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Die kleine, aber feine Berner Börse

Die Beatus der BLS. Die BLS AG ist an die Berner Börse gegangen. BLS

In der Schweizer Finanzlandschaft lebt im Schatten der grossen Swiss Exchange (SWX) eine zweite Börse: Die Berner Börse (BX). Und diese zieht immer mehr KMU an.

Bis im März dieses Jahres war unsicher, ob dieser Markt, der sich als Vorraum der SWX sieht, überleben würde.

“Als die Börsen von Genf, Basel und Zürich 1995 fusionierten, rechnete sich die Berner Börse aus, dass sie einen Platz am Rand halten könnte”, erklärt Präsident Peter Heller. “Eine Börse allein genügt nicht, um auf die Bedürfnisse der kleinen Schweizer Firmen eingehen.”

Zehn Jahre später und nach vielen Hindernissen scheint sich das Wagnis gelohnt zu haben. Seit 2002 werden die Titel elektronisch gehandelt.

Seither wird die Berner Börse (BX) genau beobachtet. Die grossen Banken zögerten, sie zu unterstützen. Erst an der Generalversammlung im März entschlossen sie sich schliesslich dazu.

Die elektronische Plattform stellte ihre Effizienz unter Beweis, wie Heller betont. Dazu trugen auch der gegenwärtig gute Gang der Finanzmärkte und das Interesse der KMU bei.

Gut fünfzig

Zur Zeit sind gut fünfzig Firmen an der BX kotiert. Firmen wie Citron – die auf Einrichtungen für Abfallrecycling spezialisiert ist – und die Finanzgruppe BFW. Und vor kurzem kam 3S Swiss Solar Systems hinzu.

Aber auch grössere Fische zeigen sich am Horizont, wie etwa Biella, der grösste Büromaterialhersteller des Landes, der sich auf August angekündigt hat, sowie der Nahrungsmittelkonzern Hochdorf.

“Die Ankündigung von Biella wirkt sich positiv aus”, freut sich Heller. “Und zwei oder drei weitere Firmen werden sicher in nächster Zeit kommen. Die Ankündigungen sind nur noch nicht offiziell.”

Ein Nischenmarkt

Die Berner Börse hat sich in einem Nischenmarkt für KMU aus dem ganzen Land etabliert, obwohl die meisten vorläufig noch aus dem Kanton Bern kommen. In den Augen des Chefredaktors von Swiss Equitiy Magazin ist das Ziel realistisch.

“Schon heute sind genug Firmen an der BX, die ihren Sitz nicht im Kanton haben”, erklärt Björn Zern. “Ihre Positionierung ist ihre grosse Chance.”

Gemäss dem Spezialisten ist eine Kotierung an der SWX oft zu aufwändig für KMU. Erstens wegen der reglementierten gesetzlichen Bedingungen. Aber auch, weil die Kotierung für sie zu teuer ist (mindestens viermal mehr als an der BX).

Ein Vorraum

Firmen, die an der BX interessiert sind, sind “KMU im Nachfolgeprozess (Biella-Neher) oder solche, die Kapital für eine Erweiterung brauchen (3S Swiss Solar Systems)”, erläutert Zern.

Laut Heller kann ein Unternehmen zwischen zwei und zehn Jahren in Bern bleiben und dann an die SWX gehen, wenn sie genügend Erfahrungen gesammelt hat oder sich dazu bereit fühlt.

Die BX sieht sich also als eine Art Vorraum der Schweizer Börse. Ein Vorraum, der für die gleichen Investoren da ist wie die SWX, glaubt Zern. Und fügt bei, diese Investoren kommen “nur für interessante Unternehmen.”

Alleingang

Nach heutigem Stand ist die Berner Börse nicht sehr bekannt. Weder bei Unternehmen, die dort kotiert werden könnten, noch bei den Investoren, von denen es noch zu wenig gibt. “Sie sollte sich besser verkaufen”, findet er.

Doch wenn sie keine Führungsfehler macht und kein Börsencrash eintritt, sollte die BX in Zukunft ihren Platz auf den Schweizer Kapitalmarkt stärken können. Sie kann neben der SWX existieren, so Zern.

“Sie steht nicht direkt in Konkurrenz zu uns”, bestätigt SWX-Sprecher Jürg von Arx offiziell. “Denn sie zieht mehr oder weniger lokale Firmen an…”

Björn Zern geht weiter. Er glaubt, falls die BX mit ihrem Alleingang keinen Erfolg hätte, wäre auch eine (noch zu definierende) Zusammenarbeit mit der SWX eine Alternative. Gemäss dem Trend der Annäherungen, wie er auch auf europäischer Ebene zu beobachten ist.

Für Heller ist dies, angesichts der sichtbaren Zurückhaltung, etwas verfrüht. Immerhin fügt er etwas ausweichend bei: “Wir reden aber miteinander.”

swissinfo, Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

In der Schweiz wird der Aktienhandel von der Schweizer Börse SWX dominiert, die 1995 aus der Fusion der Börsen von Basel, Genf und Zürich hervorging.
Die Schweizer wie die Berner Börse unterstehen der Kontrolle der Eidgenössischen Bankenkommission (Aufsichtsbehörde) und dem Börsengesetz von 1995.
Dieses Gesetz soll Effizienz, Liquidität, Transparenz und Sicherheit des Kapitalmarkts garantieren. Es soll Anleger schützen und legt die Bedingungen fest, welche eine optimale Zuweisung der Ressourcen – die wichtigste Aufgabe der Börsen – ermöglichen sollen.

Die Berner Börse gibt es seit 1884.
Der Handel mit den Titeln geschieht seit 2002 elektronisch.
Zehn Banken sind Mitglieder – darunter die UBS, die Credit Suisse Private Banking und die ABN AMRO Bank.
50 Firmen sind an der BX kotiert.
Ihr Referenzindex (BIRW) ist 2005 um 19% gestiegen.
Kapitalisierungswert Ende 2005: 11,41 Milliarden Franken – gegenüber 1070 Milliarden der Schweizer Börse.

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