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Einheitliche Arzttarifstruktur drei Jahre im Verzug

Eine unendliche Geschichte: Der neue Arzttarif Tarmed. Keystone

An diesem Wochenende stimmt die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte über die letzte Version der neuen und landesweit geltenden Tarifstruktur im Gesundheitswesen (Tarmed 1.0) ab. Die übrigen Tarifpartner befürchten eine Ablehnung durch die Ärzte. Doch selbst eine Zustimmung würde kaum das Ende der langwierigen Verhandlungen bedeuten.

Die Tarifpartner befinden zurzeit über die so genannte Version 1.0 des neuen Arzttarifs Tarmed. Die Medizinal-Tarifkommission (MTK), die Spitäler der Schweiz (H+) sowie das Konkordat der Schweizerischen Krankenversicherer (KSK) haben sich bereits dafür ausgesprochen. Stimmt die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) als vierter Verhandlungspartner am Samstag (05.05.) der Vorlage zu, könnte sie dem Bundesrat zur Genehmigung vorgelegt werden.

Tarmed – was ist das?

Die unter dem Namen Tarmed bekannte Tarifstruktur, welche eigentlich seit Anfang 1998 in Kraft sein sollte, geht auf das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) von 1996 zurück. Sie soll die kantonalen Berechnungs-Systeme der Ärzte- und Spitalleistungen durch eine einheitliche, landesweit geltende Tarifstruktur ersetzen.

Mit Tarmed 1.0 soll der technischen Entwicklung in der Medizin Rechnung getragen werden. Mit der Folge, dass Hausärzte in Zukunft mehr, Spezialärzte dagegen weniger verdienen. Das geschieht, indem die von den Hausärzten praktizierte Beratung aufgewertet wird. Das Ziel und zugleich die grösste Schwierigkeit ist es, den neuen Arzttarif ohne Kostenschub einzuführen.

Bundesrätliche Drohung

Die Arbeiten für Tarmed 1.0 gerieten schnell ins Stocken. Bereits im November 1998 musste Bundesrätin Ruth Dreifuss die Parteien ultimativ auffordern, ihr Vorschläge zu unterbreiten. Andernfalls, drohte sie, werde der Bund eine eigene Tarifstruktur verordnen. Ein Schritt, der gemäss KVG möglich gewesen wäre.

Beides ist bis heute nicht geschehen. Die Tarifpartner reichten zwar im Juni 2000 eine Version ein. Doch als der Bundesrat diese genehmigte, hatten sie sich bereits wieder davon distanziert. Die FMH machte geltend, sie habe der Zustellung an den Bundesrat nie zugestimmt, da die Version nur eine Übergangslösung gewesen sei.

Kostenneutralität als Zankapfel

Für Annamaria Müller Imboden von der Sanitätsdirektoren-Konferenz (sdk) ist die Verpolitisierung der Verhandlungen das grösste Problem. Da keine verlässlichen Daten zu den Kosten der Tarifstruktur vorlägen, würden die Verhandlungen immer wieder durch Horrorszenarien torpediert. “Die Versicherer wollen so wenig wie möglich zahlen, die Leistungserbringer so viel wie möglich kassieren”, sagte Müller.

Im Zentrum der Debatte steht die Kostenneutralität, das heisst die Einführung der Tarife auf gleich bleibendem Kostenniveau. Die FMH bezeichnet dies als eine rein politische Forderung. Sie stehe im direkten Widerspruch zur gesetzlichen Auflage, wonach die neuen Tarife betriebswirtschaftlich gerechnet sein müssten.

Grabenkämpfe innerhalb der Ärzteschaft

Auch innerhalb der Ärzteschaft kam es wegen der Kostenneutralität zu Spannungen. Besonders die Vereinigung invasiv und operativ tätiger Chirurgen (FMS) bekämpft das Vorhaben. Mit der Einführung des Tarmed breche das totale Chaos aus, sagte FMS-Generalsekretär Francois Bernath. Bestimmte Operationen könnten nicht mehr durchgeführt werden, da die Chirurgen nicht genügend entschädigt würden.

Einige Chirurgen zahlten ihren FMH-Mitgliederbeitrag zeitweise nur auf ein Sperrkonto ein, da sie sich von der FMH nicht genügend vertreten fühlten. Diese Grabenkämpfe sind für Peter Marbet vom Krankenkassen-Konkordat KSK ein Grund für den schleppenden Verhandlungsgang. Mit ihren Störmanövern habe die FMS wesentlich zur Verzögerung beigetragen.

Noch kein Ende in Sicht

Selbst wenn die FMH den Tarif am Samstag gutheissen sollte, was von den übrigen Tarifpartnern bezweifelt wird, dürfte die Odyssee des Tarmed noch lange nicht beendet sein. “Die Partner einigten sich darauf, Tarmed 1.0 einer Überprüfung zu unterziehen”, heisst es vielsagend in einer Medienmitteilung zur letzten Diskussionsrunde vom Dienstag (01.05.).

Dazu kommt, dass über den Taxpunktwert, der schliesslich die Kosten bestimmt, noch gar nicht verhandelt wurde. “Da wird es wohl wieder zugehen wie an einem türkischen Bazar”, befürchtet FMS-Sprecher Peter Jäger.

swissinfo und Daniel Friedli (AP)

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