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Ein Hauch von Bergluft als Marketing-Motor

Heimat im Zeitalter der Globalisierung: Alpkäserei. (Bild: RGB)

Mit der neuen Produktlinie "Pro Montagna" will sich der Grossverteiler Coop weiter im wachsenden Markt der als gesund und nachhaltig geltenden Lebensmittel positionieren.

Die Produkte – Milch, Käse, Fleisch – werden in den Bergregionen produziert und verarbeitet. Der Grossverteiler will damit Berggebiete und ihre Produktions-Strukturen stärken.

Coop bezeichnet die neue Linie als Ergänzung des Angebots mit authentischen Produkten aus den Bergen.

“Für die Berggebiete stellt es eine zusätzliche Wertschöpfung dar”, erklärt Coop-Mediensprecher Takashi Sugimoto gegenüber swissinfo.

Pro-Montagna-Produkte müssen aus einem Berggebiet stammen. Das heisst, die Aufzucht der Tiere erfolgt in der Bergregion. Pflanzen müssen dort angebaut werden – auf konventionelle oder auf biologische Art.

Auch die Verarbeitung der Rohstoffe muss in einer der vom Bund definierten Bergregionen stattfinden.

Nur so könnten die dringend benötigten Arbeitsplätze in Bergmolkereien und -käsereien gesichert und wirtschaftlich benachteiligte Regionen nachhaltig unterstützt werden.

2,5% des Kaufpreises fliessen in die seit 65 Jahren existierende Coop Patenschaft für Berggebiete. Bei einem angepeilten Umsatz von 20 Millionen sind das rund 500’000 Franken.

Heimat im Zeitalter der Globalisierung

Der Grossverteiler peilt mit der im moderaten Hochpreissegment positionierten neuen Linie primär eine urbane Kundschaft an. Hier ortet Coop viele Konsumenten, die sich bewusst mit ihrer Ernährung und deren Produktion auseinander setzen. Die Zielgruppe heisst in der Sprache der Marketingstrategen LOHAS (Lifestyle Of Health And Sustainability).

“Die Herkunft der Produkte spielt heute eine viel grössere Rolle als in der Vergangenheit. Berge sind diesbezüglich ein klares Symbol”, analysiert der Leiter des Kompetenzzentrums “Brand Management” der Universität St. Gallen, Joachim Kernstock. “Die Globalisation geht einher mit einer Gegenbewegung: In Frankreich und auch anderswo verkaufen sich Nischenprodukte extrem gut.”

Aufwand für Bio zu hoch

Nischenprodukte und Grossverteiler: Das erfordert Mindestmengen und eine konstante Produktion. “Für Käse müssen zum Beispiel mindestens 10 Tonnen einer Sorte produziert werden, damit wir ihn das ganze Jahr landesweit vertreiben können. Besser wären 30 Tonnen”, führt dazu Lorenz Wyss, Leiter der Beschaffung Lebensmittel bei Coop aus.

Mengen und Logistik setzen dem Konzept Grenzen. Das Sortiment besteht trotz seinem Anspruch an Nachhaltigkeit und Natürlichkeit lediglich zu einem Teil aus Bio-Produkten.

“Hier wollten wir keine zusätzliche Hürde einbauen. Der Aufwand für die Bio-Zertifizierung aller Produkte wäre zu hoch.” Bergproduktion sei zudem an sich natürlicher, suggeriert Sugimoto.

Logistik verlangt Kompromisse

Auch bei Transportwegen und Endverarbeitung geht der Grossverteiler Kompromisse ein. So wird etwa der Bio-Hartkäse “Etivaz” in den Waadtländer Alpen verkäst und gelagert. Verpackt und vertrieben wird das Produkt jedoch durch einen industriellen Milchverarbeiter im Mittelland.

Für Bündnerfleisch muss das Fleisch aus der Bergzone stammen. Das heisst: Das Rindvieh muss zwar auf einer Schweizer- jedoch nicht zwingend auf einer Bündner Bergweide – gegrast haben. Das Bündnerland sei nicht in der Lage, genügend Fleisch zu liefern, begründet der Grossverteiler.

Schlachtung im Unterland

Geschlachtet werden die Tiere aber im Unterland. Coop begründet dies damit, dass es im Berggebiet keine geeigneten grösseren Schlachthöfe mehr gebe und weist darauf hin, dass die Praxis mit der Berg- und Alp-Verordnung des Bundesamtes für Landwirtschaft konform sei.

Die Fahrt vom Bauernhof bis zum Schlachthaus darf nicht länger als sechs Stunden dauern. So verlangt es das Tierschutzgesetz.

Zum Salzen und Trocknen wird das Fleisch anschliessend wieder ins Bündnerland gefahren und dort getrocknet. Bis das Berg-Bündnerfleisch im Verkaufs-Regal liegt, ist es also mehrere hundert Kilometer weit gereist.

swissinfo, Andreas Keiser

“Pro Montagna” startet mit 23 Artikeln. Bis Ende 2007 sollen es 40 bis 50 Artikel sein.

Neben Milch, Käse und Fleisch soll die Linie später auch Tee, Blumen und Pflanzen umfassen.

Coop rechnet für 2007 mit einem Umsatz von rund 20 Mio. Fr. (Jahresumsatz 2006: 14 Mrd. Fr.)

Die Konkurrentin Migros lancierte 2004 ihre “Heidi”-Linie mit grossmehrheitlich Milchprodukten aus den Berggebieten.

Diese Linie generierte 2006 einen Umsatz von 50 Mio. Franken.

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