Ende der Session: Ruhe nach dem Sturm
In Bern ist die bewegte erste Session des im Herbst neugewählten Parlaments zu Ende gegangen. Sie war geprägt von der Wahl einer neuen Bundesrätin und der Abwahl von Justizminister Blocher.
Trotz aller Aufregung rund um die Regierungswahlen wurde in den 3 Wochen auch gearbeitet: die beiden Parlamentskammern brachten 12 Vorlagen definitiv unter Dach.
Am Ende der parlamentarischen Wintersession bezeichneten die Präsidenten des National- und des Ständerats diesen Monat als sehr bewegt. Doch waren sich trotz Oppositionskurs eines Teils des Nationalrats die Eidgenössischen Räte bei gewissen Schlussabstimmungen einig.
Nationalratspräsident André Bugnon lobte das Vielparteiensystem der Schweiz. Jede Partei habe ihre Daseinsberechtigung, erklärte der Waadtländer Politiker der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Hinter jeder Gruppierung im Saal stünden Tausende von Personen, die diesen ihr Vertrauen gewährt hätten.
Die 7,5 Millionen Einwohner der Schweiz wollten nur Eines: dass die Behörden alles unternähmen, damit ein Leben in gegenseitigem Verständnis, in Sicherheit und Frieden möglich sei.
Versöhnliches Sessions-Ende
Der Präsident der Kleinen Kammer, Christoffel Brändli erinnerte daran, dass er in seiner Eröffnungsrede die Kollegialität und das politisches Klima im Rat in Vordergrund gestellt habe.
Auch die Qualitäten des föderalistischen Staats und selbstverständlich die Präsenz des Kantons Graubünden seien ihm prioritär gewesen. “Beides ist, so meine ich, in hohem Masse eingetreten”, sagte Brändli.
Mit einer neuen Bundesrätin und einer neuen Bundeskanzlerin aus diesem Kanton, wird ihm da kaum jemand widersprechen wollen.
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Ständerat
Zwischen harter und konstruktiver Opposition
Die SVP hat sich am Ende ihrer letzten Session mit offizieller Regierungsbeteiligung zwischen harter und konstruktiver Opposition bewegt. Dem Entscheid der “Mitte-links-Koalition” zum Verbot von Einbürgerungen an der Urne sagte sie den Kampf an, die Prämieninitiative aber zog sie zurück.
Es war – mindestens nach Lesart der SVP – die vorläufig letzte Session im bisherigen Konkordanzsystem. Bei den Schlussabstimmungen am Freitag sprachen ihre Vertreter teils bereits in ihrer neuen Rolle als Oppositionelle. Die Signale dabei waren unterschiedlich.
Zwölf Vorlagen am letzten Sessionstag
Am letzten Tag der Session führten die beiden Räte Schlussabstimmungen zu zwölf Vorlagen durch. Zustimmung fand der Gegenvorschlag zur Volksinitiative der SVP “für tiefere Krankenkassenprämien in der Grundversicherung”.
Darauf zog die SVP die Initiative zurück; zur Volksabstimmung kommt somit nur noch der Gegenvorschlag.
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Nationalrat
Abfuhren beim Verbandsbeschwerderecht
Der Ständerat hiess zudem den Bundesbeschluss gut, der Volk und Ständen die Ablehnung der Volksinitiative zur Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts empfiehlt.
Es handelt sich um die Initiative des Zürcher Freisinns, die infolge einer Beschwerde gegen den Bau des neuen Fussballstadions Hardturm in Zürich lanciert worden war.
Obwohl die Probleme mit den Verbandsbeschwerden allgemein anerkannt wurden, erhielt auch der Antrag für einen indirekten Gegenvorschlag eine knappe Abfuhr.
Die Rechtskommission will sich der Thematik nun in Ruhe annehmen. Das Geschäft des Verbandsbeschwerderechts geht nun an den Nationalrat.
Nationalrat verlängert Behandlungsfrist
Der Nationalrat verlängerte im Übrigen für eine parlamentarische Initiative die Behandlungsfrist und schrieb drei parlamentarische Initiativen ab.
Die Abschreibung einer Luzerner Standesinitiative zur Lockerung des Raumplanungsgesetzes für landwirtschaftliche Bauten lehnte er ab.
Die grosse Kammer nahm zudem am letzten Sessionstag Kenntnis vom Bericht über die Tätigkeiten der nicht ständigen Delegationen.
swissinfo und Agenturen
Die rechtsbürgerliche SVP hat in dieser Session einen Rollenwechsel angesagt. Nach der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat und der Wahl der von der Partei unerwünschten Eveline Widmer-Schlumpf hat sich die SVP zu Oppositionspartei erklärt.
Ganz klar ist diese Rolle aber noch nicht, denn das schweizerische Polit-System beruht auf Konkordanz. Eine Trennung in Regierungs- und Oppositionslager ist systemfremd.
Auch die SVP selbst scheint sich mit der neuen Rolle noch schwer zu tun: Einerseits zog sie zugunsten eines parlamentarischen Gegenvorschlags ihre Initiative für billigere Krankenkassenprämien zurück.
Andererseits markierte sie eine harte Linie gegen die Weigerung des Parlaments, Einbürgerungen an der Urne zuzulassen. Dem stellt sie ihre Initiative “für demokratische Einbürgerungen” entgegen.
Ironie der Situation: beide Parlamentskammern werden derzeit von Vertretern der SVP präsidiert: Christophel Brändli im Ständerat, André Bugnon im Nationalrat. Sie haben damit auch eine vermittelnde Funktion.
Beide fanden zu Sessionsschluss versöhnende Worte: Bugnon lobte das schweizerische Vielparteiensystem, Brändli erinnerte an die Wichtigkeit von Kollegialität und politischer Kultur.
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