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Einheitskrankenkasse entzweit die Linke

Bezahlt künftig die Einheitskasse, wenn der Arzt Hand anlegt? Keystone

Die Initiative für eine Einheitskasse wird im bürgerlichen Lager unisono abgelehnt. Die Linke ist ebenfalls gespalten, weil auch dort niemand weiss, wie hoch die Prämien wären.

Am 11. März stimmen die Schweizer Stimmberechtigten darüber ab, ob die 87 Krankenkassen in der Schweiz durch eine Einheitskasse für die Grundversorgung ersetzt werden sollen.

Die Befürworter argumentieren, dass in der Schweiz 87 verschiedene Krankenkassen die selbe Grundversicherung anbieten. Dass allein dafür Millionen von Prämienfranken für Werbung auf so genannt gute Risiken (junge Männer) ausgegeben würden und dass schon das Management all dieser Kassen viel Geld verschlinge.

Eine Einheitskrankenkasse für die Grundversicherung würde somit deutlich billiger kommen, die ständig steigenden Prämien könnten gesenkt werden. Dies auch deshalb, weil nicht alle – ob arm oder reich – gleich hohe Prämien bezahlen müssten. Vorgesehen sind nach Einkommen abgestufte Prämien.

Kaum Chancen

“Die Initiative dürfte es schwer haben”, sagt der Politologe Marc Bühlmann von der Universität Zürich gegenüber swissinfo.

Weil die drei bürgerlichen Regierungsparteien die Nein-Parole ausgegeben haben, sei der Unterstützungsgrad bei dieser Initiative recht klein. “Dazu kommt”, so Bühlmann, “dass nur etwa 1 von 12 Volksinitiativen angenommen wird.”

Bühlmann weist auch auf den bisher wenig engagierten Abstimmungskampf hin. “Es ist die einzige Vorlage am 11. März und die Befürworter treten lau und nicht mal als Einheit auf.”

Tatsächlich spaltet die Einheitskasse sogar die Linke. Die Gewerkschaft Syna zum Beispiel begrüsst an und für sich die Idee einer Einheitskasse für die Grundversicherung, wie Sprecherin Prisca Widmer sagte.

“Aber wir stören uns an der vagen Vorgabe der Prämienausgestaltung und befürchten, dass die mittleren Einkommen stärker belastet werden, weil auch bei der Einheitskasse wieder jeder Kanton die Prämien festlegen kann.”

Der Verlust von Arbeitsplätzen ist für die Syna eher sekundär. “Wir denken, dass die Verwaltung der Kasse in die grossen Zentren verlegt würde und damit in den Randregionen Arbeitsplätze abgebaut werden”, sagt Widmer.

Gegensatz Deutschschweiz – Romandie

Auch die Konsumentenschutz-Organisationen sind gespalten. Nicht nur in der Frage Ja oder Nein, sondern auch zwischen der deutschen und französischsprachigen Schweiz.

Die Fédération romande des consommateurs (FRC) tritt ganz klar für ein Ja zur Initiative ein.

Präsidentin Monika Dusong spricht auf der FRC-Internetseite von einer Scheinkonkurrenz der Kassen untereinander (le mythe de la concurrence). Seit 1996 seien die Gesundheitskosten um 46% gestiegen, die Krankenkassenprämien jedoch um 70%, schreibt Dusong.

In der deutschsprachigen Schweiz vertritt die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) die Interessen der Konsumenten.

Doch im Gegensatz zur Romandie hat die SKS keine Parole zur Abstimmung beschlossen. Im Tages-Anzeiger sagte SKS-Geschäftsführerin Jacqueline Bachmann, dass auch die SKS das heutige Krankenkassensystem in der Schweiz nicht gut finde. “Aber auch die Einheitskrankenkasse bringt keine Lösung.”

Da aber wichtige Exponenten der Sozialdemokratischen Partei (SP), welche die Initiative befürworten, in der Stiftung sitzen, haben wir, so Bachmann, “auf eine Parole verzichtet, nicht aber auf eine Meinung.”

Wohl mehr bezahlen

Viele empfinden es als Nachteil, dass die Initianten nicht sagen können, wie viel Prämie der einzelne in der Einheitskasse bezahlen müsste.

Der Internetvergleichsdienst Comparis hat einen Prämienvergleich ins Netz gestellt. Die Berechnung basiert auf dem Grundmodell des Branchenverbandes santésuisse, der die Vorlage ablehnt. Gemäss diesen Berechnungen würden alle, die ein steuerbares Einkommen von über 30’000 Franken ausweisen, mehr bezahlen als heute.

In der Informationsendung 10 vor 10 des Schweizer Fernsehens sagte SP-Präsident Hans-Jürg Fehr zur Unsicherheit über die künftigen Prämien, dass die SP vor Jahren eine Initiative lancierte hätte, in der präzise gesagt wurde, was zu tun sei.

“Diese Initiative ist grandios gescheitert. Jetzt geben wir die wichtigen Grundsätze vor und der Gesetzgeber soll dann die Details für die Verfassungsänderung ausarbeiten.”

swissinfo, Urs Maurer

Die Volksinitiative “Für eine soziale Einheits-Krankenkasse”, über die am 11. März abgestimmt wird, verlangt für die Grundversicherung eine einzige statt der heute 87 Krankenkassen.

Die Prämien sollen nach dem Einkommen der Versicherten festgelegt werden.

Das Westschweizer “Mouvement populaire des familles” gehört zu den ursprünglichen Initianten.

Fast überall in Europa werden die Krankenkassenprämien nach Einkommen und Vermögen berechnet. In der Schweiz jedoch wird die Prämie unabhängig davon erhoben.

Versicherte mit bescheidenem Einkommen haben aber Anspruch auf Prämien-Reduktion (30% der Bevölkerung).

Das Krankenversicherungs-Gesetz (KVG) schreibt vor, dass jede im Land wohnhafte Person obligatorisch versichert sein muss.

Für die Zusatzversicherung kann man hingegen weiterhin eine der 87 bestehenden Krankenkassen auswählen.

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