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Schweiz mit erstem Auftritt an G20 zufrieden

Eveline Widmer-Schlumpf hat in Moskau auch den spanischen Wirtschaftsminister Luis de Guindos (links) und den stellvertretenden türkischen Ministerpräsidenten Ali Babacan getroffen. AFP

Beim Treffen der Finanzminister der G20, das am 16. und 17. Februar in Moskau stattfand, war die Schweiz zum ersten Mal zugelassen. In diesem illustren Kreis, der die Verbesserung des internationalen Finanzsystems zum Ziel hat, konnte sie ihre Stimme einbringen.

“Ich habe mich bei Anton Siluanov (dem russischen Finanzminister NdR) für die Einladung bedankt, die für uns sehr wichtig war, weil sich die Schweiz bei den Vorbereitungen des G20 beteiligen konnte”, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf bei einer Medienkonferenz in der Schweizer Botschaft in Moskau am Ende des Treffens. Dass die Schweiz zum Moskauer Treffen zugelassen wurde, ist nämlich Russland zu verdanken. Das Land präsidiert 2013 die Organisation.

Laut der Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) konnten die Vertrauensbeziehungen zwischen den beiden Ländern in den letzten Jahren gestärkt werden, auch dank der Unterstützung der Schweiz im Beitrittsprozess der Russischen Republik zur WTO und durch die Tatsache, dass die Schweiz seit dem Krieg von 2008 die russischen Interessen in Georgien vertritt und jene Georgiens in Russland.

Abgesehen von Russland hätten aber auch zahlreiche andere Mitglieder der G20 die Teilnahme der Schweiz an der Diskussion gewünscht, wegen deren Erfahrung bei der Stabilisierung des Ausgabenbudgets.

Um die Auswirkungen der globalen Finanzkrise einzugrenzen, haben die meisten Mitglieder der G20 – die mehr als 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts vereinen – Impulsprogramme zur Ankurbelung der Konjunktur für mehrere hundert Millionen Euro lanciert, die das Budget belasten. Seither sind die G20-Staaten mit der Frage konfrontiert, wie sich die Staatsausgaben begrenzen lassen, um das Budget auszugleichen, ohne dabei das ohnehin schwache Wirtschaftswachstum zu gefährden.

Schuldenbremse könnte Schule machen

Für solche Probleme verfügt die Schweiz über eine Erfahrung, an der sie andere Staaten teilhaben lässt. Seit 2003 hat sie in ihrer Verfassung das Konzept einer “Schuldenbremse” verankert. Dieser Budgetmechanismus, der den Staat verpflichtet, Einnahmen und Ausgaben während eines Konjunkturzyklus im Gleichgewicht zu halten, hat es der Schweiz erlaubt, die Schulden durch Ausgabenbegrenzungen zu verringern, ohne das Wirtschaftswachstum zu gefährden.

“Ich weiss, dass sich mehrere Mitglieder der G20 für die Art und Weise interessieren, wie wir das Problem angehen. Beim nächsten Treffen werden die Mechanismen der Schuldenbremse diskutiert werden”, freut sich Eveline Widmer-Schlumpf.

Wenn es um die Frage notwendiger Reformen zur Stabilisierung des internationalen Finanzsystems geht, teilt die Schweiz die Meinung Russlands. Zwar sprechen viele Länder davon, aber nur wenige setzen die Reformen um, wie zum Beispiel die Normen der Bankenregulierung, die sich aus dem Vertragswerk Basel III ergeben. “Wir stehen erst ganz am Anfang bei der Anwendung der neuen Regeln, von denen die Stabilität des internationalen Finanzsystems abhängt”, sagt die Finanzministerin.

Mehrere Fronten

Ein weiterer positiver Punkt, den Eveline Widmer-Schlumpf hervorhebt ist die Tatsache, dass die Schweiz 2013 nicht nur an den Treffen der Finanzminister und der Präsidenten der Zentralbanken der G20 teilnimmt, sondern – wie alle Mitglieder der G20 – auch an den Vorbereitungstreffen und in den Arbeitsgruppen vertreten ist, welche die finanz- und geldpolitischen Fragen behandeln.

