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Ein Schweizer Herz für Galileo

Dank Schweizer Taktgebern ermöglicht Galileo eine sehr genaue Positionierung. Galileo-Programm

Das europäische Satelliten-Navigations-System Galileo, dessen Entwicklung die EU-Verkehrsminister kürzlich beschlossen haben, basiert auf zwei Atomuhren aus Neuenburg.

Im Jahr 2008 werden zirka 30 Satelliten auf einer Umlaufbahn von 20’000 Kilometern um die Erde kreisen, um Empfängern konstant und weltumspannend ihre genaue Position mitteilen zu können.

Die Anwendungs-Möglichkeiten dieses Systems sind extrem vielfältig. Es erlaubt eine Stärkung der Sicherheit, die Verringerung von Staus und Verkehrs-Unfällen. Zudem werden auch eine effizientere Bodenbewirtschaftung und ein besseres Verständnis von Umwelt-Entwicklungen sowie das Erkennen von Risiken wie Erdrutsche, Lawinen oder Gefahrgut-Transporte möglich.

Insbesondere soll Galileo aber Europa vom US-amerikanischen Navigationssystem GPS unabhängig machen.

Konkurrenz für GPS und GLONASS

Zur Zeit gibt es bereits zwei Satelliten-Navigations-Systeme. Das bekannteste und verbreitetste ist das Global Positioning System (GPS), das in den 70-er Jahren von den USA für militärische Zwecke entwickelt wurde, aber nach und nach auch der zivilen Nutzung diente.

Das zweite System ist weniger bekannt, aber funktionstüchtig: Das russische Global Navigation Satellite System (GLONASS), das mit seinen sechs Satelliten ebenfalls nützliche Daten für die terrestrische Navigation liefert.

Beide Satelliten-Navigations-Systeme besitzen militärischen Charakter. Dies birgt grosse Nachteile.

GPS und GLONASS sind potentiellen Störmanövern oder Verdunkelungen ausgesetzt, je nach Sicherheits-Erwägungen der USA oder Russlands. Militärische Erwägungen können auch dazu führen, nicht alle lieferbare Daten zivil nutzbar zu machen.

Anders sieht es beim künftigen System Galileo aus. Mit 30 Satelliten und 14 terrestrischen Empfangs-Stationen wird das System nicht nur einen kontinuierlichen Datenfluss garantieren, sondern auch eine extreme Genauigkeit mit einem Abweichungsgrad von maximal vier Metern.

Eine solche Präzision ist bei den bestehenden Systemen undenkbar. Galileo wird dabei mit GPS und GLONASS interagieren können. Die Benutzerinnen und Benutzer mit nur einem Empfänger können somit ihre genaue Position bestimmen, unabhängig vom genutzten Navigations-System.

Mit Inkrafttreten von Galileo kann das Verkehrs- und Transportsystem revolutioniert werden. Doch die Daten des europäischen Satelliten-Systems können auch in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen genutzt werden. Beispielsweise in einer Verbesserung des Not- und Rettungsdienstes, für Erntekontrollen oder die Übermittlung exakter Uhrzeiten.

40 Mrd. Euro Marktwert

Die europäische Initiative gefällt den Amerikanern verständlicherweise nicht. Sie laufen tatsächlich Gefahr, ihre marktdominante Stellung sowie ihre strategischen Vorteile zu verlieren.

Deshalb hat Washington schon die Programme GPS 2 und GPS 3 lanciert, die die Präzision der Signale verbessern sollen. Die USA würden sogar die Daten von GPS 1 gratis zur Verfügung stellen, um Konkurrenz zu vermeiden.

Die EU schätzt den potentiellen Markt für das Satelliten-Navigations-System auf 40 Mrd. Euro. 20’000 Arbeitsplätze werden an der Verwirklichung des Projekts Galileo beteiligt sein, für den Betrieb werden dann 2000 feste Stellen neu geschaffen.

Bedenkt man noch die ganzen Anwendungs-Technologien von Galileo, wird schnell klar, dass das System GPS das Feld nicht einfach kampflos räumen wird.

Schweizer Qualität für Galileos Herz

An diesem Konkurrenz-Kampf zwischen den USA und der EU beteiligt sich auch die Schweiz, die als Mitglied der Europäischen Weltraumorganisation ESA das Forschungs- und Entwicklungsprojekt unterstützt.

“Das Herz des Navigationssystems besteht aus zwei verschiedenen Atomuhren, die in Neuenburg entwickelt wurden”, erklärt Pascal Vinard, ständiger Vertreter der Schweiz bei der ESA, gegenüber swissinfo.

Es handelt sich um ein Zeitmess-System, das aus Rubidium-Oszillatoren besteht und von der Firma Temex in Neuenburg herstellt wird. Das kantonale Observatorium von Neuenburg steuert eine noch neuere, aus Wasserstoff basierende Technologie namens MASER bei

“Auf jedem Galileo-Satelliten werden je zwei Uhren mit Rubidium-Oszillatoren und MASER-Technologien installiert”, erklärt Pascal Vinard. Seiner Meinung nach wird Galileo wegen dieser Atomuhren das amerikanische GPS-System in Bezug auf Verlässlichkeit und Präzision klar übertreffen.

Ein weiterer Vorteil von Galileo besteht laut Vinard darin, dass er die eigenen Fehler in Realzeit erkennen kann. Das GPS braucht manchmal bis zu zwei Stunden, um festzustellen, dass ein Satellit eine falsche Position von mehr als 160 Kilometern mitgeteilt hat.

Viele Vorteile für die Schweiz

Die geschätzten Gesamtkosten für Galileo betragen 3,5 Mrd. Euro. “Ungefähr soviel wie man braucht, um 100 Eisenbahnkilometer zu bauen”, meint Pascal Vinard. Die Schweiz wird sich in der Entwicklungsphase mit 3,68 Prozent oder umgerechnet 20 Mio. Euro beteiligen – Gelder, die jedoch in direkte Aufträge zurückfliessen.

“Die Schweizer Industrie wird durch die Produktion von Satellitenteilen, den Bau von Solarzellen und Antennen direkt vom Programm profitieren,” ist Vinard überzeugt. Und verweist auf zusätzliche positive volkswirtschaftliche Auswirkungen wie die Entwicklung und den Bau von Satellitenschüsseln.

“Das Programm wird auch eine Reihe von Dienstleistungen ankurbeln”, schwärmt Vinard, “weil die Satellitennavigation in Verbindung mit der Telekommunikation und Erdbeobachtung wichtige Informationen für Landbewirtschaftung und das Verständnis von Umweltentwicklungen liefern kann. Das Risiko von Erdrutschen oder Lawinen lässt sich besser vorhersagen. Und der Verkehr kann auch auf schwierigen Achsen wie der San-Gotthard-Route besser koordiniert werden.”

Trotz dieser Vorteile macht man sich in Bern in bezug auf die künftige Betriebsführung des Galileo-Systems auch Sorgen. Sollte die Leitung ganz von der EU abhängen, hätte die Schweiz als Nicht-Mitgliedsland schnell das Nachsehen.

Fabio Mariani

Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob

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