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Rendez-vous der Düsentriebs

Roland Kyburz stellt in Genf seinen Crèmeschnitten-Schneider vor. swissinfo.ch

Die Welt ist noch nicht zu Ende erfunden. Die Erfindermesse in Genf zeigt erneut, dass dem innovativen Geist keine Grenzen gesetzt sind.

Die Messe für Erfindungen zeigt rund 1000 Neuheiten und Produkte aus aller Welt.

Erfinden scheint eine Männerdomäne zu sein. Frauen, die in Genf ihre Erfindung vorstellen, gibt es (fast) nicht.

Deshalb kann mit Fug und Recht von der Erfindermesse gesprochen werden. Es ist die 32. ihrer Art. 675 Firmen, Institute und staatliche Organisationen, aber auch freie Forscher und Erfinder aus über 40 Ländern stellen ihre Erfindungen vor.

Ein Millionengeschäft

Der Grossteil der alljährlich 60’000 Besucherinnen und Besucher sind Fachleute, die nach Genf kommen, um Geschäfte zu machen.

Anne-Catherine Barret von der Messeleitung erklärte gegenüber swissinfo, rund 45% der Erfindungen kämen später einmal auf den Markt oder zu einer Lizenz. Alljährlich setzten die Erfindungen rund 40 Mio. Dollar um.

Diese Zahlen wurden bei Fachleuten an der Messe eher skeptisch aufgenommen. Die meisten der Erfindungen befänden sich im Stadium der Prototypen und müssten erst noch marktreif entwickelt werden, so der Tenor.

Das koste viel Geld. Auch würden nicht wenige der Erfindungen bestehende Patente “kitzeln” oder gar verletzen, was eine Weiterentwicklung fast unmöglich mache.

Weg mit der Computertastatur

Diese Probleme hat Raphael Bachmann nicht. Seine Erfindung “Speedscript” ersetzt die Computertastatur und ist bereits patentiert. Mittels einer Software kann eine spezielle Tastatur auf den Computer geladen werden. Bachmann sieht den Einsatz vor allem bei Kleincomputern und Handhelds.

Seine Tastatur auf dem Touchscreeen ist zwar gewöhnungsbedürftig, etwa wie das Schreiben auf dem Mobiltelefon. Aber sie wurde bereits mehrfach an Universitäten getestet und für gut befunden.

Auch Preise hat “Speedscript” schon gewonnen. Einzig die Firmen wollen nicht recht einsteigen. Bachmann: “Vokale und Leerzeichen sind zusammengefasst. Sie werden mit Strich, die Konsonanten durch Antippen geschrieben. Alles ist kombinierbar.”

Die Ortschaft “Herzogenbuchsee” beispielsweise schreibt Raphael Bachmann so schneller, als man es aussprechen kann.

Der findige Zahnarzt

Der Zahnarzt Frédéric Marti aus La Chaux-de-Fonds musste in seiner Praxis oft miterleben, dass die Patienten eine Höllenangst vor der Spritze haben. Also hat er – wie er sagt – “eine Revolution in der Welt der Medizin” ausgetüftelt: die Spritze, die nicht schmerzt.

Ein Aufsatz auf den vorderen Teil der Spritze erzeuge beim Patienten erst einen Druckpunkt im Mund, den er spürt. Daraufhin konzentriere sich der Patient auf diese Berührung und merke gar nicht, dass die Nadel bereits das Betäubungsmittel einspritze, erklärt Marti.

Piccards Solarflieger

Grosse Attraktion in Genf ist das Projekt “Solar” des Ballonfliegers Betrand Piccard. Piccard will mit einem Solarflugzeug die Welt umrunden, wie er das mit seinem Ballon tat.

Oder da ist die “Weltneuheit mit zwei Schokoladenseiten”. Die beiden Schoggiseiten heissen Indoor und Outdoor. Das Produkt selber ist ein “modulares, faltbares Zelt- und Architektursystem für alle Anwendungsgebiete – ein mehr als perfektes Schweizer Produkt”.

Zweifelhafte Erfindungen

Daneben finden sich auch Produkte, die schlicht unfassbar sind oder gar bedenklich.

