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Europäischer Aktionstag “In die Stadt – ohne mein Auto”

27 Schweizer Städte und Gemeinden beteiligten sich am autofreien Samstag. Keystone Archive

Keine Durchfahrt für Autos und zum Teil Nulltarif beim öffentlichen Verkehr: 27 Schweizer Städte und Gemeinden haben sich am Samstag am zweiten Europäischen Aktionstag "In die Stadt - ohne mein Auto" beteiligt.

Der Aktionstag “In die Stadt – ohne mein Auto” geht auf eine seit 1998 durchgeführte Initiative Frankreichs und Italiens zurück. In der Schweiz nimmt die Stadt Genf seit 1999 daran teil.

Wetterpech

Die Veranstaltungen in Schweizer Gemeinden litten grösstenteils unter dem schlechten Wetter. Trotz des Autoverbots waren in den Innenstädten gleich viele Leute unterwegs wie an anderen Samstagen. In St.Gallen, Luzern, Freiburg, Neuenburg, Le Locle (NE) und La Chaux-de-Fonds (NE) waren die öffentlichen Verkehrsmittel gratis.

In Zürich fiel die geplante Mobilitätsparade aus. Wegen des Dauerregens wäre die nasse Unterlage zu gefährlich gewesen, sagte Projektleiter Lorenz Steinmann.

Die Berner Innenstadt war einzig mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Im Vorfeld des Aktionstags kam es aber auch zu Misstönen. Die Junge SVP hatte zum Boykott aufgerufen.

In Basel blieb die City samt Mittlerer Brücke tagsüber für Autos und teilweise auch für Fahrräder gesperrt. Die öffentlichen Verkehrsmittel boten stattdessen mehr Kurse als üblich an.

St.Gallen gehörte zu jenen Schweizer Städten, die sich erstmals zu einer Teilnahme entschlossen hatten. Hier verteilten die städtischen Verkehrsbetriebe Gutscheine für Gratisfahrten.

In Lausanne blieb der Bahnhofplatz gesperrt. Höhepunkt war die Fahrt der sogenannten Serpentine vom Bahnhof zum Quai in Ouchy. Die Serpentine ist ein ferngesteuertes elektronisches Fahrzeug. In Neuenburg bot die Leitung der Expo.02 zudem Fahrten mit einem Solarschiff an.

In Genf waren die Auswirkungen besonders spürbar. Zwischen 8 und 10 Uhr wurden zwischen Genf und Annemasse (F) 23% weniger Autos registriert als an normalen Samstagen.

Piloterfahrung wichtig

Autos können nicht grundsätzlich aus den Städten verbannt werden. Aktionstage, wie der vom Wochenende, sollen Impulse geben und als Piloterfahrung dienen.

Der Erfolg solcher Aktionen sei nicht unmittelbar messbar, sagt Felix Walter, Leiter des nationalen Forschungsprogramms Verkehr und Umwelt (NFP41). Sie ermöglichten aber, an einem Tag ein anderes Verhalten auszuprobieren und etwa die Erfahrung zu machen, “wie stressfrei es sein kann, ohne Auto in die Stadt zu fahren”, sagt Walter.

Steuerung übers Portemonnaie

Die einzige Möglichkeit, das Mobilitäts-Verhalten grundlegend zu beeinflussen, sieht der Experte in ökonomischen Steuerungs-Instrumenten wie Roadpricing oder Parkplatz-Gebühren. “Sonst bleiben nur Stau oder Verbote als Rationierungsmittel.”

Der Verkehrszuwachs sei in den Städten nicht durch mehr Strassen, sondern nur durch einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs überhaupt aufzufangen. Insofern prognostiziert Walter einen schwindenden Anteil des Autoverkehrs. Ziel sei keine Verteufelung des Autos, sondern ein sinnvolles Nebeneinander der Verkehrsmittel.

Romands nutzen Auto häufiger

Ein ökologisches Potenzial liegt insbesondere in der Romandie. Laut Michael Flamm, Mobilitätsforscher an der ETH Lausanne, besteht in den Westschweizer Agglomerationen durchaus ein Interesse an innovativen Dienstleistungen, wie etwa das überdurchschnittliche Wachstum des Car-Sharings in der Romandie zeige.

TCS: Völlig nutzlos

Für den Touring Club der Schweiz (TCS) hingegen ist der Aktionstag ohne jeglichen Nutzen, auch nicht für die Umwelt. “Solche Kundgebungen sind überhaupt nicht nötig”, sagte TCS-Sprecher Stephan Müller im Vorfeld.

Der Atomobilverband spricht von einem Eingriff in die persönliche Freiheit. “Die Städte haben nicht vorzuschreiben, wann und wo die Automobilisten ihre Wagen benützen dürfen”, sagte Müller. Huntertausende von Leuten müssten am Samstag arbeiten und seien auf ihre Fahrzeuge angewiesen.

swissinfo und Agenturen

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