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Es lebe der Föderalismus, aber welcher?

Bundeshausfassade mit wehenden Kantonsfahnen am Nationalfeiertag. Keystone Archive

Die erste nationale Föderalismus-Konferenz in Freiburg war so erfolgreich, dass man bereits an eine zweite Ausgabe denkt.

An den Debatten beteiligte sich auch Bundesrat Christoph Blocher. Man war sich einig, dass der Föderalismus ständig überprüft werden müsse, aber nicht über die Methoden.

An der ersten nationalen Föderalismus-Konferenz, die am Donnerstag und Freitag in Freiburg stattfand, sei eine breite Palette von Meinungen zum Thema Föderalismus präsentiert worden, konstatierte Pascal Corminboef, Staatsrat (Minister) des Kantons Freiburg. Er lobte das Niveau der Debatten.

Die Schweiz sollte sich nach den Worten von Bundesrat Blocher auf den wahren Kern des Föderalismus und den Wert der Eigenverantwortung zurückbesinnen. “Kooperativer Föderalismus” mit “geteilter Verantwortung” schwäche dagegen den Wettbewerb der Systeme.

In seiner Rede am Donnerstag erteilte der Justizminister dem kooperativen Föderalismus mit seiner Aufteilung von Verantwortung eine klare Absage.

Er habe dazu geführt, dass an die Stelle klarer Selbstverantwortung von Gemeinden, Kantonen und Bund ein verflochtenes und unüberschaubares Gebilde getreten sei. So würden die Aufgaben des Staates ausgebaut, die Kompetenzen der Kantone beschnitten.

Verwischung von Kompetenzen und Verantwortung

Das wirtschaftliche Nullwachstum bei gleichzeitigem Wachstum von Staatsausgaben und Staatsverschuldung hängen nach seinen Worten mit der Verwischung von Kompetenzen und Verantwortung zusammen. Blocher sprach einem Wettbewerb der Systeme das Wort. Dabei sei die Ungleichheit als Wert und Chance zu sehen.

Weder Corminboef noch sein Tessiner Kollege Luigi Pedrazzini fühlten sich von den Worten Blochers sonderlich provoziert. Natürlich sei es nötig, den Föderalismus zu revidieren. Aber der Bundesstaat sei keine Holding mit Mehrheitsaktionären in den Kantonen.

Föderalismus bleibt Grundpfeiler der Schweiz

Für die Freiburger Regierungsrätin Ruth Lüthi ist Föderalismus ist auch in Zukunft ein Grundpfeiler der Schweiz.

Wer dem Föderalismus in der Schweiz neue Impulse geben wolle, müsse sich mit allen Problemen des Landes auseinandersetzten – so schwierig sie auch seien, sagte Lüthi. Nach dem Neuen Finanzausgleich müssten nun, als weitere Knacknüsse des Föderalismus, die Steuerharmonisierung und die Gebietsreform angegangen werden.

Zusammenarbeit der Kantone stärken

Die Bündner Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf warnte vor Tendenzen, politische Entscheide zu zentralisieren und so den Föderalismus seiner Substanz zu berauben.

Wenn sich die Kantone dieser Herausforderung stellen wollten, müssten sie ihre Zusammenarbeit stärken. Das “Haus der Kantone”, das das Gewicht der Stände in Bundesbern erhöhen soll, sei ein Schritt in diese Richtung.

Funktioniert Föderalismus?

Auch bei den verschiedenen Round-Table-Diskussionen prallten die Meinungen aufeinander. Nach Meinung von Wolf Linder, Professor für politische Wissenschaft an der Universität Bern, brauche der Föderalismus keine Revitalisierung, denn er funktioniere.

Genau dies bezweifelte der Journalist Pascal Décaillet. Föderalismus sei manchmal nahe bei der Lächerlichkeit, etwa im Zusammenhang mit der Aussenpolitik.

Der Lausanner Politologie-Professor Pascal Sciarini sieht eine schleichende Zentralisierung der Macht in den Händen des Bundes. Die Frage sei, ob die Kantone so weiterfahren wollten.

Weitere Konferenz vorgesehen

Die Organisatoren zeigten sich angesichts der anregenden, reichhaltigen Debatten befriedigt von der Föderalismuskonferenz. Sie war vom Bund, der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) und dem Kanton Freiburg in Zusammenarbeit mit dem Gemeinde- und dem Städteverband organisiert worden.

Laut Staatsrat Pedrazzini will die KdK die Konferenz nun auswerten und dann entscheiden, wann und wo eine Folgekonferenz organisiert wird.

swissinfo und Agenturen

Die 1. Nationale Föderalismus-Konferenz vom 15. und 16. September wurde organisiert vom Bund, der Konferenz der Kantonsregierungen, dem Kanton Freiburg, dem Schweizerischen Gemeindeverband und dem Schweizerischen Städteverband.

Die Konferenz diskutierte über

– das Funktionieren der sich wandelnden Einrichtungen des Bundesstaates

– Lösungen, die auf die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts antworten sollten

– Formen der Zusammenarbeit, mit denen sich das Land vorwärts bringen lässt

– Staatsaufgaben, die sich durch Zusammenarbeit besser und effizienter bewältigen lassen

– Möglichkeiten und Grenzen des kooperativen Föderalismus

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