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Die Bodenverödung stoppen

Bodenerosion ist in vielen Weltregionen ein grosses Problem. (Bild: Hans-Peter Liniger) 土壤流失在世界各国都是一个严重的问题. (图片: Hans-Peter Liniger)

Vier Milliarden Hektaren Boden drohen weltweit zu veröden. Berner Forscher haben eine Datenbank aufgebaut, die Wissen bekannt machen will.

Alemu Mekonnen Gebre ist Landwirtschaftsberater in Gonder in Äthiopien. Da Äthiopiens Bauern an steilen Lagen anbauen müssen, ist die Erosionsgefahr gross. Gebre suchte nach Lösungen und stiess dabei auf das globale Netzwerk Wocat (World Overview on Conservation Approaches and Technologies).

Dort fand er einen Bericht aus Nicaragua, wie die Bauern wirksam und kostengünstig die Erosion auf ihren Äckern bremsen. Nun versucht der Landwirtschaftsexperte, seinen lokalen Bauerngruppen das Knowhow aus Zentralamerika beizubringen.

Statt Wissen in Ordnern verstauben zu lassen…

“In vielen Ländern der Erde werden ständig Erfahrungen mit Ressourcen schonender Landnutzung gemacht”, erklärt der Berner Geograf Hans-Peter Liniger. Das Wissen werde jedoch nicht systematisch dokumentiert, geschweige denn ausgetauscht.

“Das Wissen bleibt in den Köpfen von Landwirtschaftsexperten oder verstaubt ungenutzt in den Ordnern von Ministerien.” Selbst in der eigenen Region gebe es keinen Erfahrungs-Austausch. “Es fehlt an Kommunikation und Vernetzung”, sagt Liniger. Dabei wäre weltweit viel Wissen vorhanden.

… soll es für alle in Datenbanken zugänglich sein

Bereits 1992 schlug Hans Hurni vom Geografischen Institut der Universität Bern an der Isco-Konferenz (International Soil Conservation Organization) in Sydney vor, ein globales Netzwerk zu gründen.

Aus dem Vorschlag ist bis heute eine beachtliche Datenbank geworden. Wocat vereint weltweite Erfahrungen mit Techniken, die den Boden schonen und das Bodenwasser schützen.

Heute 11 Länder mit dabei

Nach einer achtjährigen Pilotphase sind im Netzwerk 60 Techniken und 42 Umsetzungsmethoden aus 11 Ländern dokumentiert. Die Datenbank vergrössert sich ständig.

Experten sammeln die Daten nach einer standardisierten Methode: Rund 150 verschiedene Parameter, zum Beispiel Material, Kosten, Unterhalt, werden zu jeder Landnutzungstechnik erhoben, ferner über 100 Informationen, die Art und Verbreitung der Technologie klären.

“Hier spielen vor allem soziale und kulturelle Aspekte eine wichtige Rolle”, betont Wocat-Leiter Liniger. Ist das Land zum Beispiel in privatem oder gemeinschaftlichem Besitz? Wurde die Technik von aussen herangetragen oder über Generationen weitergegeben? – “Von Anfang an stiess der Wocat-Ansatz auf grosses Interesse, da es ein nützliches Instrument zur Unterstützung von Entwicklungsprojekten ist”, sagt Liniger.

Wocat wird von 27 internationalen Forschungs- und Entwicklungsagenturen getragen, auch der Deza, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit in Bern.

Mehrsprachiges Netzwerk

Die Datenbank ist bereits in englischer, französischer und spanischer Sprache auf dem Internet abrufbar; demnächst sind die Daten auch in Arabisch, Chinesisch und Russisch erhältlich.

“Das Internet ist inzwischen keine unerreichbar teure Technik mehr”, sagt Hans-Peter Liniger. So hatten zum Beispiel von 35 äthiopischen Agrarexperten vor drei Jahren nur zwei Zugang zum Computer. Vor einem Jahr war es bereits die Hälfte, und bis in zwei Jahren werden es über 90 Prozent sein. “Ohne Computer wäre Wocat gar nicht denkbar, denn das Netzwerk funktioniert dezentral.”

Die einzelnen Länderteams können völlig autonom arbeiten. Anwender greifen über zwei zentrale Server in Rom und Bern auf die Daten zu. Am Geografischen Institut Bern betreuen drei Personen das Projekt; sie entwickeln die Methoden und Werkzeuge und koordinieren die Workshops, an denen bis heute 400 Experten geschult wurden.

Methodenvielfalt kartieren

Die Feldarbeit sei anspruchsvoll, versichert der Geograf. Sie verlangt zum Beispiel viel soziale Kompetenz vom Befrager im Gespräch mit den Bauern. Die Datenaufnahme für jede Boden- und Wasserkonservierungs-Methode nimmt insgesamt vier Tage in Anspruch.

Die nationale und globale Vernetzung von Knowhow zur Erhaltung von Bodenfruchtbarkeit und Wasser ist nicht das einzige Ziel von Wocat. Ebenso wichtig ist, die Methodenvielfalt kartografisch zu erfassen.

Bis in zehn Jahren, so hoffen die Berner Wissenschafter, sollten lokale, regionale oder nationale Karten zur Boden-Degradierung und -Konservierung erstellt sein.

Dank der einheitlichen Wocat-Methode werden die Karten – das ist für viele Länder neu – Aufschluss über die wichtigsten Landbautechniken geben. Erste Karten werden in Südafrika, Thailand und der chinesischen Provinz Fujian erwartet.

In Äthiopien, Tansania, Kenya, Niger und den Philippinen vermochten sich bereits starke nationale Wocat-Netzwerke zu etablieren.

Die Arbeit sei noch lange nicht getan, sagt Hans-Peter Liniger. Je mehr Länder sich das Wocat-Programm zu eigen machten, um so grösser sei der globale Nutzen.

Stefan Hartmann

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