Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Die “Ovo”, ein Stück Schweizer Kultur, wandert aus

Ovomaltine - neu britisch. ABF

Novartis verkauft Ovomaltine und Caotina an die Associated British Foods. Der Erlös beträgt rund 400 Mio. Franken. Die Produktion in der Region Bern bleibt erhalten.

Zusammen mit Schweizer Uhren und Käse gehört die “Ovo” sozusagen zum Kulturgut der Schweiz.

Nun ist sie weg, die Ovomaltine. Der Schweizer Pharmakonzern Novartis hat, wie bereits im Februar 2002 im Zuge der Rückbesinnung auf das Kerngeschäft Pharma angekündigt, einen ersten Teil seines Bereichs Health & Functional Food verkauft. Für eine, angesichts der Marktsituation, gute Bewertung, sagt die Novartis.

Associated British Foods (ABF) übernimmt das Lebensmittel- und Getränkegeschäft sowie die Markenrechte von Novartis weltweit mit Ausnahme der USA und Puerto Ricos.

Mit Ovomaltine und Ovatine, wie die Ovo in Grossbritannien und Asien heisst, wandern auch Caotina und Lacovo ins Ausland aus. Der gesamte Verkauf braucht noch den Segen der zuständigen Wettbewerbsbehörden.

Seit 1996 gehörte die Ovo zu Novartis, die damals aus der Fusion der Pharma-Unternehmen Sandoz und Ciba Geigy hervorgegangen ist. Bereits 1967 war die Berner Wander AG mit ihrer Ovo und anderen Produkten zur Sandoz gestossen.

Erfindung eines Berner Apothekers

Erfunden wurde die Ovo 1865 vom Berner Apotheker Albert Wander, der zum Malzgetränk seines Vaters Georges Wander Milch, Eier und Kakao dazumischte. Das kristallen glänzende Ovomaltine-Pulver brachte er 1904 auf den Markt, mit einem eigenen Produktedesign. Aus der Not war eine süsse Tugend erwachsen, die sich innert kürzester Zeit erfolgreich etablierte.

Schweizer Kulturgut

Mit ihrer typischen Ovo-Büchse, den legendären Dialekt-Slogans, ihrem Engagement für den Schweizer Sport – von Fahrradfahrer Ferdy Kübler über Ski-Fahrer Primin Zurbriggen bis Snowbarder Ueli Kestenholz – avancierte die Ovomaltine in den letzten hundert Jahren zum heiss- und kaltgeliebten Schokolade-Getränk in der Schweiz und international.

Beim Skifahren wie beim Familien-Frühstückstisch gehörte die orange Dose mit der braun funkelnden Kakao-Mischung ebenso dazu wie die ebenfalls ehemalige Berner Schokolade Toblerone ins Panorama der Schweizer Berge. Und kaum eine Schulreise ging zur Neige, ohne dass man sich mit den Ovo-Sport-Riegeln die Zähne verklebte.

Ovo stösst zu Twinings-Tee

So werden wohl manche Schweizerinnen und Schweizer die Kunde des vollzogenen Ovo-und Caotina-Verkaufs mit Wehmut hinnehmen. Immerhin wurde mit der ABF offenbar eine gute neue Heimat gefunden. Dem Nahrungsmittelkonzern gehört unter anderem die Tee-Marke Twinings, und so wird die Schweizer Ovomaltine als “ideale Ergänzung” willkommen geheissen.

Verpflichtungen zum Erhalt von Arbeitsplätzen

Ein wichtiger Faktor bei der Wahl der Käuferin war, dass die ABF bezüglich Arbeitsstellen gewisse Verpflichtungen eingegangen sei, sagt Novartis. Dies vor allem in der Schweiz, wo es keine überlappenden Aktivitäten gäbe. Das Ovomaltine-Werk in Neuenegg bei Bern werde weitergeführt, habe die ABF klar zum Ausdruck gebracht.

In der Schweiz wechseln 280 Angestellte den Arbeitgeber. Mit den Arbeitnehmern in Thailand, den Philippinen, China und Australien sind es insgesamt 874 Arbeitnehmer, die nun von Novartis zur ABF wechseln.

Erleichterung bei den Ovo-Machern

In Neuenegg, wo die Ovo in der Schweiz mehrheitlich produziert wird, ist man nach monatelanger Unsicherheit und Gerüchten erleichtert. “Wir sind beruhigt, dass es eine Firma aus dem Food-Bereich ist. Wir erwarten keine negativen Veränderungen”, sagt Gemeindepräsident Rudolf Schmid gegenüber swissinfo.
Man habe sich für die Sicherung der Arbeitsplätze eingesetzt und mit den Baubewilligungen vorwärts gemacht, damit die Produktionsstätten erweitert und so die Schweizer Ovo-Produktion zukunftssichernd zusammengezogen werden konnte.

swissinfo, Anita Hugi

Associated British Foods (ABF) ist einer der grössten Nahrungsmittelkonzerne in Europa.
Der Jahresumsatz beläuft sich auf rund 10,2 Mrd. Fr.
Die ABF beschäftigt 34’000 Arbeitnehmer

1865 Erfindung der Ovomaltine in Bern: Die richtige Mischung aus Malz, Milch, Eier, Kakao

1904 Schweizer Markteintritt der Ovo in der legendären Ovo-Büchse

1906 Die Ovo wird ein Verkaufsrenner, auch international

1913 Eröffnung der ersten ausländischen Ovo-Fabrik im englischen Kings Langley

1923 Die Ovo engagiert sich jahrzehntelang bei sportlichen Grossanlässen: Radrennfahrer Ferdy Kübler trinkt Ovo, aber auch Fussballer Pélé: Als die Schweizer Fussball-Nati noch regelmässig an Weltmeisterschaften teilnahm, war auch die Ovo mit dabei

1954 Ovomaltine wird als Ovaltine internationales Top-Produkt

1967 Wander AG wird ein Teil von Sandoz

1996 Mit der Sandoz gehen Ovomaltine etc. in der Novartis auf

2002 Ovomaltine wird an die britische Associated British Foods verkauft

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft