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Chronik eines Unglücksfluges

Der Crossair-Unglücksflug von letztem Samstag von Berlin nach Zürich, der mit dem Absturz bei Bassersdorf (ZH) endete, ist vom Büro für Flugunfall-Untersuchungen (BFU) nachgezeichnet worden. Verwendet wurden Flugschreiberdaten, Voice-Recorder-, Radar- und Flugverkehrs-Aufzeichnungen sowie Zeugenaussagen.

20.25 Uhr:
Der Crossair-Jumbolino, ein Flugzeug des Typs British Aerospace Avro 146 RJ 100, landet in Berlin-Tegel. Die Besatzung ist die selbe, wie später beim Rückflug.

20.30 Uhr:
Der Jumbolino erreicht die Fahrgastbrücke 11, die Passagiere verlassen das Flugzeug. Es wird keine Betankung durchgeführt. Die Maschine hat einen Treibstoffvorrat von 5’650 Kilogramm. Für den Rückflug ist ein Verbrauch von 4’893 Kilogramm geplant.

20.50 Uhr:
Der Jumbolino verlässt die Fahrgastbrücke. Der Kapitän ist “Pilot Flying”, der Copilot “Pilot Non Flying” und damit unter anderem für den gesamten Funkverkehr mit den Flugverkehrs-Leitstellen verantwortlich, welcher in Englisch erfolgt. Die Piloten unterhalten sich miteinander vorwiegend auf Schweizerdeutsch.

21.01 Uhr:
Der Jumbolino hebt von Piste 26 L in Berlin-Tegel ab. Funkgespräche und Flugprofil zeigen keine Besonderheiten. Es gibt keine Hinweise auf Missverständnisse zwischen den Piloten untereinander oder zwischen Piloten und Flugverkehrsleitern.

21.36 Uhr:
Die Maschine fliegt im Kontrollbereich von Frankfurt Radar auf dem so genannten Flight Level (FL, Flugfläche) 270.

21.40 Uhr:
Freigabe des Sinkflugs auf FL 240.

21.42 Uhr:
Freigabe des Sinkflugs auf FL 160. Der Kapitän erklärt dem Copiloten mündlich, wie der Landeanflug durchzuführen sei (“Approach Briefing”). Grundlage der Besprechung war die Erwartung eines Instrumenten-Anflugs auf Piste 14 in Zürich-Kloten nach Standardverfahren.

21.44 Uhr:
Übergabe des Jumbolinos an die Flugverkehrsleitstelle Zurich Radar, Freigabe des Sinkflugs auf FL 130.

21.48 Uhr:
Übergabe des Jumbolinos an die Flugverkehrsleitstelle Zurich Arrival. Diese informiert die Besatzung, dass ein Standard-VOR/DME-Anflug auf Piste 28 vorgesehen sei. Kurz darauf wird die Besatzung angewiesen, in eine Warteschleife zu fliegen. Nach dem Einflug erfolgt im Cockpit ein erneutes “Approach Briefing”. Der Kapitän erklärt das Anflugverfahren und erwähnt, dass die minimale Sicherheitshöhe für den Sinkflug während des Endanflugs (“Minimum Descent Altitude”) 2’390 Fuss (etwa 728 Meter) über dem mittleren Meeresspiegel beträgt. Unter anderem spricht er auch über die Anzeige von 300 Fuss (rund 91 Metern) auf den Radio-Höhenmessern. BFU-Chef Jean Overney sagt später, damit sei der Radar-Höhenmesser gemeint.

21.54 Uhr:
Die Besatzung wird angewiesen, nach rechts auf den Steuerkurs 180 Grad zu drehen.

21.56 Uhr:
Befehl der Flugverkehrs-Leitstelle zum Anschneiden und anschliessenden Folgen der Anflugstandlinie (Radial Inbound) 125 Grad des UKW-Drehfunkfeuers Zurich East (VOR ZUE). Kurze Zeit später folgt die Freigabe zum Sinkflug auf 6.000 Fuss (1.829 Meter) mit einer Höhenmessereinstellung von 1.024 hPa QNH (Druck auf Meereshöhe in Hektopascal, berechnet mit den Werten der ICAO-Standardatmosphäre). Der Kapitän bestätigt die entsprechende Einstellung seines primären Höhenmessers. Die Besatzung überprüft die Anzeige der Höhenmesser anschliessend durch einen Quervergleich.

21.58 Uhr:
Freigabe für einen Standard-VOR/DME-Anflug auf Piste 28. Anweisung zur Geschwindigkeits-Drosselung auf 180 Knoten (333,36 Kilometer pro Stunde, km/h).

22.03 Uhr:
Übergabe des Jumbolinos an die Flugverkehrsleitstelle Zurich Aerodrome Control. Das Flugzeug befindet sich im Sinkflug zwischen 5000 und 4000 Fuss (etwa 1524 bis 1219 Metern). Die Maschine drehte anschliessend nach rechts, um die Anflugstandlinie von 275 Grad anzufliegen und dieser zu folgen. In der Rechtskurve sagt der Kapitän zum Copiloten, er habe Sicht auf den Boden.

22.04 Uhr:
Die unmittelbar vor dem Jumbolino auf Piste 28 landende Maschine meldete auf der Funkfrequenz von Zurich Aerodrome Control, die Piste sei ungefähr bei einer DME-Distanz von 2,2 nautischen Meilen (4,074 km) sichtbar geworden.

21.05 Uhr:
Der Jumbolino meldet, er sei auf dem VOR/DME-Anflug auf Piste 28 stabilisiert. Kurz darauf beendet die Besatzung den “final check” als Vorbereitung zur Landung. Wenig später meldet der Kapitän laut BFU, er habe erkannt, dass er auf der “Minimum Descent Altitude” angelangt sei, und verfüge “über eine gewisse Sicht auf den Boden”. Kurze Zeit später gibt die synthetische Stimme des Radar-Höhenmessers den Hinweis, dass 500 Fuss (152 Meter) über Grund erreicht seien.

21.06 Uhr:
Die “Minimum”-Meldung der synthetischen Stimme des Radar-Höhenmessers ertönt. Unmittelbar darauf erteilt die Flugverkehrsleitstelle die Lande-Erlaubnis. Am Schluss dieses Funkspruchs befiehlt der Kapitän einen Durchstart, und es ertönt das akustische Hinweissignal für das Ausschalten des Autopiloten. Unmittelbar darauf äussert auch der Copilot die Durchstart-Absicht. Eine Sekunde später beginnt der Voice-Recorder die Geräusche eines Aufpralls aufzunehmen. Kurze Zeit später bricht die Aufzeichnung ab.

swissinfo und Agenturen

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