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Saison für Schweizer Cowboys und -girls

Mit Sorgfalt hergestellter würziger Alpkkäse ist der Stolz eines jeden Sennen. swissinfo.ch

Wer träumt nicht davon, in gesunder Bergluft sinnvolle und naturverbundene Arbeit zu leisten? "Heidi-Feeling" auf der Alp ist in.

Die Wirklichkeit im bereits Jahrtausende alten, für die Schweiz sehr wichtigen Wirtschaftszweig ist jedoch auch anstrengend und hart.

“Wen die Alparbeit (…) lockt, muss eine unentwurzelbar bodenständige Frau oder ein stierennackig hühnenhafter Mann sein. Das ist das klassische Profil. Auch magere Städterinnen eignen sich heutzutage, sofern sie zäh und ausdauernd sind.”

Mit diesen markigen Worten weist das “Handbuch Alp” allzu optimistische und blauäugige Städterinnen und Städter darauf hin, dass die temporäre Arbeit auf der Alp kein “Schoggijob” ist.

Die rund drei Monate dauernde Saisonstelle ist meist sehr knapp bezahlt und körperlich wie auf zwischenmenschlicher Ebene sehr anstrengend. Es gilt nicht nur die täglich veränderten Wetterlaunen zu akzeptieren.

Von Hirten…

Wer gerne mit sich und der Natur alleine ist, sucht sich eine Hirtenstelle. Verantwortlich ist man dort für eine Kuh-, Schaf- oder Ziegenherde. Dabei müssen verlaufene Tiere gesucht und es muss darauf geachtet werden, dass die Tiere nicht Opfer eines Luchses, Wolfs oder neuerdings auch eines Bären werden.

Am Ende des Sommers, nach dem Alpabtrieb, kommen die Tiere wieder in die Obhut ihrer Besitzer. Dank der guten Hege und dem gesunden Futter auf der Alp sollte sich der Wert der Tiere vergrössert haben.

…und Sennen

Wer die Arbeit auf dem Berg sucht, aber nicht unbedingt monatelang einsiedlerhaft leben will, sucht sich eine Stelle auf einer Kuhalp, wo auch Milch, Butter und Käse produziert werden.

Auf einer Sennerei lebt man eng mit anderen zusammen, hat wenig Abwechslung und viel strenge Arbeiten zu erledigen – und das sieben Tage pro Woche. Die Folge sind oft zwischenmenschliche Probleme.

Der Käse muss gemacht und gepflegt, die Butter im kalten Keller geknetet und entlaufene Tiere müssen in oft mühevoller, stundenlanger Sucherei aufgespürt und zurückgeführt werden.

Melken, Käsen, Mistschaufeln und Putzen werden in der traditionellen Rollenverteilung als Senn, Zusenn, Hirt oder Gehilfe erledigt oder immer öfter auch als Team.

Die heutigen Älplerinnen und Älpler kommen aus den verschiedensten Berufen, Bevölkerungsschichten und Nationen. Verlangt werden vor allem Pflichtgefühl, Tierliebe und grosse körperliche wie emotionale Belastbarkeit.

Jahrtausendealte Tradition

Nicht erst seit Wilhelm Tell ziehen alljährlich im Sommer Sennen und Hirten für rund drei Monate auf die saftigen kräuterreichen Alpweiden. Die Anfänge der Alpwirtschaft sind im 4. Jahrtausend vor Christus zu finden.

So nutzten Wanderschafhirten aus der Po-Ebene im Sommer die Alpweiden oberhalb der Waldgrenze. Auch im Wallis und in der Leventina liessen sich die ersten Bauern nieder. Sie betrieben Viehzucht und Ackerbau.

Im Sommer lagerten sie ihr Vieh, hauptsächlich Schafe, auf die Alpweiden aus, um die Futterbasis für die Tiere zu vergrössern. Und das ist auch heute noch einer der Hauptgründe für Bergbauern, ihre Kühe, Schafe, Ziegen oder Pferde auf der Alp zu sömmern.

Die Bauern im Tal konnten und können während dieser Zeit das Heu für die Winterfütterung ernten.

Aufkommendes Sennentum

Das Sennentum entstand zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert im Gebiet, das vom Greyerzerland bis zum oberen Zürichsee reicht. Die Bauern dort gaben den Ackerbau fast vollständig auf und stellten ihre Viehwirtschaft auf den Export von Käse und Vieh um.

Der halbharte Käse war als Nahrungsmittel und Handelsgut sehr beliebt. Durch seine lange Haltbarkeit war er beliebter Proviant für Seeleute bei Überseereisen.

Um transportfähigen, haltbaren Käse herzustellen, brauchte es eine Professionalisierung, einen neuen Berufsstand – das Sennentum. Und da die Herstellung grosser Käse auch grosse Körperkraft erfordert, wurde die Käseherstellung – früher von Frauen betrieben – zur Männerdomäne.

Notwendige Strukturanpassungen

Veränderungen in den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturen ergaben sich aus der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Da blieben die Berggebiete aussen vor. Und weil dort auch die Entwicklung der Verkehrswege zurückblieb, hatten sie gegenüber den Städten einen Standortnachteil. So mussten sie sich auf die Landwirtschaft konzentrieren.

Aber auch von den Älplern wurden Produktionssteigerungen erwartet. So mussten Bauern weniger günstige Standorte aufgeben – eine Entwicklung, die bis in die heutige Zeit anhält. Da mochte auch der einsetzende Tourismus die Abwanderung nicht ganz aufzuhalten.

Rosige Zukunft?

Der Alpwirtschaft werden grosse Zukunfts-Chancen beigemessen, da grosse Nachfrage nach ihren Dienstleistungen und Produkten besteht.

Der Tourismus ist ein Sektor, mit dem sich die Alplandwirtschaft noch zu wenig auseinandergesetzt hat, sind Fachleute überzeugt.

Und der Alpkäse ist ein sehr beliebtes Saisonprodukt. Dank seiner Herkunft hat er ein sehr positives Ansehen. Zudem wird heutzutage immer mehr auf qualitativ hochwertige, gesunde, natürlich produzierte Nahrungsmittel Wert gelegt.

swissinfo, Etienne Strebel

Die Schweizer Alpwirtschaft besteht aus rund 7500 Alpbetrieben auf rund 500’000 Hektaren.
Ertrag 2002: ca. 138 Mio. Franken.
Zusammensetzung:
13’332 Tonnen nicht verkäste Kuhmilch
3000 Tonnen Alpkäse aus Kuhmilch
8 Tonnen nicht verkäste Ziegenmilch
100 Tonnen Alpkäse aus Ziegenmilch
Wertzuwachs der verschiedenen Tierkategorien während der Zeit, die sie auf der Alp waren.
Nicht enthalten:
Direktzahlungen des Bundes zugunsten der Alpwirtschaft.

Durchschnittliche Alpzeit der Tiere:
Jura 120 Tage
Voralpen 98 Tage
Übergangsgebiet Voralpen/Alpen 101 Tage
Alpen 92 Tage.

Es gibt ca. 10’500 bis 12’000 vollbeschäftigte Älpler
Arbeiten: Stallarbeiten wie Melken, Misten oder Füttern, Weiden einzäunen, Tiere hüten, Milch verarbeiten, Holz für den kommenden Sommer vorbereiten.

Auf privat geführten Alpen kommen noch dazu: Weidepflege, Düngung oder Unterhalt der Infrastruktur.

Entlöhnung: Grosse Differenzen – zwischen 200 Franken pro Grossvieheinheit bis 5000 Franken/Monat.

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