“Wir konnten an der Bestimmung des Arbeitsprogramms für das laufende Jahr teilnehmen. Das ist sehr nützlich, weil es uns erlaubt, sehr interessante bilaterale Kontakte zu verlängern. Wobei es natürlich nicht darum geht, der ganzen Welt ein Budgetsystem aufzuzwingen”, bemerkt Alexander Karrer, stellvertretender Staatssekretär, der beim EFD für internationale Finanz- und Steuerfragen zuständig ist.

Die Multis in die Steuerpflicht nehmen…

Die Teilnahme der Schweiz an den Arbeiten der G20 ist für die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes und insbesondere für die Gesetzgebung der Holdingbesteuerung von grosser Bedeutung. Diese befindet sich im Fadenkreuz sowohl der EU als auch der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Allein die Gewinne amerikanischer Gesellschaften, die nicht in die USA geführt werden und deshalb dem Fiskus entwischen, werden auf 1700 Milliarden Dollar geschätzt.

“Damit alle Mitglieder der internationalen Gemeinschaft ihre Schulden in dieser schwierigen Zeit in einem ausgewogenen Verhältnis begleichen können”, sei es nötig, die Gesetze zu ändern, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurria in Begleitung der Finanzminister aus Frankreich, Deutschland und Grossbritannien an einer Medienkonferenz am Rande des G20. Dabei gehe es aber überhaupt nicht darum, das eine oder andere Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu bekämpfen.

Laut der OECD können die Länder dabei nicht im Alleingang vorgehen, sonst riskieren sie, dass ihnen die multinationalen Konzerne den Rücken zudrehen, und sich dort niederlassen, wo günstigere Steuerbedingungen herrschen. “Deshalb müssen wir einen internationalen Rahmen schaffen, um die Steuerpraktiken zu vereinheitlichen”, sagte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble.

…um neue Verzerrungen zu verhindern

“Man muss verhindern, dass die multinationalen Unternehmen das internationale System benutzen, um sich der Steuern zu entziehen”, bilanziert Schäubles französischer Amtskollege Pierre Moscovici. Die Schweiz ist sich des Problems bewusst und bereit, mit allen Partnern darüber zu diskutieren, ob es im Rahmen der OECD oder der G20 sei.

“Auf internationaler Ebene besteht ein Harmonisierungsbedarf in Steuerfragen. Aber dies darf die wirtschaftliche Entwicklung auf keinen Fall bremsen. Diese Reform sollte nicht ermöglichen, dass gewisse Länder privilegierte Bedingungen schaffen, um die Unternehmungen zu unterstützen. Einbezogen werden muss deshalb auch die Subventionspraxis einiger Staaten”, sagt Eveline Widmer-Schlumpf.

Dmitri Medvedev war 2009 der erste russische Präsident, der die Schweiz besuchte.

Seit dem Ende des russisch-georgischen Konflikts 2008, vertritt die Schweiz die diplomatischen Interessen Russlands in Georgien und jene Georgiens in Russland.

Eine Mediation der Schweiz hat dazu geführt, das Georgien das Veto gegenüber einem Beitritt Russlands zur WTO aufgehoben hat. Dadurch wurde die letzte wirtschaftliche Grossmacht Mitglied der Welthandelsorganisation.

Die Schweiz exportiert Güter und Dienstleistungen – hauptsächlich chemische und pharmazeutische Produkte sowie Maschinen und elektrische Geräte – für rund 3 Mrd. Fr. nach Russland. Sie gehört zu den 10 grössten ausländischen Investoren.   

Mit ihren Partnern in der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) – Liechtenstein, Norwegen und Island – verhandelt die Schweiz derzeit ein Freihandelsabkommen mit der Zollunion Russland-Belarus-Kasachstan, welche für die Exporte der EFTA-Staaten der 5. grösste Absatzmarkt darstellt.                     

(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

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