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Finanzmisere: Regierung herausgefordert

Trübe Aussichten für Lobbyisten, die auf Bundesausgaben hoffen. Im Bild: Blick auf das Bundeshaus in Bern. Keystone

Der Bundesrat steht vor der Quadratur des Zirkels: Er muss die Finanzen in den Griff bekommen – und dennoch das Wachstum fördern. Die Regierung hat ihr Legislaturprogramm bis 2007 vorgestellt.

Erstmals kann sich auch das Parlament zu den neun Zielen des Programms äussern.

Der Bundesrat stellt seine Regierungs-Tätigkeit in der Legislaturperiode 2004 bis 2007 unter die Vorgabe einer rigiden Finanzpolitik.

Die Legislaturplanung geht von drei Leitlinien aus: Wohlstand vermehren, demografische Herausforderungen bewältigen und die Stellung der Schweiz in der Welt festigen. Diese Leitlinien werden mit neun Zielen und rund 50 Richtlinien-Geschäften konkretisiert. Gegen 140 Botschaften sollen dem Parlament vorgelegt werden.

Bundeshaushalt entlasten

Als Vorgeschmack der rigiden bundesrätlichen Finanzpolitik war bereits zur Wochenmitte bekannt geworden, dass die Botschaft für Anschlüsse an Hochleistungsstrecken in Deutschland und Frankreich verschoben wird.

Eine Revision des Naturschutzgesetzes für neue Natur- und Landschaftspärke ist sogar völlig aus dem Programm der laufenden Legislatur gekippt worden. Diese Rigidität ärgert vor allem das Umwelt- und Verkehrsdepartement UVEK.

Vorrang erhalten von nun an jene Massnahmen, die den Bundeshaushalt entlasten. Geschäfte, die finanzielle Mehrbelastungen bringen, kämen nur dann in Frage, wenn die Vorgaben der Schuldenbremse eingehalten werden könnten. Prioritär soll das Wirtschafts-Wachstum unterstützt werden.

Kein finanzieller Spielraum

Finanziell bestehe kein Spielraum, sagte Bundespräsident Joseph Deiss am Donnerstag vor den Medien. Auch habe sich die politische Landschaft durch die Parlamentswahlen weiter polarisiert.

Die Bundeskasse weist zur Zeit Milliarden-Defizite aus. Deshalb braucht es finanzpolitische Disziplin. Sach- und Finanzpolitik sollen im Allgemeinen stärker verknüpft werden, sagte Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz.

Der Legislatur-Finanzplan rechnet mit jährlichen Defiziten zwischen 1,8 bis 2,9 Mrd. Franken. 2005 soll das Defizit rund 2,9 Mrd. Franken betragen, 2006 noch 2,4 und 2007 immer noch 1,8 Mrd. Franken.

Die Ausgaben sollen bis 2007 durchschnittlich um 2,8% wachsen, die Einnahmen aber nur um 2,1%.

Weiteres Entlastungsprogramm benötigt

Der Bundesrat bekräftigt in seinem Schlussbericht die Notwendigkeit eines weiteren, zweiten Entlastungsprogramms. Der Sanierungsbedarf betrage dabei rund 2,5 Mrd. Franken. Beim ersten Entlastungsprogramm möchte man rund 3,5 Mrd. Franken einsparen.

Dabei sollen die Sparbemühungen durch eine Verzicht-Planung bei den Aufgaben ergänzt werden. Damit soll die sogenannte Staatsquote, also der Anteil der Staatsausgaben am Bruttosozialprodukt, gesenkt werden. Je niedriger die Staatsquote im internationalen Vergleich ausfällt, desto effizienter geführt und wachstumsbereiter erscheine das Land.

Sachpolitik: Bildung, Forschung, Binnenwettbewerb

“Es geht darum, alles zu tun, um uns wieder auf einen Wachstumspfad zu bringen”, sagte Deiss weiter. Deshalb gilt als erstes Oberziel des Programms das Wirtschafts-Wachstum.

Das heisst konkret: Stärkung von Bildung und Forschung, Ermöglichen von mehr Wettbewerb im Binnenmarkt und zusätzlichen Aufbau der Infrastrukturen. So plane der Bundesrat nach dem Volks-Nein zum Avanti-Gegenvorschlag Anfang dieses Monats eine neue Botschaft zur Förderung des Agglomerations-Verkehrs.

In zweiter Linie müsse die demografische Herausforderung bewältigt werden. Konkret heisst das: Revisionen der AHV, der IV und der Krankenversicherung. Dabei soll der Finanzhaushalt der Sozialwerke AHV und IV vom Bundeshaushalt entkoppelt werden.

An dritter Stelle wird die Stellung der Schweiz in der Welt genannt. Bereits bekannt war, dass der Bundesrat den Beitritt zur EU nicht als eigentliches Ziel der Legislatur aufführt. Hingegen will er 2006 einen Bericht über die Auswirkungen eines Beitritts vorlegen.

Der Bundesrat wolle weiterhin zu Frieden, Armutsverringerung und zur Achtung der Menschenrechte beitragen.

Eine Art Bibel für den Bund

Das Legislaturprogramm sei kein eigentliches Regierungsprogramm, sagte Annemarie Huber-Hotz, aber eine Art Bibel für den Bundesrat, die Verwaltung und das Parlament.

Da das Parlament erstmals an diesem Programm mitwirken könne, so Huber-Hotz, werde sein Charakter dadurch etwas verbindlicher. Damit könnte auch das Zusammenspiel mit dem Bundesrat enger werden.

Verhaltene Reaktionen

Parteien, Arbeitgeber und Gewerkschaften reagierten verhalten. Die Wichtigkeit der Wirtschaftsförderung wurde zwar allseits hervorgehoben. Doch darüber, wie der Aufschwung herbei geführt werden kann, gehen die Meinungen auseinander.

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) will noch mehr sparen als der Bundesrat. Geschäfte, die Mehrkosten verursachten, sollten zurückgestellt werden. Die Freisinnig-demokratische Partei (FDP) fordert mehr Aufmerksamkeit für Bildung und Gesellschaftspolitik. Und der Wirtschaftsverband economiesuisse hätte sich mehr Gewicht bei Bildung und Forschung gewünscht.

Die Linke warnt vor einem weiteren Abbauprogramm. Es gehe nicht, dass die Steuereinnahmen reduziert würden, andererseits aber riesige Sparpläne den Staat zu einer Verzichtsplanung zwängen, hiess es bei der Sozialdemokratischen Partei (SP).

Für die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) hat der Bundesrat zu vieles in den Plan gepackt. Weniger Vorschläge wären eher umsetzbar gewesen, hiess es.

swissinfo und Agenturen

Der Legislaturfinanzplan rechnet 2005 bis 2007 mit Defiziten zwischen 2,9 und 1,8 Milliarden Franken. Mehrausgaben und Mindereinnahmen könnten die Zeche zusätzlich salzen. Ohne das neue Entlastungsprogramm kann die Schuldenbremse nicht eingehalten werden.

Vorrang erhalten deshalb jene Massnahmen, die den Bundeshaushalt entlasten. Prioritär soll das Wirtschafts-Wachstum unterstützt werden. Darin sind sich auch Parteien, Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig.

Legislatur-Finanzplan rechnet mit Jahres-Defiziten zwischen 1,8 und 2,9 Mrd. Franken:
2005: 2,9 Mrd. Franken
2006: 2,4 Mrd. Franken
2007: 1,8 Mrd. Franken

Ausgaben: wachsen bis 2007 durchschnittlich um 2,8%
Einnahmen: wachsen bis 2007 durchschnittlich nur 2,1%

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