Kaum vorstellbar ist, dass der “tragbare Notlift im Falle von Brand oder Terroranschlägen in Hochhäusern” wirklich funktionieren würde. Man könne sich, so der Erfinder Michel Resegatti, mit dem Shipcommander S.N.L. aus Carabbia im Tessin “aus einer Höhe von bis zu 500 Metern retten”.

Das Prinzip: Im Hochhaus sind in einem Schrank Notlifte in Rucksäcken gelagert. Brennt es, kann einer dieser Rucksäcke angeschnallt und mittels einer Vorrichtung an eine ausfahrbare Stange ausserhalb des Hochhauses eingeklinkt werden. Dann lässt das Eigengewicht der Person diese ruhig nach unten gleiten.

Bis jetzt existiert nur ein Modell. Resegatti hofft, dass jemand die Entwicklung zur Marktreife bezahlt, denn im Modell funktioniere es einwandfrei.

Nicht unbedenklich ist die Erfindung von Peter J. Pejot aus Deutschland. Er will die Tatsache, dass Wasser ein Gedächtnis habe, nutzen.

So hat er den Getränkeveredler “Pejovital” erfunden. Über vier aufeinandergereihte Goldverwirbelungsscheiben mit bioenergetischer Kristall-Goldkartusche lässt er Fruchtsäfte fliessen und was unten rauskommt sei “ein unvergleichliches Geschmackserlebnis”.

Soweit so gut. Pejot behauptet aber, wer das mit Wein mache, werde nicht mehr betrunken.

Da ist es einem beim “Optimat plus” schon wohler. Denn wer hat nicht schon erlebt, dass der Weihnachtbaum einfach nicht richtig stehen will. Der neue multifunktionale Topfständer für Weihnachtsbäume, Wäschespinnen, Sonnenschirme und alles, “was fest stehen muss”, will Abhilfe schaffen.

Der Crèmeschnittenschneider

Die Krone all der zahlreichen Erfindungen in Genf gebührt aber ohne Zweifel Roland Kyburz aus dem aargauischen Erlinsbach.

“Versuchen Sie mal, eine Crèmeschnitte zu Hause oder auswärts einigermassen anständig zu essen”, sagt Kyburz.

Millionen von Köpfen in der Schweiz werden nicken. Tatsächlich ist es bis heute nicht möglich, dieses sperrige mehrlagige Gebäck aus Blätterteig und Buttercrème so zu essen, dass nicht ein mittleres Schlachtfeld auf dem Teller, dem Tisch und gar auf dem Boden zurück bleibt.

Der Kyburz’sche Crèmeschnitten-Schneider löst das Problem. Das “Design-Besteck”, eine Mischung aus Halter und Messer, blockiert die Schnitte und schneidet sie elegant in Stücke, die dann mit der Gabel am Besteck elegant gegessen werden können.

Es ist zu hoffen, dass Roland Kyburz in Genf Erfolg hat. Sein Crèmeschnitten-Schneider würde jedem Schweizer Haushalt gut anstehen.

swissinfo, Urs Maurer

Die Mehrheit der Aussteller (65%) sind Unternehmen, Forschungsinstitute oder staatliche Organisationen.

Beim Rest handelt es sich um private Tüftler. 42 Nationaliäten aus allen 5 Erdteilen sind an der Erfindermesse vertreten.

Alle Aussteller haben Eines gemeinsam: Sie suchen in Genf nach potenziellen Investoren oder kommerziellen Vertriebskanälen für ihre Erfindungen.

Im Schnitt kommen rund 45% der Aussteller zu einem Abschluss, wie ein Messe-Sprecher sagte.

Über Lizenzverkäufe und andere Verträge wurde im vergangenen Jahr während und nach der Messe ein Umsatz von rund 40 Mio. Dollar erzielt.

Stargast der diesjährigen Internationalen Erfindermesse in Genf ist Bertrand Piccard mit seinem neusten Projekt.

Piccard zeigt das Modell des Solarflugzeuges, mit dem er 2009 die Erde umkreisen will. Das Projekt wird von der ETH Lausanne und der Europäischen Weltraumbehörde ESA unterstützt.

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