gegenüber swissinfo .

swissinfo, Jacob Greber in Zürich
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander P. Künzle)

Aldi, in 13 Ländern präsent, ist ein “No Frills”-Superdiscounter.

Migros und Coop bauen demgegenüber auf ein Laden-Ambiente, Schweiz-Produkte und Öko-Label.

Sie teilen sich 73% des gesamten Detailhandels-Marktes.

Das tiefe deutsche Preisniveau wird sich in der Schweiz kaum je einstellen, solange Protektionszölle die Regel sind.

Die deutsche Discount-Kette Aldi möchte in die Schweiz expandieren.

In Romanshorn plant sie ein Projekt für 2,1 Mio. Franken.

Doch es regt sich zunehmend Widerstand gegen Überbauungen mit hohem Verkehrs-Aufkommen.

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