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Leitsätze gegen zu viele Steuergeschenke

Obwalden, die neue Steueridylle, bereitet auch in der Schweiz Kopfzerbrechen. Keystone

Auch nach dem neuem Steuergesetz in Obwalden befürworten die kantonalen Finanzdirektoren einen Steuerwettbewerb ohne exzessive Ausgestaltung.

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz gab bekannt, dass sie das neue Obwaldner Steuergesetz nicht vor Bundesgericht ziehe.

Die kantonalen Finanzdirektoren sagen im Prinzip Ja zum Steuerwettbewerb unter den Kantonen und lehnen eine materielle Steuerharmonisierung ab. Beschlossen haben sie dies am Freitag an der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK) in Bern.

Der Steuerwettbewerb verhindere eine ungebremste Erhöhung der Steuerbelastung. Dieser dürfe aber nicht exzessiv sein, sonst würde der Ausgleich der Kantonshaushalte darunter leiden, und die Kantone müssten mit einer Zunahme der Verschuldung rechnen.

“Die Finanzdirektoren möchten eigentlich nicht, dass man hier in eine Abwärts- Spirale hineingerät, d.h. dass man sich gegenseitig immer mehr übertrumpft mit Steuerabbau. Am Schluss klafft in den öffentlichen Haushalten dann auf der Einnahmenseite ein immer grösseres Loch”, sagt FDK-Sprecher Kurt Stalder gegenüber swissinfo.

Eine wegen der grossen Steuerunterschiede unter den Kantonen materielle Steuerharmonisierung lehnen die Finanzdirektoren trotzdem ab, weil sie die Autonomie der Kantone fundamental gefährden würde. Der Bund würde dann die Steuer- und Finanzpolitik der Kantone festlegen.

Ausschuss soll Situation analysieren

Die Finanzdirektoren beschlossen, einen Ausschuss einzusetzen, der die Entwicklung der kantonalen Steuerordnungen und der Steuerkonkurrenz analysieren soll. Der Ausschuss wird auch Leitsätze für die Gestaltung kantonaler Steuerordnungen entwerfen.

Anlass zur FDK-Sitzung war der Entscheid der Stimmberechtigten des Kantons Obwalden, ein neues Steuergesetz mit degressivem Tarif einzuführen. Die FDK liess sich zwar darüber informieren, nahm jedoch keine Stellung dazu.

Mit dem erwähnten neuen Steuergesetz wurde Obwalden auf einen Schlag vom Hoch- zum Tiefsteuerkanton. Dank einem Gewinnsteuersatz von 6,6% zahlen Firmen nun nirgends in der Schweiz weniger Steuern.

Auch die Privaten profitieren: Wer bis 70’000 Franken verdient, zahlt künftig 8 bis 10% weniger Steuern. Einkommen bis 300’000 Franken werden um bis zu 6% entlastet.

Ab einem Einkommen von 300’000 Franken schrumpft der Steuersatz kontinuierlich von 2,35% auf bis zu 1,0%.

SP geht nicht ans Bundesgericht

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) verzichtete am Freitag auf eine staatsrechtliche Beschwerde gegen das neue Obwaldner Steuergesetz. Sie will nach dem Rückzug eines Einsprechers die zu befürchtenden “Repressalien” nicht einer einzigen Person zumuten.

Eine der beiden Personen, die sich zur Beschwerde bereit erklärt hätten, habe ihre Zusage aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes zurücknehmen müssen, sagte SP-Präsident Hans-Jürg Fehr.

Die Europäische Kommission hat die Schweiz bereits früher für ihre Steuergesetzgebung gegenüber reichen Personen kritisiert. Die EU ist gar der Meinung, die Steuergesetzte von etlichen Kantonen würden das Freihandelsabkommen von 1972 verletzen.

Frage der Fairness

Der immer stärker werdende Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen könnte negative Auswirkungen auf unser Gesellschaftssystem haben, sagt der Steuerexperte Gebhard Kirchgässer von der Universität St. Gallen gegenüber swissinfo.

“Wenn es nur einige kleine Kantone machen, um reiche Personen anzulocken, dann sehe ich kein Problem. Wenn aber die degressive Besteuerung weit verbreitet ist, dann kann es dazu führen, dass die Bereitwilligkeit, Steuern zu zahlen, sinkt, ja sogar die Bereitschaft überhaupt zu arbeiten”, so Kirchgässer.

Wenn die Steuerlast nur auf die kleinen und mittleren Einkommen verteilt würde, dann fühlten sich diese unfair behandelt.

swissinfo und Agenturen

Der grösste Teil der Steuern in der Schweiz geht an die Kantone und Gemeinden.
Die Bundessteuer dagegen ist eher klein, denn der grösste Teil der Bundes- einnahmen stammt aus indirekten Steuern wie Mehrwertsteuer, Benzin- und Einfuhrzöllen.
Kantone und Gemeinden sind in ihrer Steuerpolitik autonom. Das führt zu einem landesinternen Steuerwettbewerb, denn tiefe Steuern locken reiche Privatpersonen und Firmen an.

Etliche Schweizer Kantone haben einen der weltweit tiefsten Steuersätze für Unternehmen.

Die Europäische Union (EU) ist der Meinung, dass die Steuergesetze etlicher Kantone (Zug, Schwyz, Ob- und Nidwalden) das Freihandelsabkomen von 1972 verletzen.

Am 15. Dezember trafen sich Vertreter der EU und der Schweiz und sprachen über das Problem. Es wurden kaum Fortschritte erzielt.

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