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Die Macht-Demonstration der Ausland-Italiener

Keystone

Wer hat die Wahlen in Italien entschieden? Die Ausland-Italiener. Die Auslandschweizer-Organisation erhofft sich davon wichtige Impulse.

Im Schweizer Aussenministerium geht man davon aus, dass die Parteien künftig verstärkt um die Stimmen der Auslandschweizer buhlen werden.

Italien hat gewählt. Der voraussichtliche Sieger heisst Romano Prodi. Bei knapp 38 Mio. Wählenden besiegelten hauchdünne 25’000 Stimmen die Niederlage Silvio Berlusconis.

Die Ausland-Italiener, die erstmals auf eigenen Listen antreten konnten, spielten bei der Premiere gleich das Zünglein an der Waage: Im Senat, er entspricht dem Schweizer Ständerat, gaben vier der sechs Neo-Parlamentarier aus dem Ausland den Ausschlag zugunsten des Mitte-Links-Bündnisses von Prodi.

Diskussion ist lanciert

Bei der Auslandschweizer-Organisation (ASO) wurde die eigentliche Wahlüberraschung positiv aufgenommen. “Es ist ein grosser Fortschritt, dass den Ausland-Italienern in beiden Kammern reservierte Sitze zustehen”, sagte ASO-Direktor Rudolf Wyder zu swissinfo. Seine Organisation werde die Erfahrungen mit dem “neuen und interessanten” Modell mit grossem Interesse verfolgen.

Der ASO-Vertreter erhofft sich vom Beispiel Italiens neue Impulse für die Diskussion in der Schweiz. Die Forderung nach einem so genannten 27. Kanton für die Fünfte Schweiz ist in der ASO ein altes Thema.

Dort verfolgt man laut Wyder aber “auf absehbare Zeit” eine andere, zweigleisige Strategie: Diese besteht im Ausbau des Beziehungsnetzes zum Parlament. Der 2004 gegründeten Parlamentarier-Gruppe für die Interessen der Auslandschweizer gehören 85 Volksvertreter an, ein Drittel des Parlaments.

Zudem verstärkte die ASO ihre Kampagne, Auslandschweizer als Stimmbürger zu gewinnen. Als Voraussetzung zur Teilnahme an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen müssen sich diese in Stimmrechts-Register eintragen. Auch hier kann Wyder Erfreuliches vermelden: “Kürzlich haben wird die Schwelle von 105’000 überschritten.”

Eine Frage der Zeit

Als “interessant” bezeichnet Beat Kaser, stellvertretender Leiter des Auslandschweizer-Dienstes im Aussenministerium (EDA), die Rolle der Ausland-Italiener bei den jüngsten Wahlen. Und laut Peter Sutter, abtretender Leiter des Auslandschweizer-Dienstes, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Auslandschweizer zwar nicht eidgenössische Wahlen, aber Abstimmungen entscheiden könnten. Dies hatte Sutter vor zwei Wochen an der Auslandschweizer-Ratssitzung in Bern erklärt.

An jenem Anlass im Bundeshaus seien die Spitzen-Vertreter der Parteien hellhörig geworden, so Kaser. Immerhin gehe es um die Gunst von 105’000 Stimmen. Mit den italienischen Wahlresultaten kam das, was Kaser als neue Entwicklung bezeichnet: “Die Parteien haben am konkreten Beispiel registriert, was Stimmen aus dem Ausland bewirken können.”

Der Kandidat aus dem All?

Auch wenn es bei den nächsten eidgenössischen Wahlen 2007 noch keinen 27. Kanton gibt: “Die politische Partizipation von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern ist viel umfassender als jene in anderen Ländern”, sagte Rudolf Wyder.

Auslandschweizer könnten nicht nur alle paar Jahre an Parlamentswahlen teilnehmen, sondern sich mehrmals jährlich zu Abstimmungen auf Bundesebene äussern.

Auch wenn ihnen keine Sitze auf sicher sind wie ihren “Kollegen” in Italien: Auslandschweizer können schon seit 1995 bei eidgenössischen Wahlen kandidieren. Die ASO legt den Parteien deshalb ans Herz, Auslandschweizer auf ihre Listen zu setzen.

Wyder bleibt angesichts des Scheiterns aller bisherigen Auslandschweizer-Kandidaturen realistisch: “Die Schwelle liegt bei der Wahl, nicht bei der Ausübung des Mandats.” Ein unbekannter Kandidat habe kaum Aussichten, die Stimmen der Auslandschweizer allein reichten nicht aus. “Der Astronaut Claude Nicollier aber hätte allerbeste Chancen.”

swissinfo, Renat Künzi

Bei den jüngsten italienischen Wahlen waren erstmals Sitze für Ausland-Italiener reserviert: 12 in der Abgeordnetenkammer, sechs im Senat.

Im Senat gaben vier Ausland-Italiener den Ausschlag zugunsten der Mehrheit für das Prodi-Bündnis.

Auslandschweizer können seit 1995 an eidgenössischen Wahlen teilnehmen.

Trotz mehrerer Kandidaturen auf Listen von Schweizer Parteien hat bisher noch kein Auslandschweizer den Sprung ins eidgenössische Parlament geschafft.

Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) verfolgt die Erfahrungen mit dem neuen italienischen Modell mit grossem Interesse.

Ende 2005 lebten 634’216 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland.
Gegenüber 2004 bedeutet dies einen Zuwachs von 11’159 Personen.
Fast drei Viertel sind Doppelbürger.
Fast zwei Drittel der Auslandschweizer leben in Europa.
105’000 sind in den Stimmrechts-Registern eingetragen.

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