Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Englisch – im Tourismus ein “Must”

Der Lokführer wird zum Engine Driver, ob er will oder nicht. swissinfo.ch

Englisch ist cool und trendy und aus dem Tourismus-Geschäft nicht mehr wegzudenken. Der Lokführer wird zum Engine Driver, der Reiseveranstalter zum Tour Operator.

swissinfo hat sich auf einer Reise durchs wonderful Berner Oberland dem herrschenden Zeitgeist gestellt.

Die Reise beginnt am Bahnhof Bern, der Rail City, und führt zuerst nach Interlaken, einer Hochburg englischsprachiger Touristen. Rund 60% der Gäste kommen aus Übersee.

Dass die englische Sprache hier omnipräsent ist, merkt man bald. Kein Wunder, wurde doch das Berner Oberland als Touristen-Paradies von den Engländern vor 100 Jahren praktisch erfunden.

In der Region Interlaken ist das Angebot für Touristen enorm, weder dem gut Betuchten noch dem Backpacker dürfte es langweilig werden.

Fun im Oberland

Da wird ein Besuch im Mystery-Park des Bestsellerautors Erich von Däniken angepriesen, ein Ausflug aufs Jungfraujoch – Top of Europe – oder aufs knapp 3000 m hoch gelegene Schilthorn, den Magic Mountain.

Oder wie wärs mit dem World Barbecue Gold Cup Interlaken im Mai, einer Wellness-Woche oder einer Canyoning-Tour durch den Saxetbach bei Wilderswil – im Rahmen des neuen Soft Adventure-Programms?



Für den durchschnittlichen Schweizer Skifahrer gibt es immerhin den Snow’n’Rail-Pass. Schweizer Wandervögel sind kaum Thema.

Die gehören ganz klar nicht zum Zielpublikum der häufig anglophilen Werbekampagnen von Interlaken Tourismus, wie mir Direktor Stefan Otz erklärt:

“Der Einheimische muss unsere Botschaft nicht verstehen. Der Wurm muss dem Fisch passen, nicht dem Fischer. Das heisst, unsere Werbesprache muss auf dem Markt ankommen.”

Globalisierter Tourismus

Für Stefan Otz, der 6 Jahre lang für Schweiz Tourismus in den USA tätig war, ist der Tourismus geradezu prädestiniert für das Englische: “Die Internationalität im Tourismus ist da. Ohne Englisch läuft gar nichts mehr. Wir folgen dem Zeitgeist.”

Interlaken konnte im schwierigen Jahr 2003 seine Zahl der Logiernächte um 4% steigern. Ob das dank der Werbung erfolgte, könne man nicht messen: “50% der Werbegelder sind zum Fenster hinausgeworfenes Geld, sagt man. Aber welche 50% sind es?”

Laut dem Interlakner Tourismus-Direktor hat das Eindringen der englischen Sprache in die Tourismus-Werbung vor rund 10 Jahren schleichend angefangen und sich in den letzten 3 – 5 Jahren intensiviert.

Negative Reaktionen gebe es kaum, höchstens von Sprachpuristen. Er selber findet diese Entwicklung nicht schlimm:

“Solange man seine Wurzeln kennt, mag es das vertragen. Es geht um ein gesundes Verhältnis zwischen unserer Sprache und dem Zeitgeist.”

Schwiizer Wuche bei McDonald’s

Von Interlaken West geht es zu Fuss weiter nach Interlaken Ost. Souvenir-Läden wechseln sich ab mit Restaurants und Cafés. Cuckoo and Clocks, Swiss Army Knives, und bei McDonald’s ist gerade “Schwiizer Wuche”.

Die Berner Oberlandbahn bringt mich von Interlaken nach Lauterbrunnen. Ein Plakat im Zug wirbt für das SnowpenAir auf der Kleinen Scheidegg. Es spielen Bryan Adams und die Lovebugs, das Konzert ist ausverkauft.

Von Lauterbrunnen geht es mit einer Standseilbahn 685 Höhenmeter hinauf zur Grütschalp. Hier wechselt das Bahnsystem: Die Mürrenbahn, ein Einwagenzug mit einem vorgestellten Güterwagen, voll mit Heuballen beladen, bringt uns weiter ins verkehrsfreie Mürren.

Die Bergbahn Lauterbrunnen – Mürren wurde 1891 eröffnet. Wagen und Einrichtung sind simpel und bescheiden geblieben, von Trend in Richtung Moderne keine Spur. Ausser, wenn man den Mann in der Führerkabine etwas genauer betrachtet.

Ich mache meinen Job

Beat Schneider, Lokführer bei der Mürrenbahn seit Jahren, führt die Bahn durch die idyllische Winterlandschaft. Auf seiner hellblauen Jacke prangt die Aufschrift “Engine Driver”.

“Ist nicht meine Erfindung”, sagt er lachend. Er finde die Idee nicht toll. Ihm sei egal, was er trage. Er mache hier seinen Job – als Engine Driver nicht anders als zuvor.

Ein älterer Tourist aus Deutschland schüttelt resigniert den Kopf: “Es ist doch überall das Gleiche. Das ist ein Tribut an die amerikanischen Touristen.”

Laut Hans Meier von der Jungfraubahnen Management AG handelt es sich bei diesem neuen Outfit der Lokführer sowohl um eine Werbeaktion wie auch einen Gag. Aber nicht nur:

“Die Gäste sollen ein Gefühl der Sicherheit erhalten, und das Lokpersonal soll mit dieser Anschrift seine Verantwortung spüren.”

Mit oder ohne Aufschrift – Engine Driver Schneider steuert den Einwagenzug sicher und mit grossem Know-how ins Bergdorf Mürren, gelegen auf 1650 m. Langsam ziehen die Wolken ab, die Sicht wird klarer: Gross und majestätisch stehen sie da die drei Prunkberge, Eiger, Mönch und Virgin – sorry: Jungfrau.

swissinfo, Gaby Ochsenbein, Mürren

60% der Gäste in der Region Interlaken kommen aus Übersee, v.a. aus Japan, USA, Indien, Korea.
Zahlreich sind auch die Touristen aus Grossbritannien.
2003 konnte Interlaken seine Logiernächte um 4% steigern.

Die englische Sprache wird immer wichtiger – auch im Tourismus.

Diese Entwicklung begann vor rund 10 Jahren und wurde in den letzten 3 Jahren intensiviert.

Für die Tourismus-Branche ist Englisch unumgänglich geworden. Meetings werden häufig auf Englisch geführt.

Die Branche folgt damit einem Trend der Zeit.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft