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Entwicklungsland Schweiz

Vom Küchentisch aus die Adresse ändern: E-Government soll es möglich machen. Keystone

In Sachen e-Government ist die Schweiz ein Entwicklungsland, sagt eine Studie. Die zuständige Bundesstelle relativiert.

In Schulen sind Computer mit Internetzugang eine Selbstverständlichkeit, Steuererklärungen können elektronisch ausgefüllt, der Salatkopf per Mausklick nach Hause beordert, Baubewilligungen auf den verschlungenen Verwaltungswegen virtuell mitverfolgt werden. Bezüglich Internet-Nutzung nimmt die Schweiz einen Spitzenplatz ein.

Doch die Auftritte der Verwaltungen in der Schweiz – von kommunal bis national – sind “primär ‘elektronische Amtsanzeiger'”, weil sie vor allem Verwaltungstexte und -informationen vermitteln. Im internationalen Vergleich rangiert die Schweiz in Sachen e-Government nicht unter den ersten 20. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Hewlett-Packard und ConsultingWorld.

Digitale Kluft zwischen den Kantonen

Die repräsentative Studie evaluierte im letzten Winter die Internet-Auftritte aller Kantone, Städte und Hauptorte sowie diejenige des Bundes. Resultat: Die Qualität ist nicht abhängig von der Grösse, sondern vom Geld. Und ihr düsterer Ausblick lautet: “Mit Blick auf die bevorstehenden grossen Investitionen besteht die Gefahr eines zunehmenden digitalen Grabens zwischen reichen und armen Kantonen.”

Die Studie kritisiert unter anderem, dass der Schweizerische Föderalismus zu zuvielen unterschiedlichen Lösungen führt. Weil sich die Auftritte nicht an Lebenslagen orientierten, sei der Suchaufwand oft beträchtlich. Interaktions-Möglichkeiten fehlten meist. Auch eine Strategie fehle mancherorts respektive der Wille zur Umsetzung.

Rasante Entwicklungen

Die virtuelle Welt dreht sich schneller als die reelle. Die Technologie macht riesige Fortschritte. Die Entwicklung in Sachen e-Government bleibt auch nicht stehen, ist Wanda Suter, Kommunikations-Verantwortliche des so genannten Guichet Virtuel, dem e-Government-Projekt der Schweiz, überzeugt.

“Es ist wahr, mit den neuen Technologien, darf man nicht zu stark zurück bleiben. Aber Vorreiter zu sein, ist nicht unbedingt ein Vorteil. Wenn man etwas wartet, sinken auch die Risiken”, gibt Wanda Suter zu bedenken. Und: Im Februar hat die Schweizer Regierung ihre e-Government-Strategie veröffentlicht. Per Mausklick konnten interessierte Schweizerinnen und Schweizer ihre Kritik und Ideen äussern.

Fertig warten

Und der Guichet Virtuel soll Anfang nächstes Jahr bereits geöffnet werden. Ziel ist: Statt in der Schalterhalle Schlange stehen, einfaches Wandern durch das World Wide Web. Wegweiser führen zur richtigen Stelle, am richtigen Ort. Sei dies, um die Identitätskarte zu verlängern, oder eine Jagd-Lizenz zu lösen.

Problem ist einzig: Der Kanton, die Gemeinden müssen diese virtuellen Stellen auch reell anbieten. Kein Wegweiser, sei er noch so gut gemeint, nützt, wenn er in die Sackgasse führt. Deshalb helfen und motivieren die Verantwortlichen des Guichet Virtuel Kantonen und Gemeinden, erklärt Wanda Suter gegenüber swissinfo.

Und wer anderen hilft, einen guten Auftritt zu realisieren, kann einen Solidaritätspreis gewinnen, relativiert Suter die digitale Kluft zwischen armen und reichen Kantonen.

USA top – Schweiz mittelmässig

International gesehen führen die USA die Top 20 e-Government Länder an, gefolgt von Taiwan und Australien. Die Studie hat errechnet, dass sich die Schweiz auf Platz 22 tummelt.

Gefragte Dienstleistungen sind, das zeigen Erfahrungen aus Deutschland, Frankreich, Italien, England und den Niederlanden: Adress- und Status-Änderungen, Reservation von Arzt- und Krankenhaus-Terminen, Fahrzeug-Registrierung und -ausweiserneuerung. Auch e-Voting ist gefragt.

In der Direkten Demokratie der Schweiz ist letzteres kein Fremdwort. Für die Juni-Abstimmungen konnten 16’000 Genfer Schülerinnen und Schüler per Mausklick abstimmen. Es war ein Versuch. Wann es Realität wird, steht vielleicht in der unübersichtlichen Datenautobahn des www geschrieben.

Rebecca Vermot

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